Relevanz der Plattformen in Zeiten von Elon Musk und Bots
Nostalgisch wie an die letzte re:publica 2019 in der STATION Berlin mag man sich noch an die Plattform Twitter – und nicht X – vor der Machtübernahme durch Elon Musk erinnern, welche sowohl die digitale Gesellschaft als auch Journalist:innen gleichermaßen abholte und noch als Heimathafen zum Debattieren, Informieren und zum Austausch begeistern konnte. Genau um diese Veränderung sollte es auch in einer der ersten Diskussionen am Montag zum Auftakt der dreitägigen re:publica-Konferenz gehen.
Moderiert von Johnny Haeusler (Blogger und re:publica-Gründer) diskutierten Patricia Cammarata (Autorin, Bloggerin, Podcasterin), Simon Hurtz (Social Media Watchblog), Dirk von Gehlen (Journalist, Autor, Director, Think Tank SZ-Institut) und Katharina Nocun (Autorin) über den Status quo sozialer Medien wie Mastodon, Threads, Instagram und TikTok in Deutschland und darüber, wie Journalist:innen sie für sich nutzen.
Nocun blickt zunächst wehmütig zurück: Die netzpolitische Community von damals gäbe es auf X eindeutig nicht mehr, stattdessen haufenweise Kontakte, die es zu blockieren gelte. Hurtz hält daher gerne am altbewährten RSS-Feed fest und freut sich, wenn er von längst nicht mehr aktiven Seiten über neue Beiträge informiert wird. Die Fixierung auf Reichweite müsse unbedingt aufhören, so von Gehlen – und warum nicht auch mal auf die eigene Website verweisen, bevor man sich in einen weniger geeigneten Social-Kanal begibt. Das Web ist da, um die Plattform kann man sich später kümmern. Cammarata ist optimistisch, eine soziale Plattform mit gutem Potenzial werde kommen.
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Welche Auswirkungen hat die KI auf das Urheberrecht?
Auch über von Bots bestimmte Algorithmen, die Co-Pilotisierung von Wissensarbeit und KI-generierte Inhalte musste man sich damals noch keine Gedanken machen – womit wir schon beim Thema KI wären, das auf der Konferenz vielfach in Bezug auf die Zukunft der Arbeit und der Gesellschaft diskutiert wurde.
Joerg Heidrich (Justiziar und Datenschutzbeauftragter, Heise Medien) ordnete in seinem spannenden Vortrag das Urheberrecht bei der Nutzung von KI-generierten Inhalten ein. Von künstlicher Intelligenz erzeugte Inhalte sind in der Regel nicht urheberrechtlich geschützt, sondern frei nutzbar.
Damit sind sie Fluch und Segen zugleich. Denn im Zweifelsfall sei die hinzugefügte menschliche Eigenleistung als Kipppunkt (> 51 %) nur schwer bestimmbar, einen KI-Detektor gäbe es in dieser Form nicht. Und auch werde es bei der Übertragung von Nutzungsrechten schwierig, da diese beim Einsatz von KI unter Umständen nicht mehr rechtsgültig sind. Neue Nutzungsverträge seien erforderlich.
Es stellt sich ferner auch die Frage, ab wann KI-generierte Inhalte gekennzeichnet werden müssen und wann in Zukunft überhaupt noch Inhalte ohne KI-Unterstützung erstellt werden – Stichwort: Co-Pilotisierung der Wissensarbeit. Wird das Urheberrecht zukünftig noch ausgleichend wirken können? Und werden rein menschengenerierte Inhalte der Luxus des nächsten Jahrzehnts sein? Was ist mit „Mischwerken“, die von Menschen und Maschinen erstellt werden? Gelten die bisherigen Verträge noch, insbesondere im Agentur- und Freelancingbereich? Und wie sieht die Zukunft der Verwertungsgesellschaften in Zeiten von KI aus? Das alles sind Fragen, auf die es aktuell noch keine konkreten Antworten gibt und über die es weiter zu diskutieren gilt.
Gesellschaftspolitische Themen und Politikpräsenz auf der re:publica 24
Ein großes Thema, das sich durch viele Programmpunkte der diesjährigen re:publica zog, war auch die Stärkung unserer Demokratie in Zeiten eines drohenden Rechtsrucks.
