Welche Neuerungen gab es im Programmformat der OMR 2025?
An der Mischung aus Paneldiskussionen, Vorträgen und Masterclasses hat sich auch in diesem Jahr auf der OMR wenig geändert. Neu war allerdings, dass die Talks von OMR 5050 zu Diversity, Gleichberechtigung und Leadership sowie die Keynotes und Panels von Finance Forward, dem digitalen Finanzportal von Manager Magazin und OMR, anders als in den Vorjahren nicht auf separaten Bühnen stattfanden, sondern sich über das gesamte Programm auf den großen Bühnen verteilten.
Was sagte Valentin Stalf über die Zukunftspläne und Herausforderungen von N26?
So berichtete Valentin Stalf als Mitgründer und CEO der Berliner Digitalbank N26 beispielsweise auf der Red Stage über die Zukunftspläne des FinTech-Unternehmens. Trotz einiger Rückschläge und regulatorischer Beschränkungen durch die BaFin, die das Wachstum limitierten, zeigte sich Stalf optimistisch. Er bekräftigte das Ziel, N26 zur größten Neobank Europas zu entwickeln, und betonte, dass das Unternehmen finanziell gut aufgestellt sei und bald die Profitabilität erreichen wolle. Stalf äußerte sich auch zu internen Themen wie der Umwandlung in eine europäische Gesellschaft und der Einrichtung eines europäischen Betriebsrats sowie zum Managementwechsel, den er als normale Entwicklung darstellte.
Welche Einblicke gab Thomas Kehl von Finanzfluss in Bezug auf Finanzbildung und KI?
Thomas Kehl, Gründer von Finanzfluss, sprach seinerseits im Paneltalk mit Caspar Tobias Schlenk auf der Yellow Stage der OMR über langfristige Produktentwicklung, den FinTech-Markt und die Verantwortung von Finanzfluss, die Community u. a. über die Regulierung als zentrales Gewichtungskriterium für Finanzprodukte aufzuklären, wenn es um den Hype um Aktien und ETFs geht.
Zudem appellierte er an die Zuhörenden der OMR, Inhalte im Netz immer kritisch zu prüfen – auch bei Finanzfluss passierten beispielsweise Fehler. Kehl warnte z. B. vor Fake-Accounts und Scammer-Ads, die Inhalte kopieren und auf Meta kursieren, sowie vor Überregulierung, die kleine Finfluencer:innen aus dem Markt dränge und diesen schmälere. Er erläuterte, nach welchen Communitykriterien das Finanzfluss-Team Finanzprodukte bewertet, einordnet und so zur Verbraucheraufklärung beiträgt.
Den Einsatz von KI sieht Kehl grundsätzlich positiv. Sie werde die Finanzbildung komplementär verändern und einen noch besseren Überblick über Finanzen ermöglichen. Für die Weiterentwicklung der Finanzfluss-Plattform sei beispielsweise auch ein eigenes Finanzfluss-KI-Modell mit Hosting in Deutschland denkbar.
Welche Trends prägen das Internet 2025 und welche Herausforderungen birgt KI für Websites?
Ein für mich unverzichtbarer Vortrag auf jeder OMR ist die zentrale Keynote von Philipp Westermeyer und Roland Eisenbrand – in diesem Jahr zum „State of the German Internet: 2025“. Die Einschätzungen der beiden OMR-Gurus zur deutschen Wirtschaft und zum Marketing gaben einen guten Überblick über die diesjährigen zentralen OMR-Themen. Wie einige andere Panelteilnehmende betonte Eisenbrand die Rolle und das Wiederaufleben des In-Real-Life(IRL)-Marketings als Antwort auf die zunehmenden Schwierigkeiten, im digitalen Raum Aufmerksamkeit zu erregen und sich von KI-Inhalten abzuheben.
Als positive Beispiele und Vorbilder für physische Interaktionen, Events und Erlebnisse zur Stärkung der Markensichtbarkeit nannte er die Präsenz von Sportclubs auf Strava, wie es lululemon mit dem Run Club dort erfolgreich zelebriert. Auch Buchclubs, Schachclubs und je nach Markenimage sogar Cannabisclubs böten enorme Chancen, Konsument:innen zu erreichen, die sich als Gegentrend zum Social-Media-Konsum nach „echten Erlebnissen“ sehnten und vermeintlich KI-generierten Nachrichten vermehrt misstrauten.
Die Zielgruppen direkt zu erreichen und authentische Beziehungen aufzubauen, ermöglichen zudem sogenannte Product Stagings, wie sie Vorwerk mit dem „Thermomix TM7 – Thermomix like never before“ oder Jellycat mit seinen Pop-up-Stores in Großstädten wie New York City durchgeführt hat.
Eine große Herausforderung für Websites ist laut Eisenbrand die zunehmende Unsichtbarkeit in der KI-Welt. Crawler ignorierten vermehrt die Inhalte von Vermarktern und Publishern in der von KI-Content dominierten Welt. Google werde bald nicht mehr das Maß aller Dinge sein bzw. denke selbst das eigene Geschäftsmodell der Klicks als Einnahmequelle – gezwungen durch die Konkurrenz von OpenAI – hinsichtlich KI-generierter Antworten um. Nachdenklich stimmte mich seine Aussage, dass der KI-Roboter das Internet „zum Kotzen“ bringe. Hier musste ich an die „Dead Internet Theory“[1] denken, die besagt, dass fast alle Kommentare in den sozialen Medien bereits von (Social) Bots dominiert werden.
