Wie unterscheidet sich die Mediennutzung zwischen den Generationen?
Wie unterschiedlich denken Generation X, Y und Z? Und wie können wir sie zusammenbringen, um der zunehmend ungemütlichen wirtschaftlichen Lage entgegenzuwirken, in der die Demokratie an Fuß verliert und Autokrat:innen mit durch die Algorithmen gestärkten, populistischen und faschistischen Parolen punkten können?
Die Keynote von Sabine Trepte, Expertin für Identität und Wissenserwerb in sozialen Medien, betonte, dass die Aufmerksamkeit ab einem Alter von etwa 21 Jahren zwar abnehme, ältere Generationen jedoch neue Informationen dank ihrer Erfahrungen besser strukturieren könnten – ein Effekt, der die verringerte Aufmerksamkeit ausgleiche.
Anhand von Beispielen verdeutlichte Trepte die Differenzierung zwischen Alters- und Generationsunterschieden. So sei etwa die hohe Nutzung von Printmedien durch Boomer:innen oder von Instagram durch Millennials ein generationenspezifischer Effekt. Diese Nutzungsmuster verschöben sich mit den Generationen. Beim Gaming hingegen spiele das Alter eine größere Rolle: Jüngere hätten mehr Zeit, da für Erfolg im Gaming täglich rund acht Stunden nötig seien – eine Bereitschaft, die im Alter sinke. TikTok verzeichne hingegen Zuwächse in allen Altersgruppen, was auf eine weitere Verbreitung der Mediennutzung in den kommenden zehn Jahren hindeute.
Interessant war auch Treptes Analyse der problematischen Beziehung zwischen Materialismus und sozialen Medien. Influencer:innen und Marken nutzten die Plattformen gezielt zur Produktbewerbung, und Studien zeigten klar den Zusammenhang zwischen intensiver Nutzung und Kaufverhalten. Neben gesetzlichen Maßnahmen zur Stärkung der Medienkompetenz (z. B. Anzeigepflicht) müsse dieser Entwicklung entgegengewirkt werden, um Kinder, Jugendliche und Erwachsene vor unrealistischen Idealen, impulsiven Käufen und dem Versuch zu schützen, innere Unzufriedenheit materiell zu kompensieren. Stattdessen sollten insbesondere bei jungen Generationen immaterielle Ressourcen gestärkt werden – etwa durch die Förderung positiver Charaktereigenschaften.
Wie gehen wir mit der Radikalisierung junger Menschen um?
Ein zentrales Thema der re:publica war der Umgang mit dem Rechtsruck und der Radikalisierung junger Menschen. Als Autorin stellte Sally Lisa Starken ihr neues Buch „Zu Besuch am rechten Rand: Warum Menschen AfD wählen” vor, für das sie mit AfD-Wähler:innen aus ganz Deutschland gesprochen hat.
Miro Dittrich, Senior Researcher bei CeMAS und Rechtsextremismusforscher, berichtete eindringlich von der 2024 erschienenen CeMAS-Analyse: Rechtsextreme Angriffe in Deutschland nähmen zu, und vermehrt gerieten Minderjährige durch rechtsterroristische Bestrebungen in den Fokus – eine alarmierende Entwicklung. Das Bundeskriminalamt (BKA) warne besonders vor der wachsenden Radikalisierung junger Menschen. Entgegen gängigen Annahmen seien nicht Ältere das Hauptproblem, sondern vor allem Jugendliche und junge Erwachsene. Diese präsentierten sich öffentlich in sozialen Medien, oft in gewaltbereiten Netzwerken. Die Ideologie des akzelerationistischen Milieus, das eine rasche Eskalation von Gewalt befürworte, zeige sich etwa im Anschlag auf die Synagoge in Halle.
Auffällig sei die Rolle digitaler Plattformen: Minderjährige verbrächten viel Zeit in Gaming-Umgebungen wie Roblox, wo erste Radikalisierungsschritte begännen, bevor sie in Telegram-Chatgruppen fortgesetzt würden. Die Pandemie habe diesen Trend durch soziale Isolation und fehlende Angebote verstärkt. Rechte Gruppen böten Jugendlichen Sinn und Zugehörigkeit – besonders in Zeiten gesellschaftlicher Krisen und einer verunsichernden Männlichkeitsrolle. Trotz verstärkten Ermittlungsdrucks durch die Sicherheitsbehörden wachse die Szene weiter. Ein zentrales Signal, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken: Junge Menschen bräuchten Perspektiven jenseits extremistischer Ideologien.
