Geschäftsmodell von Barclaycard
Lieber Christian, ich freue mich sehr über das gemeinsame Interview. Barclaycard wird in Deutschland bislang stark als Anbieter von Kreditkarten wahrgenommen. Bitte schildere unserer Leserschaft einmal euer Geschäftsmodell etwas genauer.
Vor 30 Jahren sind wir mit revolvierenden Kreditkarten in den deutschen Markt gestartet und haben dieses Geschäft sukzessive ausgebaut. Seit mehreren Jahren sind wir Marktführer in diesem Bereich und haben aktuell einen Marktanteil von circa 30 Prozent gemessen am ausstehenden Kreditvolumen. Im Kreditkartengeschäft bieten wir einerseits eigene Kreditkarten an, andererseits Kooperationskarten, welche wir gemeinsam mit Partnern aus Industrie und Handel herausgeben. Ein Beispiel hierfür sind die Kreditkarten der Fluggesellschaft Eurowings.
Unser zweites Standbein ist das Ratenkreditgeschäft, das wir 2008 gestartet haben. Diesen Sektor wollen wir in den kommenden Jahren weiter ausbauen. Unser dritter Geschäftsbereich ist die Absatzfinanzierung. Diese Sparte haben wir im vergangenen November mit einer Amazon-Kooperation gestartet.
Partnerschaft von Barclaycard mit Amazon
Kannst du uns ein wenig mehr zu dieser Partnerschaft mit Amazon erzählen? Wie sieht eure Lösung konkret aus?
Kunden von Amazon.de können ihre Einkäufe ab einem Wert von 100 EUR über uns finanzieren. Das Besondere dabei ist, dass wir den Kunden einen Finanzierungsrahmen zur Verfügung stellen, der mit nur wenigen Klicks auch für Folgekäufe verwendet werden kann. Das unterscheidet unser Produkt von anderen Angeboten am Markt, bei denen der Antrag jedes Mal neu gestellt werden muss. Die Kunden erhalten damit bestmögliche finanzielle Flexibilität. Das alles lässt sich bequem per App steuern, selbstverständlich sind auch Retouren möglich.
Was dürfen wir in Sachen Amazon noch erwarten und welche Weiterentwicklungen habt ihr geplant?
Im letzten Jahr sind wir mit einem Minimum Viable Product (MVP), also einer ersten Produktgeneration, erfolgreich gestartet. Seit dem Start haben wir bereits erste kleinere Optimierungen vorgenommen. In den nächsten Wochen und Monaten sind darüber hinaus zahlreiche Produkterweiterungen geplant, die es für die Kunden noch einfacher und bequemer machen, unsere Lösung zu nutzen. Wir wollen zum Beispiel den erforderlichen Identifizierungsprozess weiter optimieren und verkürzen, indem wir unseren Kunden die Identifizierung auch durch Überweisung eines Centbetrags von einem Girokonto ermöglichen. Außerdem werden wir weiter an der Vermarktung der Lösung arbeiten, beispielsweise durch die Verlinkung des Angebots direkt auf den Produktseiten.
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Bewertung des Trends „Embedded Finance“
Grundsätzlich lässt sich ja seit einiger Zeit beobachten, wie klassische Finanzangebote und Finanzprozesse immer stärker in Angebote anderer Industrien integriert werden – oft unter dem Begriff „Embedded Finance“ zusammengefasst. Wie seht ihr diese Entwicklung und welche weiteren Trends beobachtet ihr?
Das von dir beschriebene Phänomen ist seit zwei bis drei Jahren verstärkt in diversen Bereichen des Bankings zu beobachten – sowohl im Privatkundengeschäft als auch im Firmenkundengeschäft. Finanzierungsprozesse rücken dabei immer stärker an den Point-of-Sale.
Übertragen auf den Bereich der Konsumentenfinanzierung bedeutet dies, dass die Finanzierung zum integralen Bestandteil des Kaufprozesses wird und nicht länger als ein separater Prozess zu betrachten ist. Früher sind Kunden zunächst zu ihrer Bankfiliale gegangen und haben dort einen Ratenkredit abgeschlossen. Dann haben sie gewartet, bis die Auszahlung auf ihr Girokonto erfolgt ist, und anschließend ein entsprechendes Produkt im Handel erworben. Heute erwarten Kunden einen Finanzierungsprozess, der möglichst einfach und medienbruchfrei direkt im Kontext der Kundenreise stattfindet – unabhängig davon, ob der Kauf online oder im stationären Handel erfolgt.
Wir spüren bei den Kunden zudem einen Bedarf nach flexiblen Bezahl- und Finanzierungslösungen. Sie wollen die Freiheit haben zu entscheiden, wann und wie sie etwas bezahlen. Studien zeigen, dass gerade bei jüngeren Menschen – den sogenannten Millennials – diese Form des Bezahlens immer beliebter wird. Derzeit ist dieser Trend, der auch unter dem Namen „Buy now, pay later“ bekannt ist, weltweit zu beobachten.
„Buy now, pay later“
„Buy now, pay later“ erfährt zurzeit einen regelrechten Boom. Gerade viele internationale FinTechs und Banken sind in diesem Feld aktiv. Wie funktioniert das Modell aus Anbieter-, Kunden- und Händlersicht?
