Anlagephilosophie und Zielgruppe von Ginmon
Hallo Herr Knigge, was genau macht Ginmon in maximal zwei Sätzen?
Ginmon verwaltet Kundengelder individuell mittels Software nach streng wissenschaftlichen und erwiesenen Methoden. Kunden können ihre Anlage über transparente und moderne Onlinetechnologien bei Ginmon beauftragen und einsehen.
Welche Anlagephilosophie hat Ginmon?
Ginmons Anlagephilosophie ist das antizyklische Faktor-Investing. Das 3-Faktor-Modell stammt von den zwei Portfoliotheoretikern Prof. Fama (Nobelpreisträger) und Prof. French. Bei diesem Ansatz wird neben einer breiten, globalen Diversifikation in kleine und attraktiv bewertete Unternehmen investiert, da diese nachweislich langfristig eine bessere Rendite erwirtschaften. Akademische Grundlage für unsere Anlagephilosophie sind unter anderem die Kapitalmarkttheorien der Professoren Eugene Fama und Kenneth French (3-Faktor-Modell oder auch Faktor-Investing) sowie von Professor Harry Markowitz (Diversifikation).
Mit dem antizyklischen Investmentansatz werden dann durch unseren Algorithmus apeironprotect im Rahmen von „Rebalancings“ regelmäßig Bestandteile umgeschichtet, um die Portfolios zu jedem Zeitpunkt im Gleichgewicht zu halten.
Die Auswahl der ETFs, die für die Umsetzung der Anlagestrategie genutzt werden, erfolgt anhand strenger Kriterien durch unseren Algorithmus apeironselect. Für die Auswahl werden die verschiedenen Kriterien normalisiert und zu einem gewichteten Score zusammengeführt.
An welche Zielgruppen richtet sich Ginmon mit seinem Produktangebot und wie viele AuM und Kunden haben Sie im jeweiligen Segment?
Das Angebot von Ginmon richtet sich vor allem an Anleger mit langem Anlagehorizont, die Kapitalmärkte für sich arbeiten lassen und von der Produktivität der Weltwirtschaft profitieren möchten. Dies sind Anleger aller Altersklassen. Viele unserer Kunden nutzen unsere Dienstleistung zudem als einen Baustein für die private Altersvorsorge.
Mit einem verwalteten Vermögen von über 100 Mio. EUR gehören wir zu den größten Anbietern im deutschen Markt.
Im Zuge der Corona-Krise haben unsere Autoren noch mit einer Reihe weiterer Robo Advisors über die Beeinflussung der Branche durch die Krise gesprochen:
Was kostet den Privatkunden mit einem Anlagevolumen von 10.000 EUR der Service von Ginmon und wie konkurrenzfähig sind Sie damit ggü. anderen Robo Advisors sowie klassischen Asset Managern?
75 EUR im Jahr (oder 0,75 % p. a.) für die Verwaltung und Depotkosten (brutto), hinzu kommen Gebühren der Anlageprodukte, in die Ginmon für Kunden investiert, von durchschnittlich 23 EUR bzw. 0,23 % p. a.
Wir liegen mit unserem Preismodell im Mittelfeld der digitalen Vermögensverwalter und erachten uns als voll konkurrenzfähig, da wir uns seit Jahren durch bessere Renditen ggü. Mitbewerbern mit gleichen oder ähnlichen Preisen auszeichnen. Klassische Asset Manager, die versuchen, durch aktive Titelselektion den Markt zu schlagen, veranschlagen weit mehr für Ihre Dienstleistung, obwohl Kunden keine Garantie besitzen, dass ihre Renditen dadurch besser als die Entwicklung des breiten Markts ausfallen.
Anlagestrategie von ginmon
Wie sehen Ihre Anlagestrategie und das Risikomanagement aus?
Unser Anlageuniversum beinhaltet Aktien, Anleihen, Rohstoffe, Immobilien sowie eine Abbildung von Risikoprämien nach dem 3-Faktor-Modell der Portfoliotheoretiker Prof. Fama und French. Wir investieren nur über ETFs und Indexfonds.
