Automatisierte Prozesse im Digital Wealth Management
Digitale Techniken sind im Wealth Management angetreten, um Prozesse zu automatisieren, die Effizienz zu steigern und Kosten zu reduzieren. Reine Robo-Advisory-Lösungen erschließen sogar das bislang unattraktive, margenschwache Massengeschäft, den Retailmarkt.
Aber bereits das nächste Segment in der Vermögensverwaltung stellt höhere Ansprüche an die Beratungsleistung. Mass-Affluent-Kunden erwarten, persönlich und ihren individuellen Bedürfnissen entsprechend betreut zu werden. Diese Wünsche schließen digitale Elemente allerdings nicht aus – im Gegenteil.
Denn die Branche steht vor einem tief greifenden Generationswechsel. Portfolios, die bislang in den Händen der Babyboomer waren, werden in naher Zukunft auf die Millennials übertragen, die eine hohe digitale Affinität mitbringen. Mit Apps und digitalen Kommunikationsformen umzugehen, ist für sie alltäglich. Zudem wollen sie mit ihren Dienstleistern – auch mit ihren Vermögensberatern – in Echtzeit kommunizieren.
Sie erwarten Anlagestrategien mit einem Risikoprofil, das individuell auf sie zugeschnitten ist. Und sie bevorzugen es, mit Beraterinnen und Beratern auf demjenigen Kanal zu kommunizieren, der ihnen gerade zusagt, ob dies nun WeChat ist, WhatsApp oder Line. Millennials – und digitalaffine Kunden generell – wollen heute eine Omnichannel-Betreuung, individuell und jederzeit. Dafür steht der Begriff des Conversational Banking.
Neue regulatorische Vorgaben in der Vermögensberatung
Neben neuen Kundensegmenten mit neuen Ansprüchen an eine digitale und dennoch individuelle Beratung verändern auch neue regulatorische Vorgaben die Arbeit in der Vermögensberatung.
So spielt etwa durch MiFID II das Portfoliorisiko eine viel größere Rolle. Ein vor allem am Risiko orientierter, automatisierter Beratungsansatz hat aber einen stark technischen Charakter und schränkt die Möglichkeiten der Interaktion mit dem Kunden ein.
Dies beeinträchtigt die emotionale Komponente einer Investmententscheidung und leistet nur sehr wenig für die Stärkung des persönlichen Vertrauens der Kunden in ihre Beraterinnen und Berater. Nicht zuletzt für die anspruchsvolleren Mass-Affluent-Kunden, Anleger/-innen mit Vermögen bis zu 1 Mio. EUR, empfiehlt es sich darum, bei der Beratung digitale Komponenten mit einem nach wie vor persönlichen Element zu kombinieren. Dieser hybride Ansatz verbindet einen stark automatisierten Beratungsprozess mit der Option des persönlichen Austauschs zwischen Berater/-innen sowie Kunden.
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Hybride Beratungsansätze im Digital Wealth Management
Hybride Ansätze sind schon deswegen sinnvoll, weil aktuelle Studien wie der „The Front-to-Back Office Report. How are functions in the finance industry changing?“ zeigen, dass sich 62 Prozent der Investoren mit der Vorstellung reiner Robo-Advisory-Lösungen noch nicht anfreunden können oder diese sogar klar ablehnen. Die Interaktion zwischen Menschen bleibt also unerlässlich, wenn das Finanzinstitut ein Vertrauensfundament für die Beratungsbeziehung schaffen und ausbauen möchte.
Die Ansprüche an eine persönliche und individuelle Betreuung steigen in dem Maß, in welchem man sich vom Retailmarkt entfernt. Der Vorteil der digitalen Automatisierung bleibt aber: Sie eröffnet Skalierungsmöglichkeiten und verspricht zusammen mit höherer Effizienz auch geringere Kosten. Ermöglicht wird diese Automatisierung durch flexible und leistungsfähige Kernbankensysteme sowie durch Risk Engines und Werkzeuge zur Portfoliokonstruktion.
Wenn allerdings eine Risk Engine das Portfolio konstruiert und optimiert, findet dieser Prozess gleichsam in einer Blackbox statt – aus der Perspektive der Beraterinnen und Berater ebenso wie aus der des Kunden. Wird das Zielportfolio mit Unterstützung von KI zusammengestellt, ist es kaum mehr möglich zu erklären, wie dies genau passiert ist. Bei herkömmlichen Investitionsempfehlungen, die auf einer bestimmten Aktie beruhen, gibt es dagegen ein historisches Narrativ innerhalb einer bestimmten Branche – eine Erzählung, mit der Berater/-innen ihre Anlageempfehlungen dem Kunden vermitteln können. Zu einem softwarekonstruierten Portfolio, das in der Blackbox entstanden ist, gibt es dagegen keinen emotionalen Bezug.
Auch die Betrachtung von Makrorisiken lässt sich bislang kaum auf die Anleger/-innen hin individualisieren. Bei der Untersuchung von Makrorisiken gibt die Forschungsabteilung ihre Ergebnisse oft in sehr generischer Form aus, etwa als PDF-Datei. Dieses generische Dokument, das nicht auf die individuellen Interessen oder das Portfolio der einzelnen Anlegerinnen und Anleger eingeht, fördert keinen wirklichen Austausch zwischen den Beratenden und deren Kunden. Es ist eine Push-Information ohne klaren Bezug zum Kundeninteresse.
