Neuer Kollege ist ein Algorithmus
Frau Maurer, Sie sind Immobilienberaterin bei einer Regionalbank. Seit Anfang des Monats haben Sie einen neuen Kollegen. Können Sie uns den kurz vorstellen?
Na ja, er ist ein ziemlicher ruhiger Kollege, aber dafür sehr effizient. Und er arbeitet mir ohne zu murren zu, sogar nachts. Bisher kann ich mich wirklich nicht beklagen!
Ihr neuer Kollege, das muss man dazu sagen, ist kein Mensch, sondern ein Algorithmus. Was genau macht er?
Er entlastet mich und meine Kollegen bei der Kommunikation mit unseren Kunden. Er macht zum Beispiel Vorschläge, wie wir auf E-Mails antworten können – die dafür notwendigen Informationen sucht er sich selbstständig zusammen. Ich schaue dann oft nur noch einmal kurz drüber und schicke die E-Mail so ab. Es ist wirklich erstaunlich, wie passend die Vorschläge sind und wie gut der Algorithmus sie formuliert. Man merkt wirklich nicht, dass sie von einer Maschine und nicht von einem Menschen stammen.
Und was macht Ihr neuer Kollege noch?
Da gibt es viele Dinge. Nehmen Sie zum Beispiel einen Baufinanzierungsantrag. Wenn ich den selbst vorbereite, muss ich jedes Mal schauen, welche Anhänge notwendig sind und diese individuell zusammenstellen. Das übernimmt jetzt der Algorithmus.
Ehrlich gesagt kann er das sogar besser als ich, er ist schließlich nie müde und macht auch keine Flüchtigkeitsfehler. Nur wenn er sich selbst mal nicht ganz sicher ist, was relativ selten vorkommt, fragt er bei mir nach. Ansonsten habe ich mit dem Prozess der Zusammenstellung von Anhängen nichts mehr zu tun.
Insgesamt spart mir das unglaublich viel Zeit. Seit es den Algorithmus gibt, schaffe ich ungefähr doppelt so viele Kundenansprachen am Tag.
Haben Sie nicht Angst, dass der Algorithmus Ihre Arbeit irgendwann überflüssig macht?
Ganz am Anfang war da schon eine gewisse Sorge vorhanden. Bei mir selbst, aber vor allem auch bei den etwas älteren Kollegen. Mittlerweile hat sich das aber gelegt. Der Algorithmus erledigt vor allem Routineaufgaben, die uns selbst vorher eher genervt haben.
Wie hat sich der Arbeitsalltag für Sie und Ihre Kollegen konkret verändert?
Wir haben jetzt mehr Zeit, um mit einem Kunden zu telefonieren oder ihn persönlich zu treffen. So bekommen wir ein besseres Gespür dafür, in welcher Lebenslage er sich befindet und welche Wünsche er hat. Ich würde sagen, wir können uns, weil viele Routineaufgaben wegfallen, mehr auf die menschlichen Seiten unseres Jobs konzentrieren. Und das ist ja etwas Schönes.
So verändert Intelligente Automatisierung das Banking
Die Anwendung von Verfahren der künstlichen Intelligenz (KI) in der Prozessautomatisierung – sogenannte Intelligente Automatisierung – wird das Betriebsmodell von Banken deutlich verändern.
Selbst Abläufe, die bislang noch menschliche Wahrnehmungsfähigkeiten erfordert haben – wie die Verarbeitung von Fließtexten, das Verstehen von handschriftlichen Einträgen oder der Abgleich von Legitimationsdokumenten – können mit Werkzeugen aus dem KI-Kasten verlässlich automatisiert werden. Deutliche Sprünge in der Vertriebs- und Kosteneffizienz rücken so in greifbare Nähe.
Erste Pilotprojekte deuten auf eine Reduktion von Bearbeitungszeiten bis zu 80 % hin. Die Automatisierung der unstrukturierten Kundenkommunikation bereits früh im Prozess hat einen weitreichenden Hebel: Deutlich reduzierte Wartezeiten für Kunden und eine hohe Transparenz über den Bearbeitungsfortschritt steigern das Kundenerlebnis.
Prozessqualität steigt, da Flüchtigkeitsfehler und Ermüdungserscheinungen der Vergangenheit angehören. Für Mitarbeiter heißt das, sie können sich auf Tätigkeiten konzentrieren, für die menschliche Stärken besonders wertschöpfend sind: Kundenberatung, Kreativität, vernetztes Denken, Kommunikation usw.
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Handlungsbedarf
Für Führungskräfte stellt sich die Frage nach der richtigen Automatisierungsstrategie in mehreren Stufen. Die erste Stufe ist eine umfängliche Standardisierung und Digitalisierung der Prozesse bei Nutzung der vorhandenen Verbund- und Kernbankenstandards. In der zweiten Stufe sind in den Kernbankensystemen vorhandene Automatisierungslösungen wie z. B. der helic Analyzer von comline konsequent zu nutzen.