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Welche Herausforderungen gibt es bei Datenschutz und Regulierung?
Sicher wieder einen Besuch wert war die Keynote von Markus Beckedahl, Mitbegründer der re:publica. Nach einem kurzen Rückblick auf die „Missverständnisse und Experimente der Digitalverantwortlichen“ früherer Jahre widmete er sich aktuellen Themen. Ein zentrales Anliegen war ihm die Kritik an der zunehmenden Überwachung der Bürger:innen. So griff Beckedahl das erneut geplante Überwachungsvorhaben von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) auf. Die geplante Vorratsdatenspeicherung werde seiner Ansicht nach aber wieder vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern, da sie nicht verfassungsgemäß sei.
Beckedahl verwies auch auf die Überwachungsgesamtrechnung der Bundesregierung, die mit den neuesten Plänen des Bundesinnenministers die Frage aufwerfe, ab wann neue Gesetze den Kipppunkt in Richtung eines Überwachungsstaats überwinden werden. Letztlich laufe in Hessen bereits KI-gestützte Videoüberwachung – trotz AI Act, der Echtzeitaufnahmen verbiete, aber durch minimale Verzögerung umgangen werden könne. Es gelte also Vorsicht, denn Datenschutz sei doch letztlich der Brandschutz für unsere Demokratie. Auch die geplante Chatkontrolle mit Zugängen für Strafverfolgungsbehörden sieht Beckedahl kritisch – sie schaffe mehr Risiken als Nutzen. Wer Hintertüren nutze, öffne sie letztlich für alle. Ebenso ein Risikofaktor seien die neuen Brillen von Meta und Co., die wieder auf Gesichtserkennung setzten. Aus Datenschutzsicht sei das ein gruseliges Vorhaben.
Ein zentrales Thema seiner Rede – und der re:publica insgesamt – war der Schutz der Demokratie und der Kampf gegen Propaganda und Desinformation. Jede Reaktion auf Provokationen stärke rechtsradikale, faschistische Positionen, weil Algorithmen dies förderten.
Zudem warnte Beckedahl vor Europas digitaler Abhängigkeit von den USA, die sich zunehmend autokratisch entwickelten. Initiativen wie „EuroStack“ oder der „Deutschland-Stack“ machten Hoffnung, denn aktuell liefen 99 % der deutschen Verwaltung über US-Software wie Microsoft. Wenn Trump „Stopp“ sage, ständen wir still. Auch US-Tochterfirmen müssten US-Vorgaben folgen. Positiv hob Beckedahl den „Public Spaces Incubator“ des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hervor – eine Initiative zur Entwicklung innovativer Tools für freie und faire Kommunikation im Netz. Noch steht sie am Anfang.
Markus Beckedahl appellierte dafür, die Macht der Autokrat:innen zu durchbrechen. Als Medienakteur:innen hätten wir zum Beispiel die Chance, jeweils eine freie Plattform zu bespielen und auch gemeinwohlorientiert zu teilen, anstatt dies nur den großen US-Playern zu überlassen. Der neue Krieg finde nicht mit Panzern, sondern mit Software statt. Als Gesellschaft müssten wir medialen Druck aufbauen, damit die Politik reagiere – denn Digitalpolitik sei Gesellschaftspolitik. Fakten allein genügten nicht, wie schon die Klimabewegung zeige.
Es brauche emotional aufgeladene, wiederholte Geschichten, um Aufmerksamkeit zu schaffen. Wir müssten auch Menschen mit niedrigeren Bildungsabschlüssen sensibilisieren und netzpolitisch gezielter mit Influencer:innen zusammenarbeiten, um Dialoge zu schaffen. Deshalb habe Beckedahl nun das „Zentrum für Digitalrechte und Demokratie“ gegründet.
Zum Thema Regulierung wiederum diskutierte Markus Beckedahl später im Rahmen der re:publica in einem hochkarätig besetzten Panel. Mit Andreas Mundt (Präsident des Bundeskartellamts), Klaus Müller (Präsident der Bundesnetzagentur) und Louisa Specht-Riemenschneider (Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit) sprach er darüber, wie die Big-Tech-Regulierung in der Praxis funktioniert. Konsens: Es herrsche ein Ungleichgewicht – unterbesetzte Behörden ständen Konzernen mit bestens ausgestatteten Rechtsabteilungen gegenüber. Dieses Ungleichgewicht aufzulösen, sieht Louisa Specht-Riemenschneider als Grundvoraussetzung, um Recht umsetzen zu können. Ein wichtiger Hebel sei „Strategic Foresight“ – also das frühzeitige Erkennen und Bearbeiten von Trends. So könne Politik proaktiver und vorausschauender statt nur reaktiv agieren.
