Weniger bunte Anzüge, dafür mehr Diversität bei den Ausstellern?!
Wir vom BankingHub haben es uns nicht nehmen lassen, an beiden Konferenztagen beim großen Lifestyle-, Digital-, Marketing-, Finance- und Techevent bzw. beim größten Treffen von Führungskräften zum Netzwerken und Austauschen über digitale Tech- und Medientrends dabei zu sein.
In diesem Jahr gab es weniger bunte Anzugskostüme bei den Gästen, dafür erstmals einen Ausstellungsbereich für NPOs, NGOs und Impact-Start-ups wie Correctiv, Hanseatic Help, Black Female Business und Sea-Watch. Darüber hinaus standen wie im Vorjahr Themen und Trends rund um Gleichstellung und Diversität auf der Agenda der 5050 Stage.
Ein Panelthema war hier z. B. Unternehmertum und Führung trotz diverser Hindernisse im Gespräch zwischen FFA’lerinnen Aileen Puhlmann (Managing Director bei Lemonaid), Nana Addison (Gründerin und CEO bei Styleindi) und Victoria Toney-Robinson (Head of Programs – Engineering bei Google), moderiert von FFA-Gründerin Onejiru Arfmann.
Aber auch die große Party mit Konzerten u. a. von Tokio Hotel, Shirin David und Ski Aggu, die großen Aufbauten der Premiumaussteller, z. B. Google, SAP und TikTok, in beiden Messehallen sowie Popkulturpersönlichkeiten und Influencer:innen aus Sport und Medien durften nicht fehlen. Bereits im Vorfeld wurde mit dem Besuch von Kim Kardashian geworben. Die rund 700.000 Euro für den Einflug des Stars direkt von der Met Gala in New York am Montag schienen sich aus Sicht der Veranstalter gelohnt zu haben, die Besucher:innen freuten sich! So war nicht nur der große Konferenzsaal mit Platz für 7.000 Personen bis auf den letzten Platz besetzt, sondern auch die Stände und Konzertbühnen dicht umlagert.
KI und weitere Trends auf der OMR
Das große Thema der Messe war – wenig überraschend – die künstliche Intelligenz. Über die Transformation durch KI diskutierten u. a. Jonas Andrulis, CEO des Start-ups Aleph Alpha, das eine europäische Alternative zu US-Firmen wie OpenAI und DeepMind bieten will, sowie Jürgen Schmidhuber, Direktor des Schweizer KI-Labors IDSIA sowie Mitgründer und Ex-Präsident des Unternehmens NNAISENSE. Weitere Referent:innen waren Sascha Lobo, der auf die Gefahr für Deutschland, als Wirtschaftsstandort den Anschluss zu verpassen, hinwies – „In den USA soll die beste KI der Welt hergestellt werden, in China die effizienteste – und in Europa die regulierteste“ – sowie Miriam Meckel und Léa Steinacker.
Einer der spannendsten Talks war sicherlich der Trendtalk von Scott Galloway. Er forderte u. a. ein Verbot der algorithmenstarken Plattform TikTok, die vor allem das Weltbild der jungen Generation stark beeinflusst und seiner Meinung nach Netflix und Spotify bald den Rang ablaufen wird.[1] Er rechnet jedoch nicht mit einem Verbot von TikTok, sondern eher mit einem Verkauf des westlichen Ablegers an ein westliches Unternehmen, da amerikanische Investoren bereits massiv in ByteDance investiert haben.
Vor dem Hintergrund der steigenden Zahl von Konsument:innen im großen Wachstumsmarkt Indien betonte Galloway die Rolle von WhatsApp als bisher wenig monetarisiertem, aber (auch in Indien) viel genutztem Messengerdienst: „Du liest nicht jede E-Mail, aber du liest jede Nachricht auf WhatsApp“ – in WhatsApp stecke noch enormes Potenzial.
Für Galloway ist KI eine von US-Innovatoren dominierte Zeitmaschine – Europa hinke bei den Investitionen deutlich hinterher –, die die Produktivität der Nutzer:innen, die sie verstehen, steigern und den Arbeitsmarkt dahingehend transformieren wird. KI – und nicht Suchmaschinen – werde die Antworten auf Fragen liefern. Als größte Gefahr der KI bezeichnete Galloway nicht Desinformation, sondern KI-Angebote, die Einsamkeit bekämpfen sollen, aber fern jeder Realität sind und die Empfänglichkeit für Desinformation erhöhen, z. B. KI-Freundinnen, die immer verfügbar sind und tun, was man will. Sein Appell an das junge Publikum: „Geht aus, trinkt, trefft schlechte Entscheidungen – vielleicht zahlt es sich aus.“
Weniger ein Technologietrend, aber ein noch größerer Trend als KI aus Sicht des Marketingexperten sind Glucagon-like-Peptide-1-Medikamente, kurz GLP-1-Medikamente, die zur Behandlung von Diabetes mellitus Typ 2, Adipositas und Übergewicht eingesetzt werden – bei über 70 Prozent der Übergewichtigen in den USA und über 50 Prozent der Übergewichtigen in Deutschland ein Thema mit Zukunft.