Grundsätzlich versuchen wir immer, die Portfolios unserer Kunden so nah wie möglich an der für den jeweiligen Kunden optimalen Allokation zu halten. Umschichtungen je nach Marktlage oder Analystenmeinungen von z. B. Aktien in Anleihen nehmen wir aus gutem Grund nicht vor. Denn ob eine Marktphase kurz- oder langfristig ist, lässt sich leider immer erst im Nachhinein sagen. Trotzdem versuchen wir natürlich, das Risiko für unsere Kunden durch unseren Risikomanagement-Algorithmus apeironprotect so gut wie möglich zu minimieren. Grundsätzlich basiert unser Risikomanagement auf einem sogenannten schwellenbasierten Rebalancing. Das heißt, dass die Gewichtungen der Anlagebausteine in den Kundenportfolios innerhalb festgelegter Schwellen schwanken dürfen. Die Portfolios haben also Luft zum Atmen. Sollten diese Schwellen verletzt werden, würde unser Algorithmus das jeweilige Portfolio wieder auf die Ziel-Allokation zurücksetzen. Hierbei berechnen wir die Abweichung des Portfolios von der Soll-Allokation für jeden Kunden täglich individuell.
Dies geschieht nicht nur in Krisen-, sondern auch in Boomzeiten. Das hat den Vorteil, dass antizyklisch gehandelt wird. In Zeiten großer Übertreibung an den Kapitalmärkten – wie z. B. zu Beginn der 2000er während des Internetbooms – werden zu hoch bepreiste Anlagen abgebaut. Dadurch wird schon vor einem eventuellen Crash sichergestellt, dass der Crash dem Portfolio weniger anhaben kann. In Krisenphasen baut unser Algorithmus hingegen zu niedrig bepreiste Anlagen wieder auf. Dadurch wird sichergestellt, dass die Portfolios unserer Kunden auch davon profitieren, wenn die Aktienkurse sich wieder drehen.
Die Vorteile eines regelbasierten antizyklischen Rebalancing sind in der wissenschaftlichen Literatur bereits häufig dokumentiert und nachgewiesen worden.
Unserem Investment-Management-Ansatz sind wir seit der Gründung von Ginmon treu geblieben, haben ihn über die Zeit aber natürlich immer weiter perfektioniert, um die Kosten für unsere Kunden so weit wie möglich zu minimieren und die Renditepotenziale zu steigern.
USP ginmon und Wettbewerb
Es gibt mittlerweile eine Vielzahl von Anbietern für Robo Advisory, B2B sowie B2C. Wie differenziert sich Ginmon, d. h., was genau ist Ihr USP?
Ginmon differenziert sich hinsichtlich mehrerer Gesichtspunkte:
- Die Anlagephilosophie und die Algorithmen basieren auf Erkenntnissen wissenschaftlicher Kapitalmarktforschung, die erprobt sind. Hierzu zählen u. a. Faktor-Investing und antizyklisches Rebalancing.
- Darüber hinaus haben wir in 2019 unseren Steueroptimierungsalgorithmus apeironenhance umfassend ausgebaut und mit einem neuen Feature ausgestattet. Mit diesem nutzen wir am Ende eines jeden Jahres die nicht ausgenutzten Freistellungsbeträge unserer Kunden so weit wie möglich aus. Dafür generiert unser Algorithmus automatisch kurz vor Jahresende Wertpapiertransaktionen. apeironenhance verkauft also Wertpapiere und realisiert dadurch einen Teil der unrealisierten Kapitalerträge, um den noch nicht genutzten Freistellungsbetrag auszunutzen. Kurze Zeit später werden diese Wertpapiere dann wieder zurückgekauft. An der Anlagestrategie ändert sich also nichts; unsere Kunden sind weiterhin optimal in ihrer persönlichen Strategie aufgestellt. Durch unsere hohe Automatisierung, mit der wir Anlageprodukte kaufen und verkaufen, halten wir die Transaktionskosten dabei sehr gering. Durch dieses neue Feature konnten wir in 2019 durchschnittlich ca. 166 EUR Freistellungsbetrag pro Kunde, der einen Freistellungsauftrag bei uns hinterlegt hatte, zusätzlich ausnutzen. Dies entspricht einer Bruttosteuerersparnis von bis zu ca. 46 EUR pro Kunde. Die Transaktionskosten lagen durchschnittlich bei unter 4 EUR pro Kunde, sodass die zusätzliche Nettosteuerersparnis bei ca. 42 EUR pro Kunde lag. Dieses Feature ist unseres Wissens nach am deutschen Markt einzigartig. Weitere Informationen hierzu finden Sie auch hier.