In der dritten Stufe sind neben der trivialen Option (Nichtstun) zwei Alternativen abzuwägen: Standardprozesse hausintern automatisieren oder an einen Dienstleister auslagern. Hierfür sind drei Faktoren zu betrachten: das Erreichen kritischer Mengengerüste, Aufbau und Halten von IT-Prozessexpertise und Betriebssicherheit.
Aus einer reinen Effizienzbetrachtung liegt die kritische Größe bereits bei rund einer MAK Einsparpotenzial, die in mittelgroßen Instituten schnell erreicht ist. Herausfordernder vor dem Hintergrund der Vollbeschäftigung gestaltet sich die personelle Seite: Fachexperten mit Prozess- und Kernbankexpertise sind aufzubauen bzw. zu binden. Wie bei jeder Software sind zudem Notfallpläne für den Ausfall zentraler Komponenten vorzuhalten.
Die vierte Stufe ist die Verknüpfung mit fortschrittlicheren KI-gestützten Methoden. Hierzu zählt z. B. NLP (natural language processing), mit dessen Hilfe Daten aus Anträgen kontextbasiert verarbeitet werden können. Die Wertschöpfungskette der Automatisierung wird dabei nach vorne verlängert und auf weniger standardisierte Prozesse verbreitert.
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Private-Banking-Studie Österreich – 2018 (zeb)
Die zeb.Private-Banking-Studie Österreich ist die erste ihrer Art, die ein umfassendes Verständnis für die Spezifika des österreichischen Private-Banking-Markts vermittelt.Private Banking Studie Deutschland – 2018 (zeb)
Dass sich Privatbanken in Deutschland weiterentwickeln müssen, daran besteht kein Zweifel. Die Ergebnismargen bewegen sich trotz günstigem Marktumfeld weiterhin auf einem sehr niedrigen Niveau.Fazit: Intelligente Automatisierung bei Regionalbanken
Die ersten Regionalbanken setzen seit 2018 erfolgreich auf Stufe 3 der Automatisierung, in weniger als fünf Jahren wird Automatisierung Marktstandard sein und für eine angemessene Verwaltungsaufwandsquote unerlässlich. Stufe 4 wird mit einem Zeitversatz zu Stufe 3 von rund drei Jahren ebenfalls schon Mitte des kommenden Jahrzehnts Alltag sein. Regionalbank-Führungskräfte sind daher gefordert, einen klaren Automatisierungsfahrplan gemäß dem Stufenmodell zu verfolgen.
6 Antworten auf “Intelligente Automatisierung im Banking”
Patrick Rank
Kurze Info. NLP steht nicht für neurolinguistische Programmierung, das hat nämlich nichts mit künstlicher Intelligenz zu tun. NLP steht für natural language processing, was hier auch im Sinne von automatischer Textverarbeitung gemeint ist.
juliaschraut BankingHub
Hallo Herr Rank,
haben Sie vielen Dank für den Hinweis. Unser Autorenteam hat die Stelle nun entsprechend korrigiert.
Herzliche Grüße
Julia Schraut
Jon Keller
Corona hat bewiesen, dass wir noch Nachholbedarf haben, was die Digitalisierung in Unternehmen betrifft. Ich glaube, dass Automatisierungstechnik bei Routinearbeiten die Zukunft ist. Schließlich ist Zeit Geld und wenn man einen Algorithmus hat, der einem einfache aber zeitaufwendige Aufgaben erleichtert, kann das nur von Vorteil sein.
Matthias Lehneis (Autor)
Guten Tag Herr Keller,
vielen Dank für Ihren Kommentar.
Ja, wir glauben auch, dass das Potential zur Prozessautomatisierung bei Finanzdienstleistern noch lange nicht ausgeschöpft ist. Es gibt keine Schranken (z.B. Naturgesetze), die uns hindern, in vielen Prozessen sehr nahe an einen Automatisierungsgrad von 100% heranzukommen.
Alleine Prozessschritte, die menschliche Kreativität oder das Vertrauen in eine Beziehung erfordern, werden auf absehbare Zeit manuell bleiben müssen.
Beste Grüße
Matthias Lehneis
Nina Hayder
Es ist doch sehr interessant, wie alles automatisiert wird. Ich selbst bin auch Fan von der Automation. Daher ist es spannend zu erfahren, dass schon selbst im Banking diese Anwendung findet.
Nina Hayder
Ich bin ein großer Fan von Automatisierungsabläufen.- Daher überraschte es mich nicht zu lesen, dass die Bearbeitungsprozesse bis zu 80 % reduziert werden können. Automatisierungstechniker haben hierbei eine gute Arbeit geleistet.