Welche politischen Themen wurden diskutiert?
Die Politikpräsenz auf der re:publica war wie in den Vorjahren hoch. Zu Gast war unter anderem Bundeskanzler Friedrich Merz. Beim WDR Europaforum sprach er über die EU-Sicherheitspolitik, den Umgang mit dem Klimawandel und Perspektiven für die junge Generation, einschließlich möglicher gesellschaftlicher Beiträge wie eines Dienstjahres oder der Wehrpflicht.
Merz betonte die Notwendigkeit, Deutschlands Militär zu stärken. Die Jugend müsse einen Beitrag leisten, um die Chancen des Landes zu sichern. Den Klimawandel solle man eher durch Anreize als durch Vorschriften bekämpfen. In seiner Antwort auf die Frage nach Telefongesprächen mit Donald Trump nannte Merz diese „Small Talk“. Man müsse sich auf Trump einstellen, aber Europa müsse selbstbewusst auftreten und sich „nicht kleiner machen, als wir sind“. Europa sei kein „Bittsteller“.
Außenminister Johann Wadephul sprach wiederum im Europaforum über seine militärische Vergangenheit, den russischen Informationskrieg, den Ukrainekrieg sowie die Lage in Gaza und Deutschlands Haltung zu Waffenlieferungen. Zudem blickte Ex-Grünen-Chefin Ricarda Lang im Gespräch mit re:publica-Mitgründer Johnny Haeusler auf ihre Parteiführung zurück und sprach über die Zukunft der Demokratie sowie über authentische politische Kommunikation. Die nächsten Jahre, vor allem 2029, seien dafür entscheidend.
Auch der neue Digitalminister Karsten Wildberger war vor Ort. Er will das Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung wie ein Start-up aufbauen – ein Signal für überfällige Modernisierung. Das macht Hoffnung auf längst erforderliche Veränderungen im Bereich Digitalisierung.
Ziel ist ein „digitaler Staat“: Bürger:innen sollen künftig über eine digitale Identität auf staatliche Dienste zugreifen können. Auch ein unabhängiges digitales Bezahlsystem soll etabliert werden, um weniger von ausländischen Anbietern abhängig zu sein. Voraussetzung für solche Vorhaben sei eine flächendeckend leistungsfähige und sichere Infrastruktur – etwa durch Glasfaser, 5G und Cloud-Lösungen. Dabei betonte Wildberger die Bedeutung digitaler Souveränität für Deutschland und die EU. Ein Ministerium allein könne die Digitalisierung nicht stemmen – Wildberger sieht seine Rolle daher vor allem als Rahmengeber, um Deutschland zum attraktiven Standort für digitale Geschäftsmodelle zu machen.
Was ist digitaler Kolonialismus?
In vielen Paneltalks und Vorträgen ging es um die Macht von Techriesen wie Google, Meta und Co. Ein spannender Impuls dazu kam von Esther Mwema, Künstlerin und Expertin für digitale Ungleichheiten.
In ihrem Vortrag „The Cosmology of Internet Infrastructure“ stellte sie ihr Projekt „Afro-Grids“ vor, das mithilfe von Kunst Parallelen zwischen historischem und digitalem Kolonialismus sichtbar mache.
Anhand von Beispielen wie Google, Meta, Amazon, Oracle und Starlink zeigte sie, wie unter dem Vorwand des Infrastrukturausbaus in Afrika teils Rohstoffabbau und Ressourcenausbeutung betrieben würden. Sie hob hervor, wie bedeutend es sei, afrikanische Stimmen in technologische und ressourcenpolitische Diskurse einzubeziehen.
Wie wichtig ist finanzielle Bildung?