Spannend waren hier die Einblicke von Jean Peters (Journalist) in die Geheimplan-Recherche und ihre Folgen. CORRECTIV konnte mit seiner Recherche Anfang des Jahres nicht nur ein großes Echo in den Medien, sondern auch ein großes zivilgesellschaftliches Echo erzeugen. Inhalt der Geheimplan-Recherche war ein Treffen von AfD-Politiker:innen, Neonazis und finanzstarken Unternehmer:innen, in welchem über die Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland diskutiert wurde. Infolge der Offenlegung durch CORRECTIV kam es in ganz Deutschland zu großen Demonstrationen, und Petitionen wurden unterzeichnet.
Die Politikpräsenz auf der re:publica war, gefördert durch die anstehenden Europawahlen, dieses Jahr besonders hoch. So standen zum Beispiel Robert Habeck, Hubertus Heil und Karl Lauterbach zu den Themen Krise als Radikalisierungstrigger, Digitale Arbeitswelt und „Wie geht’s uns denn heute?“ Rede und Antwort.
Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen war auch gleich in zwei Panelrunden zu Gast. Im Gespräch mit Markus Preiß (ARD-Europastudio) äußerte sie sich kritisch zum Fahrplan für ein zukunftsfähiges Europa und zum Umgang mit den nationalistischen Regierungen in mehreren Mitgliedsstaaten. Außerdem gab sie Antworten auf die Fragen von TikTok-User:innen im Podcastgespräch mit Florian Gregorzyk (Reporter und freier Journalist) und Carolin Bredendiek (Redakteurin, Moderatorin, „0630 – der News-Podcast“ (WDR)).
Johnny Haeusler interviewte zudem unsere Außenministerin Annalena Baerbock zu den aktuellen großen Krisenherden auf der Welt – gemäß dem Motto „Außenpolitik in gewendeten Zeiten“. Insbesondere wurde über den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine sowie den Nahostkonflikt gesprochen. Frau Baerbock berichtete über den schmalen Grat zwischen der Unterstützung der Ukraine und dem gleichzeitigen Versuch der Deeskalation des Konflikts. Zudem zeigte sie auf, dass eine Lösung im Nahen Osten nur dann möglich ist, wenn sowohl Israelis als auch Palästinenser:innen ein friedliches und sicheres Leben unter menschenwürdigen Bedingungen führen können. Im Kopf blieb die Nachfrage von Johnny Haeusler, ob bzw. wie Frau Baerbock in solchen Zeiten, so nah dran an den Krisenherden, optimistisch bleiben könne bzw. kann. Sie erwiderte, dass sie ohne eine positive Grundeinstellung dieses Amt nicht ausführen könne. Diese Positivität bzw. Ruhe vermittelte sie trotz der schweren Themen, und man spürte Hoffnung und Mut anstelle von Hilflosigkeit und Resignation.
Gemeinsam für eine nachhaltige Welt
Gemäß dem Motto „Who cares?“ war es naheliegend, dass auch das Thema Nachhaltigkeit in verschiedenen Formaten ausführlich besprochen und diskutiert wurde. Hauptfokus lag dabei auf der ökologischen Nachhaltigkeit und dem Klimawandel. Quintessenz war und ist: Um dem Klimawandel begegnen zu können, ist es unabdingbar, dass jede:r Einzelne einen Beitrag leistet und wir zu einer „Caring-Gesellschaft“ werden. Wie das gelingen kann – hierfür wurden verschiedene Denkanstöße geliefert.
Eckart von Hirschhausen (Gründer, Stiftung Gesunde Erde – Gesunde Menschen) diskutierte gemeinsam mit Christian Stöcker (Professor für Digitale Kommunikation, HAW Hamburg), Laura-Kristine Krause (Geschäftsführerin, More in Common) und Clara Pfeffer (Haupstadtkorrespondentin, RTL und ntv) darüber, inwiefern man mithilfe von positiven Narrativen zu einer besseren Etablierung von Klimamaßnahmen beitragen kann – sowohl medial als auch privat. Es wurde daran appelliert, die Menschen positiv emotional anzusprechen – also weg von Katastrophennews und Worst-Case-Szenarien, mit denen Medien gerne aufwarten, und hin zu einer positiven Incentivierung. Es solle viel mehr darüber berichtet werden, was alles in Zukunft gut werden bzw. erhalten werden kann, wenn die Gesellschaft dazu bereit ist, nachhaltig zu handeln.