Gehen wir also auch dem Tod der Websites entgegen? Für die Publisher bedeute die zunehmende Unsichtbarkeit in der KI-Welt letztlich, dass die sorgfältig erstellten Inhalte von den KI-Crawlern der Suchmaschinen und anderen KI-Systemen seltener oder gar nicht mehr als relevant eingestuft und entsprechend gerankt würden. Die Folge sei ein Verlust an Reichweite und Traffic, der wiederum Geschäftsmodelle bedrohe.
Ein wenig hoffnungsvoll stimmten mich dagegen Eisenbrands Tipps, sich auf die Grundlagen der SEO zu besinnen, um von OpenAI-Bots wahrgenommen zu werden. So orientierten sich KI-Crawler derzeit noch an den Suchergebnissen von Bing, und man tue gut daran, hier ein Top-Listing zu erzielen und auf den Produktempfehlungsseiten der Top-10-Referenz-Player für KI-Ergebnisse (wie F.A.Z. Kaufkompass, YouTube, Amazon und Reddit) genannt zu werden. KI-Optimierungstools könnten ebenfalls hilfreich sein, und bei der Gestaltung von Websites solle berücksichtigt werden, dass KI-Crawler nicht in der Lage seien, JavaScript zu lesen.
Welche Herausforderungen und Gefahren der KI-Entwicklung wurden von Philipp Klöckner beleuchtet?
Ebenso nachdenklich stimmte mich der Vortrag des Techanalysten Philipp Klöckner unter dem Titel „Wo stehen wir wirklich mit Künstlicher Intelligenz?“. Klöckner wies auf den intensiven Wettbewerb im Bereich KI hin und darauf, dass die Branche trotz vermeintlicher Grenzen bei Rechenkapazitäten, Chips und Daten weiterhin stark skaliere (die Investitionen der großen Technologiekonzerne in Chips und eigene Rechenzentren lägen mittlerweile im dreistelligen Milliardenbereich und überstiegen die Ausgaben der US-Bundesregierung für Forschung und Entwicklung).
Entgegen den Befürchtungen, dass KI „gegen die Wand fährt“ oder die Blase platzen könnte, seien die Modelle effizienter und leistungsfähiger geworden. KI-Modelle hätten im letzten Jahr enorme Fortschritte in ihrer Leistungsfähigkeit gemacht. Ein speziell entwickelter Test mit 2.500 für Menschen unlösbaren Problemen habe gezeigt, dass das beste OpenAI-Modell inzwischen 30 Prozent davon lösen könne – besser als jeder Mensch. Die Kernaussage sei, dass KI alles, was aus Daten im Internet gelernt und gemessen werden kann, besser kann als der Mensch.
Die Verbreitung von KI-Technologie, d. h. die breite Zugänglichkeit für die Nutzenden, ist eine der größten Herausforderungen für den Technologen. Oft nutzten viele Menschen KI, ohne sich dessen bewusst zu sein. Unternehmen wie OpenAI versuchten, dieser Herausforderung mit verschiedenen Strategien zu begegnen, darunter die mögliche Entwicklung eines sozialen Netzwerks, um mehr Nutzende in ihr Ökosystem zu locken, und die Erhöhung des Interesses am Kauf von Webbrowsern wie Google Chrome, um den Zugang zu ihren KI-Funktionen zu erleichtern.
Vor allem für Apple sieht Klöckner großes Potenzial. Obwohl Apple nicht führend in der Entwicklung von KI-Modellen sei, biete die Kontrolle über die Vertriebskanäle für das Massenpublikum (iPhone, iPad, AirPods) eine enorme Chance für das Unternehmen, zum Gewinner der KI-Revolution zu werden. Er betonte, dass KI-Modelle immer leistungsfähiger würden, aber viele Verbraucher:innen KI als separates Produkt mieden, was Apple durch die Integration von KI in seine bestehenden Geräte nutzen könne, um diese Technologie einem breiten Publikum zugänglich zu machen.
Klöckner ging auch auf die Gefahren der KI-Entwicklung ein, die über die oft beschriebene „KI-Apokalypse“ durch Killerroboter hinausgehen. Kurzfristige Risiken seien die Nutzung von KI zur Entwicklung von Biowaffen und die Überzeugungskraft von Modellen, die Menschen manipulieren könnten. Tragische Fälle wie der eines Chatbots, der einen Minderjährigen zum Selbstmord überredete, verdeutlichten die Gefahren. Die Regulierung der Eins-zu-eins-Kommunikation durch Chatbots stelle eine große Herausforderung dar. Langfristig könnten Risiken wie ständige Überwachung und ein Rückgang des kritischen Denkens zu gesellschaftlichen Umwälzungen führen. Bisher werde im Vergleich zur Forschung zu wenig in die Sicherheit von KI investiert.
