Das deutsche FinTech Debitos bietet Banken und Investoren eine Plattform für den auktionsbasierten Kauf und Verkauf von Kreditengagements und -portfolios und ist damit ein zeitgemäßer Kanal für den Zugang zum Sekundärmarkt für Kredite.
Gerade in der aktuellen, durch COVID-19 geprägten Situation mit erwartbar steigenden Kreditausfällen erlebt die Diskussion um Sekundärmärkte für Kredite deutlichen Aufwind, was auch durch jüngste Äußerungen der EZB belegt wird.
Angesichts der steigenden Bedeutung von Kredithandelsplattformen sprachen wir mit Herrn Timur Peters, Gründer und CEO von Debitos, über das Geschäftsmodell, seine Einschätzung zum Sekundärmarkt und die Möglichkeiten, aber auch Grenzen der aktiven Portfoliosteuerung für Kreditinstitute:
- Geschäftsmodell von Debitos
- Einschätzung und Beurteilung des Sekundärmarktgeschehens für Institute im Kredithandel
- Möglichkeiten und Grenzen der aktiven Portfoliosteuerung für Kreditgeschäft
Geschäftsmodell von Debitos
Hallo Herr Peters, Debitos ist eine führende Kredithandelsplattform in Europa. Wie unterscheiden Sie sich von Wettbewerbern im Kreditgeschäft und was macht Debitos so besonders?
Peters: Die Konkurrenz innerhalb Europas beschränkt sich auf wenige Marktteilnehmer mit ebenbürtigen Handelsplattformen. Außer uns gibt es DebtX aus den USA, die meines Wissens aber wenig bis gar nicht mehr innerhalb Europas aktiv sind. Darüber hinaus sind zwei weitere, recht junge Unternehmen im Kreditgeschäft zu nennen: das britische Start-up NPL-Markets und BlinkS aus Italien.
Was uns von diesen Konkurrenten abhebt, ist der von uns über die Jahre aufgebaute Track-Record. Bisher haben wir mehr als 600.000 Kredite in über 15 europäischen Ländern über die Plattform abgewickelt. Zusätzlich können wir mehr als 1.000 bei uns registrierte, aktive Investoren vorweisen, und aktuell sind etwa 10.000 Auktionen live.
Welche Rolle spielt Technologie für den Erfolg Ihres Geschäftsmodells?
Peters: Technologie spielt eine sehr große Rolle für unser Geschäftsmodell und ist ein klarer Wettbewerbsvorteil gegenüber der eher klassischen Form der Anbahnung und Abwicklung von Transkationen. Das Geschäft wurde in den letzten Jahren stark durch Beratungsunternehmen – und hier insbesondere durch die „Big Four“, also KPMG, PwC, EY und Deloitte, dominiert.
Natürlich verwenden auch die Berater zunehmend technologiegetriebene Ansätze, welche jedoch nicht dem Reife- und Innovationsgrad unserer Lösung entsprechen. Während klassische Beratungsfirmen in der Regel mit lokal ausgerichteten Systemen ausgestattet sind, bietet Debitos eine grenzüberschreitende Handelsplattform für Kredite, die von EU-weiten Käufern und Verkäufern als zentrale Anlaufstelle für NPL-Transaktionen genutzt wird.
Das volle Potenzial moderner Technologien im Kreditgeschäft ist dabei noch nicht ausgeschöpft: Unsere Plattform bietet bereits heute Features wie Smart Contracts oder eine vollständig digital durchgeführte Due Diligence. Auch wenn Kunden in der Vergangenheit eher zurückhaltend bei der Anwendung solcher Technologien waren, sind wir davon überzeugt, dass diese in Zukunft einen erheblichen Mehrwert für unsere Kunden liefern werden. Beschleunigt wird die Akzeptanz derzeit auch durch die Coronapandemie – viele Banken sind zunehmend offen für die Nutzung digitaler Produkte.
Ein weiteres Asset ist unser Datenbestand. Neben der digitalen Abwicklung von Transaktionen sind wir sowohl für Verkäufer als auch für Käufer beratend tätig. Der mithilfe von Transaktionsdaten aufgebaute Datenpool dient unter Anwendung von AI-Technologie als Informationsquelle, um Wissen über einzelne Handelsklassen, einzelne Verkäufer und einzelne Käufer in die Bewertung von neuen Kredit- / Portfolio-Transaktionen einzubringen.
