Cash als Schwerpunktthema der re:publica
Über Geld spricht man nicht, oder? Das an ein Preisschild erinnernde Kürzel „rp23,-“ der diesjährigen re:publica zeigt, dass es doch so ist. „Denn ‚Cash‘ spielt überall eine Rolle – vor allem bei den aktuellen Klima-, Kriegs- und Energiekrisen“, sagt auch Markus Beckedahl, Mitbegründer der re:publica. Mit dem Schwerpunktthema „Cash“ haben sich die vier Gründungsmitglieder Tanja Haeusler, Johnny Haeusler, Andreas Gebhard und Markus Beckedahl daher die Mechanismen des Gelds als Leitmotiv der re:publica 23 gesetzt.
Ein großes und emotional aufgeladenes Thema, wie auch Johnny Haeusler in der Eröffnungsrede betonte, „es geht nämlich immer auch um Arm und Reich, um Haben und Nichthaben, um Ungerechtigkeit.“ Wie können wir also eine gerechtere Welt anstreben? Wie steht es um unsere Finanzsysteme? Welche Rolle spielen Scams und Verschwörungstheorien in diesem Zusammenhang? Wie werden wir in Zukunft bezahlen? Das waren die übergreifenden Fragen, die sich wie ein roter Faden durch das auf über 26 Bühnen stattfindende Programm der re:publica ziehen sollten.
Die Emotionalität des Themas spiegelt sich in den Diskursen der Speaker:innen auf der re:publica wider. So führt Gerhard Schick, Mitbegründer und Vorstand der Bürgerbewegung Finanzwende, über den Friedhof verstorbener Finanzmarktgesetze und fordert ein Ende des Finanzlobbyismus. Weiter blicken die Journalistin Tania Röttger, Abgeordnetenwatch, sowie der Netzaktivist Arne Semsrott, FragDenStaat, in ihrem Vortrag „Gegen den Strom des Geldes“ auf die Entwicklungen zur Informationsfreiheit im letzten Jahr und zeigen auf, wie sie bei Lobbyrecherchen vorgehen und wie auch Privatpersonen sowohl ihren Rechtsanspruch durch das Informationsfreiheitsgesetz geltend machen als auch Informationsfreiheitsanfragen stellen können.
Die Millionenerbin Marlene Engelhorn, Gründerin des Vereins taxmenow, sprach ferner über den Zusammenhang zwischen Geld und Machtstrukturen und forderte eine höhere Besteuerung von Millionenvermögen. Direkt auf Engelhorn folgend, lehnte Bundesfinanzminister Christian Lindner aus der FDP dies im Gespräch zur „Finanzierung unserer Zukunft“ mit der Politikwissenschaftlerin Geraldine de Bastion sowie re:publica-Mitbegründer und -Geschäftsführer Andreas Gebhard strikt ab: „Da sind wir überhaupt nicht einer Meinung“, sagte er. „Das ist Demokratie.“ Und: „Ihr sollt wissen, woran ihr bei mir seid.“ Stattdessen forderte er eine Mindestbesteuerung großer BigTechs wie Apple und mehr Mittel für Cybersicherheit.
Eva Wimmer, Leiterin der Abteilung Finanzmarktpolitik im Bundesministerium der Finanzen, und Marie Theres Niedermaier, Referentin in selbiger Abteilung, betonten die Innovationskraft des deutschen und europäischen Finanzsektors und gaben einen kurzen Einblick in die Themen des Ministeriums wie etwa Kryptoregulierung und die deutsche Finanzierungsinfrastruktur mit Blick auf Start-ups („Shaping the Future of Finance: Der digitale Finanzmarkt“).
Heiß diskutiert wurden auf der re:publica auch der Weg zur bargeldlosen Gesellschaft und der digitale Euro. Doch Cash bleibt nach Ramona Pop, Vorständin des Verbraucherzentrale Bundesverbands, weiter wichtig und sollte vorerst bleiben. Auch Brett Scott, Autor und ehemaliger Broker, sprach sich in seiner Session „The Luddite’s Guide to Defending Cash“ gegen eine völlig bargeldlose Gesellschaft aus und wies auf die Rolle von Bargeld als wichtiges Gegengewicht zu digitalen Transaktionen und Stabilitätsfaktor für den Finanzmarkt hin.
