Sustainable Finance (EU-Aktionsplan): MiFID II – Erweiterung um Nachhaltigkeitsaspekte

Mit der Unterzeichnung des Pariser Klimaabkommens im Dezember 2015 haben sich nahezu alle Staaten dazu verpflichtet, einen Beitrag zu den vereinbarten Klimazielen und damit zu einer nachhaltigeren Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft zu leisten.

Bis 2030 jährlich Mehrinvestitionen von ca. 180 Milliarden Euro nötig

Gemäß Berechnungen der Europäischen Investitionsbank sind für den Beitrag zu den vereinbarten Klimazielen bis 2030 jährlich Mehrinvestitionen von ca. 180 Milliarden Euro nötig (bzw. 270 Milliarden Euro, wenn neben dem Sektor Energie auch Wasser, Transport und Müllentsorgung berücksichtigt werden). Das sind Summen, die nicht alleine vom öffentlichen Sektor gestemmt werden können. Entsprechend ist ein Transformationsprozess erforderlich, um privates Kapital zu gewinnen und in jene Sektoren umzuleiten, welche einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten.

Gefordert sind staatliche, wirtschaftliche wie auch gesellschaftliche Institutionen – wobei insbesondere den Finanzmärkten hinsichtlich Sustainable Finance eine zentrale Bedeutung zukommt.

Sustainable Finance: Nachhaltigkeit im Kontext der MiFID II

Die von der Europäischen Kommission aufgesetzte Regulierung zum Thema Sustainable Finance besteht aus verschiedenen Komponenten; dies sind insbesondere die Taxonomieverordnung, die Offenlegungsverordnung und Änderungen der Benchmarkverordnung.

Im Zuge des oben erwähnten Transformationsprozesses ist es aber ebenso die Anlageberatung, die in den Fokus rückt – nimmt sie als zentrale Orientierungshilfe auf den Finanzmärkten doch eine bedeutende Rolle bei der Allokation von privatem Kapital ein. Dementsprechend kommt das Thema Nachhaltigkeit auch immer mehr im Kontext der MiFID II an.

So hat es sich die MiFID II zum Ziel gesetzt, die Funktionsweise und Transparenz der Finanzmärkte zu verbessern und die Anleger/-innen in der Europäischen Union zu schützen. Allesamt Aspekte, welche für die Entwicklung eines Markts für nachhaltige Finanzprodukte und eines nachhaltigen Finanzsystems von hoher Bedeutung sind.

Bisher jedoch fanden Nachhaltigkeitsfaktoren in der Anlageberatung keine Berücksichtigung. Folglich hat die Europäische Kommission im Rahmen der Umsetzung ihres Aktionsplans zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums verschiedene Änderungen hinsichtlich der MiFID II vorgesehen.

Sustainable Finance: Geplante Änderungen im Hinblick auf die MiFID II (fortgeschrittener Diskussionsstand)

Konkret beabsichtigt die Europäische Kommission, Nachhaltigkeitsfaktoren in die der MiFID II zugehörigen delegierten Rechtsakte (Level-2-Texte) zu integrieren. Hierzu wurden am 8. Juni 2020 zwei Änderungsvorschläge vorgelegt (wie auch für die AIFMD und die UCITS-Richtlinie). Die Entwürfe beinhalten keine neuen Regeln, es werden aber bereits bestehende organisatorische bzw. Governance-Regeln der MiFID II angegangen.

Betroffen sind alle EU-Unternehmen, die aktuell unter das MiFID-II-Regime fallen (bzw. unter AIFMD oder die UCITS-Richtlinie). Ebenfalls betroffen sind AIF- und UCITS-Manager, welche Top-up-Berechtigungen zur Durchführung von MiFID-Aktivitäten haben, wie zum Beispiel Investmentberatung oder Portfoliomanagement.

Delegierte Verordnung (EU) 2017/565[1] – Integration von Nachhaltigkeitspräferenzen in die Geeignetheitsprüfung

  • Status Quo
    • Aktuell wird ein Kunde im Rahmen der Geeignetheitsprüfung zu seinen persönlichen Verhältnissen befragt. Konkret geht es um die Aspekte: (1) einschlägige Kenntnisse und Erfahrungen, (2) finanzielle Verhältnisse (inkl. Verlusttragfähigkeit) und (3) Anlageziele (inkl. Risikotoleranz), wobei die Anlageziele wiederum Anlagezweck und Anlagehorizont sowie Risikopräferenz und Risikoprofil umfassen.
    • Basierend darauf wird dem Kunden ein für ihn geeignetes Finanzinstrument bzw. eine Wertpapierdienstleistung vorgeschlagen.
  • Neuerung – Sustainable Finance
    • Als Neuerung soll eine Erweiterung im Kontext der Anlageziele vorgenommen werden; der Kunde soll gefragt werden, ob er bei seiner Investitionsentscheidung Nachhaltigkeitspräferenzen berücksichtigt wissen will.
    • Eine entsprechende Definition des Begriffs der Nachhaltigkeitspräferenz soll in Artikel 2 der Delegierten Verordnung ergänzt werden.
    • Konkret kämen nur Produkte infrage, die den Anforderungen von Artikel 9 der Offenlegungsverordnung an eine nachhaltige Investition genügen (sogenannte Impact-Produkte) oder unter Artikel 8 der Offenlegungsverordnung fallen (das heißt, dass mit dem Produkt unter anderem ökologische oder soziale Merkmale oder eine Kombination daraus verfolgt und gleichzeitig gewisse ergänzende Auflagen an die Nachhaltigkeit erfüllt werden).
    • Der Begriff „Nachhaltige Investitionen“ berücksichtigt dabei wirtschaftliche Tätigkeiten, die zur Erreichung eines ökologischen oder sozialen Ziels beitragen, sowie Unternehmen, welche Anforderungen bezüglich der Unternehmensführung erfüllen.
  • Implikationen für betroffene Akteure
    • Unternehmen müssen Finanzprodukte im Bestand haben, die den Kunden im Hinblick auf deren Nachhaltigkeitspräferenzen angeboten werden können.
    • Investmentberatungs- und Portfoliomanagementprozesse müssen angepasst werden, um die Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden berücksichtigen zu können. Dies umfasst zum Beispiel Fragebogen, welche bei der Erhebung der Kundendaten eingesetzt werden, wie auch die Aufnahme von Nachhaltigkeitspräferenzen im Anlegerprofil.
    • Um eine angemessene Erfassung zu garantieren, muss der Kunde hinreichend nachvollziehen, was unter Nachhaltigkeit verstanden wird und was die Hintergründe und Zusammenhänge sind. Dies setzt wiederum voraus, dass Anlageberater/-innen in ihrer Ausbildung die nötigen Kenntnisse erwerben, um Nachhaltigkeitsfaktoren im Rahmen der Investitionsentscheidung verständlich aufzugreifen.
    • Den Kunden ist eine Geeignetheitserklärung auszuhändigen, wie das empfohlene Finanzinstrument zu deren Nachhaltigkeitspräferenzen passt.

