Singapore FinTech Festival 2024: vier zentrale Erkenntnisse für Finanzinstitute in Europa

Das 9. Singapore FinTech Festival (SFF) endete am 8. November erfolgreich mit beeindruckenden 65.000 Teilnehmenden aus 134 Ländern. In diesem Jahr wurde zeb vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz eingeladen, Deutschland auf diesem internationalen Event zu vertreten. Als Teil des „German Pavilion“ konnten wir unsere Expertise rund um die digitale Transformation in der Finanzdienstleistungsbranche auf einer globalen Ebene präsentieren und darüber mit anderen Teilnehmenden diskutieren.

Bereits bei der exklusiven Auftaktveranstaltung, dem Elevandi Insights Forum, mit über 2.300 Entscheidungsträger:innen, Investor:innen und Vertretungen von Regulatoren und Branchenführern beteiligten sich unsere Kollegen Julian Schmeing, Wolfgang Schlaffer und Yahya Yousofzai an internationalen Diskussionen über die Entwicklung und Zukunft der Distributed-Ledger-Technologie (DLT) – eines der Schwerpunktthemen einer ereignisreichen Woche.

Key Insights vom Singapore FinTech Festival

Fest steht: Die Zukunft des Kapitalmarkts wird zunehmend digital, effizienter und nachhaltiger gestaltet sein. Die in der SFF-Woche vorgestellten Trends und Technologien bieten Banken erhebliche Chancen, stellen sie jedoch auch – wie so häufig – vor neue Herausforderungen.

Im Mittelpunkt standen insbesondere neue Entwicklungen im Bereich von Generative AI (GenAI), DLT und Digital Assets, aktuelle Entwicklungen im Bereich Payments sowie die nachhaltig wachsende Bedeutung von ESG. Nachfolgend fassen wir für Sie die wichtigsten Themen und Diskussionen zusammen, die die zukünftige Gestaltung der Banken- und Finanzindustrie beeinflussen könnten.

Generative AI (GenAI)

Das Singapore FinTech Festival 2024 unterstrich einmal mehr die wegweisenden Anwendungen von GenAI im Finanzsektor. Als nächste Entwicklungsstufe der künstlichen Intelligenz eröffnet GenAI völlig neue Möglichkeiten, komplexe Daten zu analysieren und personalisierte Finanzlösungen zu entwickeln. 

Besonders im asiatischen Raum zeigt sich, wie weit Finanzinstitute die Potenziale dieser Technologien bereits erschlossen haben. Im Frontoffice-Bereich, beispielsweise beim Kundensupport und Kundenonboarding, wird GenAI genutzt, um hochgradig individuelle und effiziente Kundeninteraktionen zu ermöglichen.

Ein Beispiel ist der Einsatz von GenAI im Prospecting sowie bei der Analyse von Kundeninteraktionen in Text und Sprache: Erste Banken nutzen öffentlich verfügbare Informationen, um präzise Kundenprofile zu erstellen und die Wahrscheinlichkeit eines Vertragsabschlusses anhand von Sprach- und Schriftkommunikation zu prognostizieren sowie zu verbessern.

Im Middle- und Backoffice unterstützt GenAI die Verarbeitung großer Datenmengen, etwa in der Kreditrisikobewertung oder der Betrugsprävention, die Analyse von Transaktionsdaten und hebt die Automatisierung auf ein völlig neues Niveau. 

Es sind Potenziale entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu erwarten. In Gesprächen mit Banken- und Branchenvertretungen werden Effizienzpotenziale von 50–80 Prozent als realisierbar beschrieben. Zudem kann GenAI auf die Erschließung neuer Zielkunden wirken: So werden im Wealth-Management durch eine zunehmende Vollautomatisierung und eine damit einhergehende Steigerung der Prozesseffizienz auch margenschwache Kundensegmente wie Affluent-Banking attraktiver und durch GenAI-gestützte Services (z. B. Personalisierung von Finanzplänen, Budgetplanungen, Anlageempfehlungen) skalierbar, ohne die für das Private Banking typische Individualität zu gefährden.

Gruppenfoto unter German Pavilion: Yahya Yousofzai, Julian Schmeing und Wolfgang Schlaffer (v.l.) Abbildung 1: Gruppenfoto auf dem 9. Singapore FinTech Festival: Yahya Yousofzai, Julian Schmeing und Wolfgang Schlaffer

Distributed-Ledger-Technologie (DLT) und Tokenisierung

DLT-Projekte im internationalen Raum zeigen, dass dezentrale Anwendungen im Finanzbereich (DeFi) nicht nur für Privatnutzer:innen, sondern vermehrt auch für Banken und institutionelle Investoren wertvolle Möglichkeiten bieten. 

Während der Diskurs zu DeFi in Europa oft noch theoretisch geführt wird, begleitet von Vorbehalten bezüglich der Resilienz der DLT-Infrastrukturen und der Sicherheit von Smart Contracts, verfolgen asiatische Finanzinstitute bereits verstärkt praxisorientierte Pilotprojekte mit messbaren Ergebnissen. Dabei steht die technologische Infrastruktur in Asien schon weitgehend bereit – der Fokus liegt nun darauf, wertschöpfende Anwendungsfälle zu identifizieren und effektiv umzusetzen. 