Welche Einschätzungen teilte Scott Galloway auf der OMR zu Tech- und Gesellschaftstrends?
Ein bekanntes Gesicht auf der diesjährigen OMR war der NYU-Professor Scott Galloway. Im Gespräch mit Florian Heinemann, Chef des Berliner Risikokapitalgebers Project A, äußerte er sich zur aktuellen Dominanz von OpenAI und NVIDIA (er nannte sie als Duo „OpenVIDIA“) und warnte vor einer Überbewertung der Techunternehmen. So kranke das Geschäftsmodell von OpenAI noch immer, die Abonnements reichten nicht aus, um die Betriebskosten zu decken.
Offen kritisierte er die US-Politik von Donald Trump und die Feigheit der Köpfe hinter den Techgiganten – Sundar Pichai (Google), Mark Zuckerberg (Meta), Satya Nadella (Microsoft), Jeff Bezos (Amazon) –, die sich nicht gegen Trumps Politik stellten. In der Entwicklung, dass sich Investoren aus den USA zurückziehen, sieht er wiederum Investitionschancen für Europa.
Die derzeit wichtigsten Plattformen sind für Galloway YouTube und Meta. Die Reichweite von YouTube (zunehmend auch für Podcasts) übertreffe die von Netflix und anderen Streamingdiensten bei Weitem, und Meta sei datenmächtiger und erfolgreicher als jedes andere Unternehmen der Welt: „erfolgreicher als die Kardashians“. Jede:r nutzt die Dienste!
Der US-Forscher warnte vor jungen „asexuellen, asozialen Männern“, die sich zunehmend in Einsamkeit von der Außenwelt abschotten. Sie drohten durch wirtschaftliche und technologische Entwicklungen sozial abzurutschen – mit politischen Folgen.
Wie schnell kann Brand-Building mit KI 2025 laut Jens Polomski funktionieren?
Eines meiner OMR-Highlights war der Talk von Jens Polomski von snipKI. Er zeigte traditionell und noch eindrucksvoller als 2023 am Beispiel einer potenziellen Kaffeemarke, wie diese mit KI-Anwendungen in nur zwei Tagen aufgebaut werden kann – von der Namensfindung und Logoauswahl über Domaincheck, Corporate Identity und Website bis zu einer Videowerbekampagne und Add-ons (z. B. einem Spiel zur Marke).
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Welche Prognosen für den E-Commerce-Sektor machte die Zukunftsforscherin Amy Webb?
Die amerikanische Zukunftsforscherin Amy Webb blickte weiter in die Zukunft und konzentrierte sich dabei auf den E-Commerce-Sektor. Sie betonte die Rolle von Muli-Agent Systems (MAS) und MAS-Influencer:innen in Bezug auf mögliche Individualisierungen, d. h. weit in die Tiefe individualisierbare Produkte, die von individuellen (AI-)Influencer:innen vermarktet werden (z. B. die „Sonnencreme für Hamburg von Mister A“).
Als weiteres prägnantes Beispiel nannte sie das „Little Black Dress Scenario“. In diesem werde es in Zukunft möglich sein, über ein MAS maßgeschneiderte Produkte – z. B. auf die individuellen Maße des:der jeweiligen Konsument:in abgestimmt – direkt von AI to Consumer zu bestellen, ohne Zwischenschritt über Google und ohne Kontakt zum Händler, sozusagen „direkt“ vom Computerprogramm. Ihr Appell an das Publikum: Beeilt euch, entwickelt Systeme, mit denen ihr eure Produkte den KI-Agenten schmackhaft machen könnt. Das erinnert mich an eine alte Folge von „Black Mirror“. Willkommen in der Realität …
Wie war das OMR-Festival 2025 insgesamt?
Abschließend lässt sich wie in den vergangenen Jahren sagen, dass das OMR-Festival aufgrund seiner Größe und der Vielfalt an Celebritys (dieses Jahr u. a. Basketballstar Dirk Nowitzki sowie US-Schauspieler und Investor Ryan Reynolds) sowie an Expert:innen aus den Bereichen Lifestyle, Digital, Marketing, Finance und Tech einzigartig, aber auch sehr kommerziell bleibt.
Mir fiel es diesmal gar nicht so leicht, mich zwischen all den parallel laufenden Vorträgen für meine Favoriten zu entscheiden, was für eine (aus meiner Sicht) gute Programmgestaltung spricht. Umso schöner ist es, dass ein Großteil der Vorträge auch im Nachhinein auf YouTube zu sehen ist. Große neue Erkenntnisse können diese 20- bis 30-minütigen Talks sicher nicht liefern, dafür aber spannende Impulse und interessante Denkanstöße.
Die 1,5-stündigen Masterclasses gehen hingegen stärker in die Tiefe und geben den Referent:innen die Möglichkeit, in kleineren Runden etwas mehr aus dem Nähkästchen zu plaudern. Die Masterclasses, an denen ich teilnehmen konnte, haben mir wieder einiges an Wissensinput gebracht, auf dem ich gut aufbauen kann und der mich gut gelaunt und mit vielen Eindrücken nach Hause fahren ließ.