Beratungsplattform: KI-gestützte Beratung
Tatsächlich kann eine digitale Beratungslösung den Beratungsprozess und die dialogische Interaktion hier entscheidend unterstützen. Denn die Beratungsplattform ist per KI in der Lage, die Bedeutung der Makrorisikoanalyse für den Kunden zu bestimmen und daraus individuell relevante Inhalte zu generieren – Inhalte, die für die Beraterinnen und Berater ein willkommener Anlass sind, ihre Kunden zu adressieren und mit ihnen in einen Dialog zu treten.
Die Beratungsplattform analysiert also automatisch die Auswirkungen auf ein Portfolio – seien sie positiv oder negativ. Ergibt sich ein Kommunikationsanlass, erkennt die Plattform dies und benachrichtigt die betroffenen Berater/-innen. Diese können ihren Kunden in einem anschließenden Dialog dann genau die Empfehlungen und Investmentstorys unterbreiten, die aus Kundensicht relevant sind. Dabei lässt sich besprechen, ob die Auswirkungen positiv oder negativ sind, welche Absicherungsmaßnahmen sich anbieten und welche Entscheidung der Kunde für sein Portfolio treffen möchte.
Im Idealfall findet dieser Dialog zwischen dem Kunden sowie dessen Berater/-in auf einer gemeinsamen Beratungsplattform statt. Wenn die Beratungslösung die Informationen und das Klientenportfolio dann noch ansprechend präsentiert, verstärkt dies den vertrauensfördernden Charakter des Beratungsdialogs zusätzlich.
In der Schweiz hat ein renommierter Vermögensverwalter in einem Pilotprojekt solch ein Interactive Advisor Framework eingeführt. Die dazugehörige Wealth Management Plattform integriert unterschiedlichste Microservices nahtlos über API-Schnittstellen – auch die neue Beratungsumgebung. In ihr tauschen sich Kunden mit Beratern bzw. Beraterinnen aus und diskutieren die Anlagevorschläge, welche die Beratenden – unterstützt durch KI – für die Kunden erstellt haben.
Für die Berater/-innen verringert sich so der Aufwand für Vorbereitung und Analyse des jeweiligen Investmentvorschlags. Denn die Beratungsplattform macht aus den Informationen Investmentstorys, die für das individuelle Portfolio des Kunden relevant sind. Die Beraterinnen und Berater des Schweizer Vermögensverwalters haben diese Option dankbar angenommen. Der storybasierte Ansatz führt sie zu neuen Investmentideen und liefert ihnen willkommene Anlässe zur Kontaktaufnahme mit ihren Kunden.
Auch befragte Investoren selbst konstatieren, dass es einen klaren Trend hin zu KI-Unterstützung, Robo-Advisory-Lösungen und Automatisierung gibt. 73 Prozent sehen diese Entwicklung sogar als die wichtigste für die Vermögensberatung innerhalb der nächsten fünf Jahre. Ein bedeutendes Anwendungsfeld für den KI-Einsatz ist das Conversational Banking.
Denn erst die Datenanalysen und die Unterstützung durch die Beratungsplattform versetzen Kundenbetreuer/-innen überhaupt in die Lage, den Aufgaben des Conversational Banking gerecht zu werden. Erst dadurch können die Beraterinnen und Berater vom sporadischen Austausch zur kontinuierlichen Interaktion übergehen.
Um mit dieser neuen Intensität und Frequenz der Kommunikation Schritt zu halten, nutzen die Beratenden automatisierte Tools für das Natural Language Processing und diverse KI-basierte Analysewerkzeuge dazu, Kundenabsichten zu erkennen und Kundenfragen zu beantworten. Die Beratungsplattform kann sogar in Echtzeit – während des Chats – geeignete Antworten vorschlagen.
Ebenso lässt sie sich mit Newsfeeds ausstatten, die über relevante Nachrichten und wichtige Trends informieren. Eine KI-gestützte Beratungslösung ist in der Lage, die Beraterinnen und Berater bei ihren alltäglichen Aufgaben wirkungsvoll zu entlasten. Sie hilft, den Service für die Kunden deutlich zu verbessern und die Personalisierung voranzutreiben, ohne dass die Berater/-innen dabei stärker beansprucht werden als früher.
Zudem können automatisierte Datenanalysen heute Beziehungsnetzwerke ermitteln – von Kunden und Nichtkunden. So lässt sich auch eruieren, wer in Neukundenfällen der tatsächlich wirtschaftlich Berechtigte ist. Sollte etwa ein Vererbungsfall absehbar sein, lohnt es sich, die künftigen Erben zu kontaktieren, damit die verwalteten Assets dem Institut im Erbschaftsfall nicht verloren gehen. KI und Machine Learning helfen dem Empfehlungsmarketing, monitoren das Client Engagement und unterstützen die Churn Prevention. Die Grundregel: je größer die Datenmenge über alle Kunden hinweg, desto besser die prädiktive Analyse der individuellen Kundenbedürfnisse.
Fazit zum personalisierten Beratungserlebnis im Digital Wealth Management
Die automatische Datenanalyse mit KI- und Machine-Learning-Technologien ermöglicht Finanzinstituten passgenaue Angebote zum idealen Zeitpunkt – sogar in Echtzeit direkt während eines Chats. Es ist also beides möglich: die Beratung so weit wie nötig und sinnvoll zu automatisieren – und dem Kunden dabei dennoch ein hyperpersonalisiertes Beratungserlebnis zu verschaffen. An KI und an effizienten, digitalen Beratungsumgebungen führt in der Vermögensverwaltung kaum mehr ein Weg vorbei.