Im Rahmen des „Sandbox“-Ansatzes testen erste Institute die Realisierbarkeit und wirtschaftliche Tragfähigkeit von DeFi-Anwendungen innerhalb etablierter Finanzstrukturen, um konkrete Potenziale zu identifizieren. Ein führendes Beispiel hierfür ist die Monetary Authority of Singapore (MAS) mit ihrem „Project Guardian“, das den Einsatz von DeFi im institutionellen Bereich erforscht. Hier werden Anwendungsfälle wie Kreditvergabe, Anleihe- und Derivatehandel mithilfe von DLT und Smart Contracts erprobt.

Weiterhin voll im Fokus ist das Thema Real World Assets (RWA), auch wenn Kryptowährungen oftmals stark beschränkt oder gar verboten sind, wie beispielsweise in China. Besonders im asiatischen Raum wird die Tokenisierung von Vermögenswerten, vor allem von Immobilien und Luxusgütern, neben Anleihen sowie Fonds vorangetrieben. Im europäischen Raum hingegen liegt das Augenmerk der Tokenisierung überwiegend auf traditionellen Wertpapieren wie Aktien und Anleihen, primär mit dem Ziel, Abwicklungsprozesse effizienter zu machen und im besten Fall teilweise rationalisieren zu können.

Payments und Central Bank Digital Currencies (CBDCs)

Zahlungsmethoden wie Buy Now, Pay Later (BNPL) und digitale Wallets sind in Asien längst Standard. Anbieter wie Grab und Alipay haben  den regionalen Markt geprägt sowie neue Standards in Bezug auf Nutzerfreundlichkeit, Geschwindigkeit und – vor allem – Integration gesetzt. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass digitale Wallets wie Alipay und WeChat Pay nicht nur einfache Zahlungsmethoden sind, sondern vollständige Ökosysteme, die eine Vielzahl von Services unter einem digitalen Dach vereinen. 

Hierbei geht es nicht allein um das Bezahlen von Waren und Dienstleistungen. Die Wallets bieten darüber hinaus Möglichkeiten für Geldtransfers, Investmentlösungen, Kredite und sogar Versicherungen. So wird das digitale Wallet zur zentralen Plattform für Finanztransaktionen und zu einem unverzichtbaren Werkzeug im täglichen Leben der Konsument:innen.

Neben dem Zahlungsverkehr im Retail-Bereich war die Weiterentwicklung grenzüberschreitender Zahlungsströme mit Zentralbankwährungen (CBDCs) ein weiteres, wesentliches Thema des SFF. Asiatische Finanzstandorte, insbesondere Singapur, Thailand und China, treiben diese Transformation maßgeblich voran. 

Grenzüberschreitende Pilotprojekte zwischen dem e-CNY (China) und der thailändischen CBDC sollen zeigen, wie neue Technologien die Effizienz und Geschwindigkeit solcher Transaktionen verbessern können. Besonders hervorgehoben wurde die Rolle interoperabler Plattformen und DLT-Strukturen, die es ermöglichen, unterschiedliche nationale Zahlungssysteme nahtlos zu verbinden. Ziel ist es, die Effizienz zu steigern und die Kosten im internationalen Zahlungsverkehr erheblich zu senken.

Nachhaltigkeit

Im Rahmen des SFF war die Bedeutung von Nachhaltigkeit und ESG durch die Einrichtung einer eigenen „ESG Zone“ und einer exklusiven Stage deutlich wahrzunehmen. Ein zentrales Thema ist die Erhebung und Übermittlung von CO2-Emissionen und anderen relevanten ESG-Daten. 

Für Finanzinstitute wird es zunehmend wichtiger, sicherzustellen, dass sie allen relevanten Marktteilnehmern präzise und verifizierte Informationen zur Verfügung stellen, um fundierte ESG-Bewertungen zu ermöglichen und die CO2-Bilanzen von Unternehmen korrekt zu dokumentieren. Ein wesentlicher Aspekt dabei ist die Notwendigkeit einer starken Datenmanagement-Infrastruktur. Um zu gewährleisten, dass ESG-Daten zwischen allen involvierten Marktteilnehmern effizient und korrekt übermittelt werden, müssen Unternehmen und Finanzinstitute auf konsistente und überprüfbare Informationen zugreifen können. 

Darüber hinaus zeigte das SFF deutlich, dass die Nachfrage nach grünen Finanzprodukten – wie grünen Anleihen, grünen Krediten und ESG-Fonds – nicht nur durch gesetzliche Vorgaben, sondern auch durch den Wunsch von Konsument:innen und Unternehmen nach einer nachhaltigeren Wirtschaft getrieben wird. 

Der Trend zur verstärkten Integration von ESG-Kriterien in das Risikomanagement und die Kreditvergabe eröffnet Banken und Finanzinstituten die Möglichkeit, einerseits zu einer nachhaltigen Wirtschaft beizutragen und andererseits von der wachsenden Nachfrage nach nachhaltigen Finanzprodukten zu profitieren.

zeb-Stand auf dem 9. Singapore FinTech Festival (SFF) Abbildung 2: zeb-Stand auf dem Singapore FinTech Festival

Behörden in der Rolle als Enabler?!