Unser aktueller Datenpool in Deutschland und Italien ist aufgrund der Vielzahl von Transaktionen bereits sehr gut ausgebaut. Auch in Spanien und Österreich verfügen wir über fundiertes, spezifisches Know-how, mit dem wir Käufer und Verkäufer gezielt zusammenbringen und beratend zur Seite stehen können.
Einschätzung und Beurteilung des Sekundärmarktgeschehens für Institute im Kredithandel
Ein vitaler Sekundärmarkt wurde bereits in der Finanzkrise als Lösungsbaustein zur Entlastung der Bankbilanzen gesehen, Gleiches dürfte auch in der aktuellen COVID-Krise angesichts des prognostizierten Anstiegs der Kreditausfälle gelten. Wie bewerten Sie die Dynamik in den letzten Jahren und was sind Ihre Erwartungen in der aktuellen Situation?
Peters: Die südeuropäischen Banken haben in den letzten Jahren sehr viel Erfahrung mit hohen NPL-Beständen gemacht und sind relativ aktive Spieler auf den Märkten. Demgegenüber stehen die west- und nordeuropäischen Banken, die generell wenig Druck verspüren, ihre NPLs zu verkaufen. Neben den durchschnittlich niedrigen NPL-Beständen verbinden viele Häuser mit einem Verkauf auch Reputationsrisiken.
Die aktuelle COVID-Pandemie belebt aufgrund der erwarteten Ausfälle spürbar das Interesse an NPL-Transaktionen. Regional sehe ich derzeit einen Fokus auf Italien und Spanien, aber auch Großbritannien und Frankreich sind stark betroffen. Für Deutschland erwarte ich einen leichten Anstieg, im Vergleich zu anderen Ländern wird unsere Wirtschaft aber eher stabil bleiben.
Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass sich Banken aktuell bereits von Krediten trennen, die noch gar nicht notleidend sind, Stichwort Schuldscheindarlehen. Dabei geht es vor allem um Sektoren, die besonders stark unter der Pandemie leiden wie Immobilienfinanzierungen im Bereich Touristik/Hotellerie, aber auch Finanzierungen der Segmente Luftfahrt, Gastronomie und Schiffe (Kreuzfahrtschiffe). Offensichtlich antizipieren Banken mögliche schwierige Anschlussfinanzierungen und steuern diese bereits aus.
Zu den Befürwortern eines aktiven Sekundärmarktgeschehens zählen nicht zuletzt auch Aufsichtsbehörden und politische Institutionen. Welchen Beitrag zur Schaffung förderlicher und stabiler Rahmenbedingungen sehen Sie hier?
Peters: Im Rahmen des EZB Round Table wurden bereits einige Maßnahmen zum Umgang mit NPL besprochen.
Neben einer Prüfung zur Aufnahme des Instruments des NPL-Sekundärmarkts in die EBA-Leitlinien für den aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess (SREP) und damit für die Integration von Anforderungen zur Verbesserung von Dateninfrastruktur, -Verfügbarkeit und -Qualität ist die Option einer europaweiten Vernetzung der nationalen Bad Banks im Gespräch. Genannte Institute sollen NPL-Transaktionsplattformen nutzen, um ihre Abverkäufe schneller und gezielter abzuwickeln.
Die EZB wirbt bereits seit Jahren mit der Idee einer EU-weit einheitlichen Bad Bank, die den Banken faule Kredite abkaufen soll. Meines Erachtens fußt diese Option jedoch auf einer falschen Motivation. Trotz der schnellen und einfachen Umsetzung sind Aufwand und Kosten mittel- bis langfristig für die Währungsunion sehr hoch, und eine Vergemeinschaftung der Risiken ist letztlich nicht zielführend. Darüber hinaus werden Asset-Manager nicht in die Pflicht genommen und vertreten daher weder die Interessen des Emittenten noch des Investors adäquat.
Deutlich geeigneter wären bspw. Verbriefungsprogramme wie sie bereits in Italien genutzt werden. Sie helfen allen Marktteilnehmer im Kreditgeschäft, indem die Interessen aller Beteiligten gleichermaßen berücksichtigt werden, und bieten eine marktnahe Gestaltung der Transferpreise. Auch dies ist im Interesse der Aufsicht, die schließlich verhindern möchte, dass auf den Erwerb notleidender Firmenkredite spezialisierte Hedgefonds Non Performing Loans gerade in Krisensituationen zu Schleuderpreisen erwerben.
Insgesamt sind die Diskussionen und Anstrengungen richtig und gut. Die vielen nationalen Ungleichheiten mit Blick auf Transaktionen sind jedoch Hürden für europäische, harmonisierte Lösungen.