- Ginmon hat eine eigene Portfoliomanagementsoftware entwickelt und setzt bei der Portfoliosteuerung nicht auf Systemen von bspw. Banken.
- Ginmon ist unabhängig von Produkt- und Systemanbietern. So vermitteln wir z. B. keine Anlageprodukte von Gesellschaftern oder ähnlich verbundenen Unternehmen und sind damit frei, die wirklich beste Anlage für Kunden anzubieten.
Welche (Marketing-) Strategie nutzen Sie, um neue Kunden zu gewinnen? Welche Rolle spielen Partnerschaften?
Wir gewinnen Kunden hauptsächlich über Onlinemarketing. Aber auch einzelne ausgewählte Partnerschaften spielen eine Rolle für uns. So kooperieren wir z. B. schon seit mehreren Jahren mit der Börse Stuttgart zur gemeinsamen Kundengewinnung.
Aber auch mit Mercer Deutschland haben wir vor wenigen Monate eine Partnerschaft zum Thema „Workplace Investing“ geschlossen. Das Angebot richtet sich an Arbeitgeber. Diese haben künftig die Möglichkeit, ihren Mitarbeitern über das cloudbasierte Benefitsportal „Darwin“ von Mercer Zugang zur digitalen Vermögensverwaltung von Ginmon anzubieten. Dies kann eine sinnvolle Ergänzung der betrieblichen Altersvorsorge sein, ohne dass die Arbeitnehmer sich bereits auf eine Nutzung des Vermögens festlegen müssen. Somit tragen wir dem Wunsch nach Flexibilisierung der Benefits und der Altersvorsorge Rechnung.
In welchem Geschäftsfeld sehen Sie das größte Wachstumspotenzial? Auf welche Bereiche möchten Sie sich entsprechend in Zukunft fokussieren bzw. um welche Bereiche möchten Sie Ihr Geschäft ggf. erweitern?
Ginmon sieht sich als holistische Plattform für die Verwaltung der persönlichen Finanzen unserer Kunden. Demnach liegt ein besonderer Fokus von Ginmon auf der Erweiterung des Produkt- und Serviceangebots im Bereich der Finanzplanung, beispielsweise durch spezielle Rentenplanungslösungen.
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Herausforderungen in der Corona-Krise
Wie hat sich die Corona-Krise bisher auf Ihr Geschäft ausgewirkt? Was sind aktuell die größten Herausforderungen für Sie?
Nur ein erstaunlich geringer Teil unserer Kunden hat uns im Zuge der Corona-Krise verlassen. Ein größerer Teil hat die Kurseinbrüche im März sogar dafür genutzt, seine Investments auszubauen. Dennoch bleibt das Marktumfeld und die damit verbundene Unsicherheit bei Anlegern schwierig für weitere Neukundenakquisen.
Wie hat sich die Corona-Krise auf die Rendite Ihrer Kunden ausgewirkt? Wie sehen Sie sich damit im Vergleich zu Ihren Wettbewerbern?