Ein bemerkenswerter Unterschied zwischen Asien und Europa liegt in der Geschwindigkeit, mit der Innovationen etabliert und vorangetrieben werden. Der asiatische Finanzmarkt zeigt, wie wichtig die enge Zusammenarbeit zwischen Banken, FinTechs, Aufsichtsbehörden und Regierungen ist, um innovative Produkte und Technologien schnell massenmarktfähig zu machen. 

Die pragmatische Herangehensweise, die am Beispiel Singapur mit diversen „Sandbox“-Ansätzen sichtbar wird, hat sich als besonders erfolgreich erwiesen. So verfolgt die MAS mit einer klaren Agenda das Ziel, den Finanzstandort Singapur zu stärken. Sie agiert dabei proaktiv und unterstützt Innovationsprozesse, um den Markt auf zukünftige Anforderungen vorzubereiten.

Ein Beispiel für diesen Innovationsansatz ist das bereits erwähnte „Project Guardian“. Hierbei wird zum einen die technische Umsetzbarkeit von DLT-basierten Vermögenswerten anhand verschiedener Use-Cases getestet. Zum anderen geht es darum, die rechtliche und betriebliche Einbettung von DLT-Marktinfrastrukturen in bestehende Finanzstrukturen zu evaluieren. 

Konkret werden die Erkenntnisse aus den Pilotprojekten unter dem „Project Guardian“ genutzt, um interoperable Standards für den Einsatz von DLT in einem regulierten Umfeld zu schaffen. Dieser strategische Fokus auf Standardisierung und pragmatische Skalierung unterstreicht, dass Innovation nicht nur durch technologische Fortschritte, sondern auch durch gezielte Rahmenbedingungen und klare regulatorische Leitlinien möglich wird.

Auswirkungen für Institute in Europa – unser Ausblick

Die Themen verdeutlichen zudem, dass sich europäische Bankinstitute in einer Phase des Wandels befinden und proaktiv mit technologischen Entwicklungen umgehen müssen. Die Innovationen erfordern jedoch ebenso einen pragmatischen Ansatz seitens der Regulierungsbehörden, um den nötigen Raum zu schaffen, Neuerungen zu erkunden und bei nachweisbaren Erfolgen im Testumfeld tauglich für den Massenmarkt zu machen. 

Solche Technologien können nicht nur als Innovationstreiber dienen, sondern sich auch zu strategischen Notwendigkeiten entwickeln, um den steigenden Erwartungen der Kunden sowie der globalen Konkurrenz und Harmonisierung erfolgreich zu begegnen. 

Unsere zeb-Thesen lauten:

  • DLT und Tokenisierung treiben die Digitalisierung des Kapitalmarkts im internationalen Raum, besonders in Asien, bereits stark voran: Um in diesem zunehmend globalisierten Digital-Asset-Markt wettbewerbsfähig zu bleiben, sollten europäische Institute sich frühzeitig mit Tokenisierung und DLT befassen und dadurch neue Geschäftsfelder sowie erhebliche Effizienzpotenziale erschließen.
  • CBDCs haben das Potenzial, den internationalen Zahlungsverkehr grundlegend zu transformieren: Europäische Banken müssen sich jetzt auf die zukünftige globale Infrastruktur interoperabler CBDCs vorbereiten, um Wettbewerbsvorteile im Zahlungsverkehr zu sichern. Die Auseinandersetzung mit DLT und Tokenisierung bietet hierfür eine fundierte Grundlage.
  • GenAI und Automatisierung sind Schlüsselfaktoren zur Effizienzsteigerung und Risikominimierung im Finanzwesen: Die Integration von GenAI in Geschäftsprozesse wird zunehmend einen direkten Einfluss auf die Profitabilität von Banken haben und zu einer wesentlichen Voraussetzung für deren langfristigen Erfolg werden.
  • „Sandbox“-Ansätze können einen wertvollen Innovationsschub geben: Europäische Banken und Regulierungsbehörden sollten von der flexiblen Regulierungslandschaft in Asien lernen und verstärkt auf kontrollierte Testumgebungen setzen, um Innovation und Sicherheit gezielt zu fördern.
  • Europäische Banken müssen den Mut haben, neue Technologien und Geschäftsmodelle proaktiv zu erproben, anstatt abzuwarten: Innovationskraft und Erfolg entstehen durch gezielte Experimentierfreude. Mehr Vertrauen in und die Teilnahme an pilotbasierten Ansätzen sowie agilen Entwicklungen kann es Instituten ermöglichen, schneller von Fortschritten in DLT, AI und CBDCs zu profitieren und ihre Marktposition langfristig zu sichern.

Sprechen Sie uns gerne an!

Wolfgang Schlaffer / Autor BankingHub

Wolfgang Schlaffer

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Julian Schmeing / Autor BankingHub

Julian Schmeing

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Yahya Yousofzai / Autor BankingHub

Yahya Yousofzai

Senior Manager Office Frankfurt

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