Lassen Sie uns den Blick auf die deutsche Bankenlandschaft richten. Deutschland ist nach wie vor stark durch Sparkassen und genossenschaftliche Banken geprägt. Welche Möglichkeiten bietet der Sekundärmarkt für diese Bankengruppen? Wie kann Debitos helfen?
Peters: Transaktionen in diesem Segment haben häufig ein Volumen zwischen 50 und 200 Mio. EUR – eine Größe, die bisher für die klassischen Berater wenig attraktiv war. Wir haben die Aufgabe übernommen, sehr viele kleine und mittelständische Institute auf ihrem Weg an den Markt zu begleiten. Insofern richtet sich unser Angebot gerade auch an diese Häuser, und wir bringen hier gern unsere Erfahrungen – zum Beispiel im Bereich von Schuldscheindarlehen – ein.
Darüber hinaus stehen wir in Kontakt und sind im Austausch mit den prominenten Bankverbänden und eruieren Optionen, die für Einzelinstitute attraktiv, vertrauensvoll und mehrwertstiftend sind. Unser Ziel ist es, mit Debitos den Banken am Markt die notwendige Agilität zu verschaffen, auch kleine Portfolios oder Einzelengagements zu platzieren, ohne große Volumina aufzubauen, um für klassische Beratungsunternehmen interessant zu werden.
Möglichkeiten und Grenzen der aktiven Portfoliosteuerung im Kreditgeschäft
Lassen Sie uns abschließend auf die Käuferseite schauen: Wer sind typische Käufer auf Ihrer Plattform und welche Portfolios oder Einzelkredite wecken derzeit das besondere Interesse potenzieller Investoren?
Peters: Im Bankbereich zählen zu unserem Kundenkreis Landesbanken, öffentlich-rechtliche Institute, private Banken sowie Autofinanziers – auf Käuferseite sehen wir insbesondere Banken, Fonds und Inkassounternehmen.
Die Anzahl der Käufer, die zuvor noch nicht am NPL-Markt aktiv waren, ist in Deutschland und Italien jüngst stark gestiegen. Viele Family-Offices haben den NPL-Markt als Diversifizierungsoption für ihre Portfolios erkannt. Zwei Anlageklassen sind dabei von besonderem Interesse: immobilienbesicherte Darlehen (sowohl privat als auch gewerblich) sowie Insolvenzen.
Investoren werden bei ihrer Registrierung einer strengen Qualitätssicherung unterzogen, die unter anderem Lizenzprüfungen vorsieht.
Wir erstellen für jeden Investor ein Profil. Vor der Transaktion kann ein Verkäufer den Bieterkreis anhand der Profile selbst steuern. Im Zuge unserer Beratungsleistung liefern wir darüber hinaus weitere Informationen, die den Verkäufer bei seiner Auswahl unterstützen – beispielsweise: Wie oft hat ein Investor wirklich geboten, nachdem er ein NDA unterschrieben hat?
Wie sehen Sie – im Spannungsfeld zwischen Überliquidität bei Investoren und dem prognostizierten Anstieg von Sub und Non Performing Loans – die Entwicklung der Preise?
Peters: Der Kredit-Sekundärmarkt hat sich innerhalb der letzten Monate eher von einem Verkäufer- in einen Käufermarkt entwickelt, da sich zum Beispiel Investoren zurückgezogen haben oder in der aktuellen Situation einfach vorsichtiger und zurückhaltend agieren. Gleichzeitig steigt der Druck auf viele Banken – auch durch die anstehenden Neubewertungen. Entsprechend stehen auch die Preise eher unter Druck.
Lassen Sie mich dies am Beispiel Italien erläutern: Dort liegen derzeit sehr viele Kredite in Verbriefungsgesellschaften (SPVs). Diese Kredite wurden beim Transfer in die SPVs bewertet, aufgrund der aktuellen Lage sind diese Bewertungen aber nicht mehr adäquat. Dies führt zu steigendem Druck, diese Kredite zu verkaufen, was die Käufer natürlich wissen und bei den Verhandlungen ausnutzen. Bis Banken ihre Kredite insgesamt neu bewertet haben und sich damit ein Gleichgewicht einstellen kann, das zu realistischen Transferpreisen am Markt führt, wird wohl noch etwas Zeit vergehen, und der Bid-Ask-Spread wird zunächst einmal in der Tendenz weiter steigen.