Delegierte Richtlinie (EU) 2017/593[2] – Integration von Nachhaltigkeitspräferenzen in die Product-Governance-Anforderungen

  • Status Quo
    • Gemäß den bisherigen Product-Governance-Anforderungen der MiFID II müssen Hersteller und Distributoren für jedes Finanzprodukt einen Zielmarkt bestimmen.
    • Damit wird definiert, mit welchen Kundenbedürfnissen und Kundenmerkmalen ein Produkt kompatibel ist (= positiver Zielmarkt) und mit welchen es nicht zusammenpasst (= negativer Zielmarkt).
    • Betrachtet werden die Faktoren Kundenkategorie, Kenntnisse und Erfahrungen, finanzielle Situation, Risikotoleranz sowie Ziele und Bedürfnisse.
  • Neuerung – Sustainable Finance
    • Als Neuerung soll sichergestellt werden, dass neben den oben genannten Faktoren auch die Nachhaltigkeitsaspekte des Produkts den Anforderungen des jeweiligen Zielmarkts entsprechen.
    • Die Nachhaltigkeitsaspekte umfassen dabei Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelange, die Achtung der Menschenrechte sowie die Bekämpfung von Korruption und Bestechung.
  • Implikationen für betroffene Akteure
    • Im Zuge der Produktemission müssen Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigt werden.
    • Systeme des Investmentberatungs- und Portfoliomanagementprozesses müssen erweitert werden, sodass eine angemessen Berücksichtigung von Nachhaltigkeitspräferenzen während der Zielmarkt- und Eignungsprüfung gewährleistet wird.
    • Marketing- und Vertriebsstrategien müssen weiterentwickelt werden, sodass diese in adäquater Weise die Nachhaltigkeitsfaktoren abbilden.

Fazit: Regulatorische Anforderungen sind noch nicht final – trotzdem müssen betroffene Akteure frühzeitig aktiv werden

Aktuell kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Europäische Kommission weitere Änderungen an den von ihr vorgeschlagenen Anpassungen der MiFID-II-Regeln vornimmt (gilt ebenso für die AIFMD und die UCITS-Richtlinie). Entsprechend ist noch nicht klar, wann der finale Vorschlag vorgelegt wird. Erwartet wird jedoch, dass die beiden Entwürfe frühestens gegen Ende 2021 bzw. Anfang 2022 rechtskräftig werden.

Auch wenn keine neuen Regeln erlassen werden, bedeutet die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsfaktoren in der der MiFID II zugehörigen delegierten Rechtsakte einen erheblichen Umsetzungsaufwand für betroffene Unternehmen. Erweiterungen von Investmentberatungs- und Portfoliomanagementsystemen, umfassende Schulungen für die Mitarbeitenden oder auch Überarbeitungen von Vertriebsstrategien: Um sich angemessen auf die Anforderungen vorzubereiten, ist es unerlässlich, dass betroffene Akteure frühzeitig aktiv werden.

Konkret empfiehlt es sich, bestehende Bestimmungen bezüglich der Organisation und der Governance wie auch Prozesse zu analysieren, um einen möglichen Anpassungsbedarf zu identifizieren. Dabei kann es sinnvoll sein, externe Unterstützung miteinzubeziehen, die über das nötige Fachwissen und die Expertise hinsichtlich der Geeignetheitsprüfung und der Product-Governance-Anforderungen im Kontext der MiFID II verfügt.

[1] Delegierte Verordnung (EU) 2017/565 der Kommission vom 25. April 2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rats in Bezug auf die organisatorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen und die Bedingungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit sowie in Bezug auf die Definition bestimmter Begriffe für die Zwecke der genannten Richtlinie (Text von Bedeutung für den EWR).

[2] Delegierte Richtlinie (EU) 2017/593 der Kommission vom 7. April 2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rats im Hinblick auf den Schutz der Finanzinstrumente und Gelder von Kunden, Produktüberwachungspflichten und Vorschriften für die Entrichtung beziehungsweise Gewährung oder Entgegennahme von Gebühren, Provisionen oder anderen monetären oder nicht monetären Vorteilen (Text von Bedeutung für den EWR).

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Samuel Isenschmid / Autor BankingHub

Samuel Isenschmid

Senior Manager Office Berlin

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