In einer weiteren Diskussion mit Roland Panter (Pressesprecher, NABU), Mark Benecke (Kriminalbiologe), Magdalene Trapp (Referentin für Biodiversitätspolitik, NABU) und Paula Lambert (Beziehungsexpertin) wurde unter dem Titel „Tatort Naturkrise“ darauf aufmerksam gemacht, dass wir es nicht nur mit einer Klimakrise zu tun haben, sondern auch mit einer Biodiversitätskrise. Das heißt, wir sind aktuell mit einem Artensterben konfrontiert, das natürlich eng mit der Klimakrise verwoben ist. Auch hier gilt es, weiter aufzuklären und dafür zu sensibilisieren. Stellhebel, um dem entgegenzuwirken, wurden besprochen, zum Beispiel die Reduzierung des Einsatzes von Pestiziden, die Erschaffung von Gärten und Lebensräumen für bedrohte Tierarten sowie die Hinterfragung des eigenen Konsums von tierischen Produkten.
Auch die re:publica selbst war Vorbild beim Thema Nachhaltigkeit durch ein rein vegetarisches/veganes Essensangebot und die Vermeidung von Abfall, wo nur möglich. Eine Aktivierung der Teilnehmenden erfolgte darüber hinaus über Workshopformate, in welchen individuelle Handlungsmöglichkeiten diskutiert und aufgezeigt wurden – wo kann jede:r Einzelne ansetzen? Wo liegen die eigenen Stärken und Einflussbereiche, in denen man nachhaltiges Handeln fördern kann? Am Ende blieb das Gefühl, etwas bewegen zu können – egal wie klein der Schritt auch erstmal sein bzw. erscheinen mag. Aber wenn viele so denken, dann können vielleicht auch Berge versetzt werden.
2024 war nochmal größer, diverser und höchst inspirierend
Die re:publica Berlin 2024 war mit über 28.000 Besucher:innen und mehr als 1.000 Speaker:innen die bisher größte digitale Konferenz in Europa. Es gab eine Flut an Informationen, die auf die Besucher:innen einstürzte, wenn diese das re:publica-Gelände betraten. Das Angebot umfasste nicht nur eine große Menge an Ständen von diversen Stiftungen, Google/YouTube, TikTok, ARD und ZDF u. v. m., sondern auch Vorträge auf 11 Bühnen, diverse Workshops und ein ausgefülltes Abendprogramm. Am liebsten hätte man sich zerteilt, um an den vielen spannenden und hochrelevanten Formaten teilzunehmen. So musste man sich die Highlights nach Interessengebieten herauspicken – ein Luxusproblem.
Thematisch wurde eine große Bandbreite geboten. Natürlich wurden die großen Megatrends Digitalisierung und Nachhaltigkeit in vielen Vorträgen und Diskussionen behandelt. Der digitale Wandel von Stadtverwaltungen und der Aufbau von Smart Cities wurden thematisiert, die Einsatzfelder von KI (bspw. in der Textverarbeitung in der Bankenaufsicht oder zur Identifizierung von Fake News) wurden diskutiert. Zudem wurde über die reflektierte Nutzung von digitalen Medien gesprochen und mediale Ruhezeiten empfohlen. Nachhaltiges Handeln und die eigene Partizipation standen maßgeblich im Fokus. Ebenfalls ein relevantes Thema war die Resilienz der Bevölkerung in Krisenzeiten – wie schafft man es, trotz der vielen Schreckensmeldungen nicht aufzugeben und zu resignieren? Inspirationen lieferten hier zum Beispiel unsere Außenministerin, diverse Beiträge über positive Medienberichterstattung sowie Vorträge zur Stärkung der eigenen Resilienzfähigkeit.
Wir gehen mit vielen Impulsen nach Hause – manche vielleicht bereits bekannt, andere neu. Aber auch die bereits bekannten Impulse bekommen nun eine Festigung. Sie werden dadurch größer, dass man sieht, wie viele Menschen sich mit den aktuell relevanten Themen bereits beschäftigen, und dass man sich als Teil eines Ganzen versteht. Die re:publica ist ein Raum für Inspiration, für Austausch und für die Erinnerung daran, dass auf der Welt bereits viele positive Dinge geschehen und von Menschen vorangetrieben werden. Das macht Lust darauf, daran zu partizipieren und Teil davon zu sein. Enden möchten wir mit einem Zitat aus dem Beitrag „Alles muss man selber machen“ von Barbara Blaha (Leiterin, Momentum Institut): „Jetzt sind wir dran. Wir schulden der Welt von morgen, dass wir den Dingen nicht weiter ihren Lauf lassen.“