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Robert Habeck und Christian Lindner auf der Conference Stage
Insgesamt war die diesjährige OMR politischer als in den vergangenen Jahren. Erstmals waren zwei Bundesminister vor Ort, und das Interview mit Kim Kardashian wurde von „Free Palestine“-Rufen unterbrochen[2].
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck durfte die Eröffnungsrede im großen Konferenzsaal halten. Er wies auf die wachsende Gefahr für die Demokratie im Land durch Populist:innen und (Rechts-)Radikale hin. Diese „wollen den Kern, das Gemeinwesen, das unser Land in den letzten 70 Jahren geworden ist, infrage stellen – vielleicht zerstören.“ Habeck appellierte an die Zuhörenden: „Wenn ihr nicht findet, dass wir es gut genug machen, dann müsst ihr es selber machen, am Ende auch kandidieren für etwas. Wenn wir in einem Land leben, wo alle nur aufeinander zeigen und sagen: ,Lös du das Problem‘, werden wir die Probleme nicht lösen.“
Wie zahlreiche Vorredner:innen sprach auch Bundesfinanzminister Christian Lindner über KI und ließ sich dabei nicht von der Stinkbombe ablenken, die bei seinem Auftritt am Mittwoch gefunden wurde.[3] Das Treffen mit Microsoft-Gründer Bill Gates habe ihm noch einmal vor Augen geführt, wie groß die technologischen Umwälzungen in den nächsten Jahren sein werden: „Meine Sorge ist nicht, welche Auswirkungen künstliche Intelligenz haben kann. Die Risiken verkenne ich nicht. Aber die eigentliche Frage ist: Was kann künstliche Intelligenz für uns tun?“ Das Potenzial sei auf jeden Fall vorhanden, und Deutschland dürfe die rasante Entwicklung nicht verschlafen.
Finance auf der OMR
Das Thema Finance kam mit Expert:innen wie Mette Hindborg Gade, Produktchefin des Ausgabenmanagement-Tools Pleo, und Lena Hackelöer, Gründerin von Brite, auf der Finance-Forward-Konferenz und den dazugehörigen Finance-Masterclasses mit über 2.000 Besucher:innen auch dieses Jahr nicht zu kurz. Eröffnet wurde die eintägige Finance-Forward-Konferenz am zweiten Tag der OMR mit einer Keynote zum ETF-Hype von DWS-Chef Stefan Hoops.
Per Video aus San Francisco zugeschaltet, sprach der deutsche Worldcoin-Mitgründer Alex Blania über seine Vision, mit seinem US-Start-up das größte Finanznetzwerk der Welt aufzubauen – geplant ist u. a. ein digitaler Personalausweis nach einmaligem „Menschlichkeitsnachweis“ per Iris-Scan –, und darüber, wie er mit regulatorischen Datenschutzbedenken und angekündigten Untersuchungen umgeht.
N26-Gründer Valentin Stalf sprach u. a. über Wachstumsstrategien und das Thema Mitarbeitervertretung, während Raisin-Gründer Tamaz Georgadze von den Zukunftsplänen des Start-ups erzählte. Pav Gill berichtete über seine Rolle und Erfahrungen als Whistleblower im Fall Wirecard und sein Start-up Confide, das es Whistleblower:innen über die dahinterstehende Software ermöglicht, Missstände intern anonym und sicher zu melden.
Inspiration und Austausch
Natürlich ist und bleibt das OMR-Festival sehr kommerziell und lockt mit prominenten Gästen und Konzerten. Weltbewegende neue Erkenntnisse sind von den großen, oft nur 25-minütigen Talks sicher nicht zu erwarten, eher Impulse und Denkanstöße. Das große Medienspektakel in seiner Größe und Vielfalt sowie mit seinen Expert:innen aus dem Lifestyle-, Digital-, Marketing-, Finance- und Techumfeld bleibt für mich jedoch einzigartig in seiner Art und eben das, was man daraus macht.
Eine gute Planung im Vorfeld ist entscheidend, um aus der Vielzahl der parallel stattfindenden Veranstaltungen eine Auswahl zu treffen. Die Zusammenstellung der favorisierten Programmpunkte, Masterclasses und Side Events fällt nicht immer leicht, denn die Titel sind so spannend wie möglich formuliert – man merkt, hier sind die Expert:innen am Werk ;) – und entpuppen sich dann manchmal als weniger mitreißend und eher als PR-Veranstaltung. Der eine oder andere (Glücks-)Treffer, aber auch ein paar Misserfolge hinsichtlich der eigenen Interessen sind da mitunter vorprogrammiert. Letztendlich bin ich aber wieder mit einer ganzen Reihe von Impulsen und Denkanstößen im Gepäck nach Hause gefahren, nicht zuletzt durch die von mir breit gewählten, vertiefenden 1,5-stündigen Masterclasses, und ich freue mich auf das nächste Jahr.