Am letzten Tag der re:publica lud die Deutsche Bundesbank ins Metaverse ein. Mit VR-Brillen konnten Teilnehmende einen virtuellen Ausstellungsraum erkunden – mit interaktiven Infos zu Goldreserven, Bargeld und dem digitalen Euro. Lutz Lienenkämper, Vorstandsmitglied der Bundesbank, betonte am zweiten re:publica-Tag im Panel mit Katrin Löhr (Plattform „Neue Finanzwelt“ und DeGeFin eG), dass finanzielle Bildung die Grundlage für finanzielle Freiheit sei. Je besser Menschen informiert seien, desto fundierter träfen sie Entscheidungen – das stärke das Vertrauen in die Bundesbank und die Stabilität des Finanzsystems. Besonders Lehrkräfte müssten Finanzkompetenzen vermitteln. Die Bundesbank unterstütze sie mit Lernmaterialien – ein guter Einstieg in das Thema Finanzen für junge Menschen sei auch das Geldmuseum in Frankfurt.
Wie geht man mit zunehmender Propaganda und Desinformation um?
Fabian Grischkat, Moderator und „Newsfluencer“ aus Berlin, gab Einblicke in die Funktionsweise gezielter Desinformation – in einer Welt, in der 60 % der 18- bis 24-Jährigen kurze Nachrichtenvideos konsumieren und 64 % der Gen Z TikTok als Suchmaschine nutzen.
Er plädierte dafür, statt des durch Trump stigmatisierten Begriffs „Fake News“ lieber „Desinformation“ zu verwenden, da falsche Informationen gezielt und nicht aus Versehen gestreut würden – zum Vorteil von Unternehmen und Staaten. Auch aus Deutschland flössen Gelder in prorussische Sender: Discounter wärben etwa in serbischen Fernsehsendern – eine gefährliche Mischung. Die Verbreitung von Desinformation und Propaganda erfolge oft über Bots, die menschliches Verhalten imitierten. 67,5 % dieser Bots seien laut Statistik böswillig und dienten gezielt der Manipulation. Gleichzeitig verschwämme die Grenze zwischen KI-generierten Inhalten und Realität zunehmend.
Ein sehr spannender und bewegender Paneltalk war in dieser Hinsicht auch der Einblick in die Arbeit der Exiljournalist:innen Masha Borzunova, früher beim Oppositionssender Dozhd und jetzt Moderatorin von ARTEs „Masha on Russia“, Vladlena Savenkova, Produzentin von ARTE TRACKS East, und Nikita Adishchev, Dokumentarfilmer aus Sankt Petersburg.
Masha berichtete, dass sich Menschen in Moskau an ständige Überwachung gewöhnt hätten. In Westrussland unterdrückten viele ihre Meinung, während laut Vladlena die Zurückgebliebenen oft mehr Widerstand zeigten als Geflüchtete. Alle drei schilderten, wie schwer es geworden sei, in Russland Wahrheit zu finden. Der Staat streue gezielt verschiedene Versionen desselben Ereignisses, um Rezipient:innen zu verwirren und die Suche nach Wahrheit als sinnlos erscheinen zu lassen.
Die Journalist:innen zeigten Ausschnitte aus dem russischen Staatsfernsehen, das echte Sequenzen, auch aus ihren Reportagen, mit Desinformation verknüpfe. Propaganda sei allgegenwärtig – bereits im Schulprogramm seien sie mit Kriegsstorys konfrontiert worden, heute dienten diese der Rekrutierung junger Menschen.
Masha sprach über ihre Einstufung als „ausländische Agentin“ und die Stigmatisierung von Journalist:innen als Landesverräter:innen. Während des Talks wurden auch Snippets der Reportage „Tracks East“ gezeigt, etwa die bewegende anonyme Erzählung einer 17-Jährigen über Einsamkeit und das Bedürfnis, gehört zu werden.
Was lässt sich abschließend noch sagen?
Wir hoffen, Ihnen mit unseren Eindrücken von den gesellschaftlichen Diskursen und netzpolitischen Fragen der re:publica 2025 einen guten Einblick in die Vielfalt der diskutierten Themen, Lösungen und Perspektiven gegeben zu haben. Aus unserer Sicht wurde die re:publica ihrem Ruf als Festival für die digitale Gesellschaft wieder gerecht. Sie bot einen Überblick über aktuelle Herausforderungen und Chancen, insbesondere im Zusammenspiel der Generationen, und veranschaulichte erneut, wie eng Technologie, Gesellschaft und Politik verknüpft sind. Die Veranstaltung verdeutlichte zum einen die Dringlichkeit vieler Probleme und zeigte zum anderen Lösungsansätze und Perspektiven auf.