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Wie gehts der Digitalstrategie?
Als übergreifendes Thema durfte künstliche Intelligenz auf der re:publica natürlich auch nicht fehlen. Zentrale Fragen der Programmpunkte hierzu: Welche Regeln und Infrastrukturen brauchen wir für KI-Systeme, wer pflegt die Daten und wer haftet? Wie schaffen wir Transparenz und Nachvollziehbarkeit?
Einen ersten Überblick gab wie immer die Bestandsaufnahme der deutschen Digitalpolitik und -strategie von Markus Beckedahl, Co-Gründer der re:publica und von netzpolitik.org. Beckedahl kritisierte insbesondere die „unverhältnismäßige“ Vorratsdatenspeicherung und die Pläne zur Durchsuchung privater Chats mit KI.
Auch Meredith Whittaker, Präsidentin der Signal Foundation, sprach sich in ihrem Vortrag „AI, Privacy, and the Surveillance Business Model“ gänzlich gegen die Überwachung von Chats und die Aufweichung von Verschlüsselung aus und betonte, dass KI dem Menschen weder überlegen noch bösartig sei, sondern in den Händen der großen Techkonzerne eine Gefahr für die Massenüberwachung darstelle.
Die Digitalstrategie der Bundesregierung war ebenso Gegenstand des Gesprächs zwischen Markus Beckedahl und Volker Wissing, Bundesminister für Digitales und Verkehr. Zentrale Punkte: Der Glasfaserausbau, die Einbindung des Digitalbeirats, das versprochene und noch nicht festgelegte Digitalisierungsbudget und schließlich der AI Act. Beim Thema Chatkontrolle waren sich Wissing und Beckedahl zumindest einig. So bedürfe es auch nach Ansicht Wissings freier Kommunikation in Chats, und es müsse geschützte Räume sowie Verschlüsselung geben; er werde alle Argumente auffahren.
Wie steht es um das 1,5-Grad-Ziel der Bundesregierung?
Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, gibt im Talk mit Johnny Haeusler, Co-Gründer der re:publica und der TINCON gGmbH, klar zu: „Kein Bullshit: Wir sind nicht auf Kurs“, man entferne sich von einer gesellschaftlichen Mehrheit für den Wandel, man sei schon einmal weiter gewesen. Er ergänzt im Gespräch, dass an der Wärmewende kein Weg vorbeiführe. Es gebe keine Alternative zur Wärmewende, wenn Deutschland bis 2045 klimaneutral werden wolle. Habeck ist sich bewusst, dass dies viele Menschen verunsichert. Er räumt auch ein, dass die Grünen derzeit eine schwierige Phase durchmachen. Dennoch müssen jetzt Mehrheiten für den Klimaschutz gewonnen werden. „Wir können uns zurückkämpfen, und vielleicht fangt ihr heute damit an“, appelliert er an das Publikum der re:publica.
Lohnt sich der Besuch der Digitalkonferenz?
Nicht umsonst bezeichnet sich die re:publica selbst als Festival der digitalen Gesellschaft und größte Konferenz ihrer Art in Europa. Auch die re:publica 2023 überzeugte wieder mit einem bunten Mix an Themen rund um Politik & Gesellschaft, Arbeitswelten, Medien, Lernen & Wissen, Stadt & Land, Wirtschaft & Verantwortung, Kunst & Kultur sowie Technologie & Wissenschaft.
Über 1.000 Speaker:innen, davon ein buntes Sammelsurium aus Wissenschaftler:innen, Aktivist:innen, Blogger:innen, Unternehmer:innen und Politiker:innen, verteilt auf über 26 Bühnensituationen, fast 600 Sessions mit Keynotes, Paneldiskussionen, Workshops und Meet-ups machten die persönliche Auswahl der Programminhalte nicht leicht. Umso erfreulicher ist es, dass eine Vielzahl der Talks nach und nach auch auf dem re:publica-YouTube-Kanal hochgeladen werden. Wer also nicht dabei sein konnte, sei gerne auch darauf verwiesen.
Positiv hervorzuheben ist außerdem, dass es anders als im letzten Jahr keine externe Moderation der Podiumsdiskussionen mit den Politiker:innen mehr gab, sondern diese von den Veranstaltenden selbst moderiert wurden, sodass sich die Gäste zum Teil auch kritischen Fragen stellen mussten.