Der Markt ist heiß umkämpft und zeichnet sich bereits durch eine hohe Wettbewerbsintensität aus. Neben etablierten Banken und Neobanken versuchen insbesondere FinTechs, Marktanteile zu gewinnen. Aber auch ausgewählte Payment Service Provider (PSP) und Händler bieten entsprechende Lösungen an. Produktgestaltung, Produktpositionierung sowie das (aufsichts-)rechtliche Produktkonstrukt variieren dabei teilweise deutlich zwischen den einzelnen Anbietern – eine allgemeine Beschreibung der Funktionsweise ist daher schwer möglich.
Grundsätzlich kann aber zwischen sogenannten händlergebundenen und händlerungebundenen Lösungen unterschieden werden. Letztere nutzen meist die Karteninfrastruktur der großen internationalen Karten-Schemes, während die händlergebundenen Systeme in der Regel eine technische Integration beim Händler sowie eine kommerzielle Vereinbarung voraussetzen. Ein Beispiel für ein händlergebundenes Angebot ist etwa unsere Absatzfinanzierung mit Amazon, ein Beispiel für eine händlerungebundene Lösung ist unsere „Sofortkaufen & Späterzahlen“-Karte. Bei den Produktkonstrukten sehen wir sowohl klassische Factoring-Lösungen, Factoring-Lösungen auf Basis von E-Geld als auch Rahmenkreditlinien.
Die internationalen „Buy now, pay later”-Provider bieten Kunden häufig eine zins- und kostenfreie Aufteilung der Kaufsumme in drei oder vier Raten an. Händler zahlen in diesen Fällen eine Provision an den Anbieter. In Deutschland operieren die meisten Anbieter derzeit mit einem gemischten Ertragsmodell – sprich, die Händler zahlen den Anbietern hier eine etwas geringere Provision, verlangen zudem aber einen Finanzierungszins direkt vom Kunden. Null-Prozent-Angebote werden meist vom Händler oder von Marketingbudgets der Anbieter gesponsert.
Ich stimme dir absolut zu: Das Thema „Buy now, pay later“ erlebt gerade einen globalen Boom. In 2020 konnten wir in diesem Bereich eine deutlich gesteigerte Zunahme der Aktivitäten beobachten. Neben zahlreichen strategischen Partnerschaften, beispielsweise die Partnerschaft des US-Anbieters Affirm mit dem Payment Service Provider Adyen oder dessen Kooperation mit Shopify, einem der führenden Anbieter von Onlineshopsystemen, konnten viele Anbieter erfolgreich größere Finanzierungsrunden abschließen.
Prominentestes Beispiel ist hier sicherlich die aktuelle Finanzierungsrunde von Klarna in Höhe von 1 Milliarde US-Dollar, die zu einer Post-Money-Bewertung von 31 Milliarden US Dollar führt. Aber auch viele weitere Akteure wie Twisto, Scalapay oder Alma haben sich zuletzt frisches Geld für ihre Expansionspläne besorgt. Wir gehen davon aus, dass sich diese Dynamik im weiteren Jahresverlauf fortsetzen wird, und beobachten die Entwicklungen sehr genau.
Wer ist aus deiner Sicht die Zielgruppe bzw. wer sind die Nutzer von „Buy now, pay later“-Angeboten, also „aufgeschobenen Zahlungen“?
Im vergangenen Jahr konnten viele „Buy now, pay later“-Anbieter neue Händler für ihre Angebote gewinnen. Insbesondere internationale Fashion-Brands, die sich an eine junge Zielgruppe wenden, haben überproportional häufig die neuen Bezahlmethoden mit in ihren Payment-Mix aufgenommen. Aber auch etablierte Marken und andere Branchen – etwa aus dem Luxusgüter-Segment – schließen erste Kooperationen mit den neuen Anbietern ab, um ihren Kunden eine gesteigerte Auswahl der Bezahlmethoden anzubieten.
Momentan nutzen vor allem jüngere Kunden diese Services, wie aktuelle Untersuchungen zeigen. Ich bin aber davon überzeugt, dass sich durch eine Erweiterung der Akzeptanz bei den Händlern mittel- bis langfristig auch die Nutzergruppe deutlich heterogener gestalten wird.
Zukunftspläne von Barclaycard
Kommen wir zum Abschluss: Wie sehen die allgemeinen Pläne von Barclaycard für die nächsten Jahre aus?
Grundsätzlich sehen wir uns für die Zukunft gut aufgestellt und wollen weiter wachsen. Wir werden weiter daran arbeiten, noch mehr Menschen die bestmögliche finanzielle Flexibilität zu bieten. Unser Ziel ist klar: Wir wollen die Nummer 1 im Portemonnaie unserer Kunden werden.
Im Bereich der Absatzfinanzierung wollen wir unsere Lösung weiteren Partnern aus Handel und Industrie anbieten. Dabei fokussieren wir uns in erster Linie auf die Entwicklung individueller Lösungen, welche genau zu den Bedürfnissen unserer Partner und deren Kunden passen. Darüber hinaus streben wir an, unsere Lösung auch über Payment Service Provider zur Verfügung zu stellen, um insbesondere mittelständischen Online- und Multichannel-Händlern, die eine standardisierte Integration sowie ein ganzheitliches Management ihrer Bezahlverfahren bevorzugen, ein passendes Angebot machen zu können.
Christian – vielen Dank für das Interview und die spannenden Einblicke!