Bereits im Dezember 2019 hat unserer Risikomanagementalgorithmus entsprechend unserem antizyklischen Rebalancing-Ansatz angefangen, aktiv Aktien zu verkaufen, um Risiken abzubauen. Dies setzte sich im Januar und Februar 2020 fort. Dadurch konnten wir den maximalen Verlust in vielen Portfolios zumindest etwas minimieren. Doch natürlich sind auch viele Portfolios unserer Kunden im Zuge der Kursstürze im März in die roten Zahlen gerutscht. Durch unser antizyklisches Rebalancing haben wir die Aktienquoten in dieser Phase aber konsequent wieder erhöht. Dies hat bei der darauffolgenden Rally im April dazu geführt, dass sich diese Portfolios überdurchschnittlich gut erholt haben.
Grundsätzlich reagieren unsere Portfolios aufgrund unseres Faktor-Investing-Ansatzes immer etwas sensitiver auf Konjunkturschwankungen. Sowohl der Size-Faktor, mit dem wir in kleine Unternehmen investieren, als auch der Value-Faktor, der auf niedrig bewertete Unternehmen setzt, mussten in der Corona-Krise daher etwas Federn lassen. Kleine Unternehmen sind in einem wirtschaftlichen Abschwung tendenziell deutlich anfälliger, weshalb ihre Aktien aufgrund der sich anbahnenden Rezession zwischenzeitlich zu deutlichen Abschlägen gehandelt werden im Vergleich zu größeren Unternehmen.
Value-Unternehmen auf der anderen Seite sind meist grundsolide Industrieunternehmen. Sie sind wenig anfällig für emotional getriebene und kurzlebige Hype-Zyklen – häufig sind sie tatsächlich eher langweilig. Allerdings sind sie auch genau deswegen ebenfalls sehr sensibel für Konjunkturschwankungen. Schließlich haben Industrieunternehmen meist große Fabriken und Tausende von Mitarbeitern. Sie können in einem Abschwung daher weniger schnell ihre Kapazitäten herunterfahren. In einem Aufschwung jedoch können sie ohne große zusätzliche Kosten mehr produzieren und ihre Umsätze steigern.
Langfristig weisen beide Faktoren überlegene Renditen gegenüber dem Gesamtmarkt auf, wie diverse wissenschaftliche Studien bereits nachgewiesen haben. In der Corona-Krise aber war die Konjunkturanfälligkeit beider Faktoren sicherlich eher ein Nachteil für unsere Strategien, was jedoch an unserer langfristigen Anlagephilosophie nichts ändert. Schließlich sind alle unsere Portfolios so konzipiert, dass sie langfristig die bestmöglichen Renditen für unsere Kunden erzielen.
Welche mittel- bis langfristigen Risiken erwarten Sie durch die Corona-Pandemie für sich und den Robo Advisory Markt allgemein?
Für einige der unabhängigen Robo Advisors könnte diese Krise existenzielle Risiken bedeuten. Somit wäre durchaus eine Situation denkbar, in der der Markt nach der Krise von Anbietern dominiert wird, die sich durch große Produktanbieter im Hintergrund finanzieren. Dies wäre sehr schade, denn dadurch könnte die Mission, “unabhängige, transparente Vermögensverwaltung, die stets im Sinne des Kunden ist” verloren gehen, mit der die unabhängigen Anbieter gestartet sind.
Welche Chancen könnten durch die Krise entstehen?
Die Kontaktverbote spielen Anbietern, die ihren Vertrieb und ihre Produkte digital strukturiert haben, natürlich in Hände. So werden viele Kunden nun die Vorzüge von digitalen Anbietern erleben, wie z. B. die digitale Kontoeröffnung oder die Transparenz und allzeit Verfügbarkeit eines Onlinekundencenters. Dies könnte dauerhaft zu einem Umdenken bei vielen Kunden führen.
Eine letzte Frage haben wir noch für Sie…
Was wollten Sie in einem Interview schon immer einmal sagen, wurden es aber nie gefragt?
Da sich Ihre Fragen schon hinreichend um die Anlagephilosophie gedreht haben – das ist in der Tat unser Lieblingsthema, das viel zu selten erfragt wird –, habe ich nichts zu ergänzen.
Herzlichen Dank für das Interview!
Eine Übersicht aller geführten Interviews finden Sie hier: