Künstliche Intelligenz bei der Kreditvergabe

Die Deep Neuron Lab GmbH besteht seit 2019 und entwickelt KI-gestützte Software zur Analyse bzw. Automatisierung von Geschäftsberichten. Die Software kommt unter anderem bei der Vergabe von Unternehmenskrediten zum Einsatz. Auf Basis einer intuitiven Benutzeroberfläche und unter Anwendung spezifischer Algorithmen kann so eine schnellere Kreditvergabe erreicht werden. Wir haben mit Andreas Schindler (Founder und CEO von KI-Software-Anbieter Deep Neuron Lab) über das Geschäftsmodell und typische Projekte mit Fokus auf den Einsatz von „Natural Language Processing“ (NLP) im Kreditvergabeprozess gesprochen:

Geschäftsmodell von Deep Neuron Lab

Andreas Schindler, Founder und CEO von Deep Neuron Lab im Interview zu "Künstliche Intelligenz bei der Kreditvergabe"Hallo Andreas, wir freuen uns sehr über das gemeinsame Interview. Seit 2019 ist Deep Neuron Lab (DNL) am Markt vertreten. Ihr habt Euch mit der Idee einer Machine-Learning-basierten KI-Software aus der TU Berlin heraus gegründet. Bitte erklär uns in diesem Zusammenhang Euer Geschäftsmodell. Insbesondere interessiert uns dabei der Einsatz von „Natural Language Processing“ (NLP) im Kreditvergabeprozess.

Die wichtigste Informationsquelle im Kreditvergabeprozess ist der Geschäftsbericht eines Unternehmens. Die Daten im Geschäftsbericht sind zwar für Menschen verständlich – jedoch nicht maschinell verwertbar. Das liegt daran, dass sie in Form von Fließtext, Tabellen oder Diagrammen vorliegen. Wir nutzen NLP neben anderen Verfahren des Machine Learning, um diese Daten maschinell verwertbar und damit für Menschen leichter zugänglich zu machen. Unsere Kunden können dies als Software-as-a-Service-Lösung in ihre eigenen Prozesse integrieren.

Einsatz von KI bei der Kreditvergabe

Wie sieht ein typisches Projekt in der Kreditvergabe aus, das unter Einsatz der KI-gestützten Software von Deep Neuron Lab realisiert wird? Wer sind Eure Kunden?

Ein typischer Einsatz unserer Software findet in der Marktfolge einer Bank statt. Hier werden den Analystinnen und Analysten langweilige, jedoch arbeitsaufwendige Aufgaben abgenommen. Dadurch haben sie mehr Kapazitäten, um an komplexeren Aufgaben zu arbeiten. Einzigartig ist dabei, dass Prozesse automatisiert werden können, ohne zur Blackbox zu werden. Typische Kunden sind Versicherer, Banken, Ratingagenturen, Wirtschaftsprüfer etc. – alle, die Informationen aus Geschäftsberichten in ihrer Arbeit nutzen.


Deep Neuron Lab und der medienbruchfreie Übertragungsstandards

Bezugnehmend auf die KI-Software von DNL zur automatischen Weiterverarbeitung von Geschäftsberichten in der Finanzbranche, welche Rolle spielt DNL im Rahmen des medienbruchfreien Übertragungsstandards „Digitaler Finanzbericht“ (DiFin) im Kreditantragsprozess?

DiFin ist ein einzigartiges Projekt. Die Idee dahinter ist naheliegend und wegweisend, wie Banken in Zukunft mit Kunden kommunizieren sollten. Leider hat ein Projekt dieser Größenordnung mit so vielen Beteiligten auch seine Herausforderungen. Diese führten bisher dazu, dass DiFin in der Praxis kaum eine Rolle in der Kreditvergabe spielt. So sind wir bisher noch keinem Kreditinstitut begegnet, bei dem auch nur 5 % der Kunden ihre Finanzdaten per DiFin melden. Die Kernherausforderung von DiFin ist die starke Abänderung des bisherigen Prozesses – Marktteilnehmer müssen ihr Verhalten ändern.

Digitaler Finanzbericht (DiFin): Prozessautomatisierung
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Wir hingegen nutzen den bestehenden Prozess und lösen so die Probleme. Die Kunden können einfach ihren Geschäftsbericht verschicken und die Bank wird so gestellt, als hätte sie strukturierte Daten wie bei DiFin erhalten – wir kümmern uns um die Übersetzung von Dokumenten zu strukturierten Daten. Zusätzlich haben wir eine größere Datendichte, da wir den gesamten Geschäftsbericht nutzen und nicht nur einzelne Elemente. Das führt zu besseren Kreditentscheidungen, weniger Rückfragen und schlussendlich zu besseren Beziehungen zwischen Finanzinstitut und Endkunden bei der Kreditvergabe.

Datenverarbeitung: Zukünftige Entwicklung bei Finanzinstituten

Die Datenaufbereitung bei traditionellen Finanzinstituten gestaltet sich in vielen Bereichen noch vorwiegend manuell, was zu hohen Aufwendungen und somit Kosten in der Informationsbereitstellung sowie zu Zeitverzug in der Kreditvergabe führt. Wie schätzt Du diesbezüglich die zukünftige Entwicklung bei Finanzinstituten ein? Geh hierzu gerne besonders auf technologische Trends und deren Einsatzmöglichkeiten im Kreditvergabeprozess ein.

Aktuell sehen wir, dass insbesondere das Standardgeschäft durch digitale Prozesse voll automatisiert wird. Anträge/Anfragen werden vollständig und ohne dass ein Mensch Hand anlegt verarbeitet. Dieser Trend ist super für die Endkunden, weil Prozesse schneller und Produkte günstiger werden, er drückt aber die Margen in diesem Segment.

Deshalb wird das Augenmerk immer mehr auf Kundengruppen mit geringeren Stückzahlen, aber höheren Margen gelegt – wie den Markt der KMU. Das ist ein sehr großer Markt in Deutschland, der noch ausreichend große Stückzahlen und gleichzeitig gute Margen hat. Da das Geschäft hier aber nicht standardisiert ist, kann die einfache Digitalisierung von Prozessen nicht genügend helfen. Aus diesem Grund werden an dieser Stelle komplexere Lösungen wie KI in der Kreditvergabe benötigt und wir werden deshalb in diesen Prozessen auch vermehrt den Einsatz von KI sehen. Somit wird auch hier die Automatisierung von Prozessen ermöglicht, wodurch die Endkunden günstigere Dienstleistungen und besseren Service bekommen.

Potenziale und Weiterentwicklung der KI-Software von Deep Neuron Lab

Neben der KI-gestützten Übertragung von Daten und Zahlen in die entsprechenden Anwenderformate entwickelte DNL auch eine Lösung zu Analysezwecken von kritischen Unternehmensfaktoren. Wo bestehen aus Deiner Sicht noch weitere Anwendungsbereiche bzw. ‑potenziale der KI-Software von DNL bei Finanzinstituten?

Neben dem Zahlenwerk in einem Geschäftsbericht (Bilanz, Gewinn-und-Verlust-Rechnung, Kapitalflussrechnung) analysieren wir auch die Texte (Anhang, Lagebericht etc.). Die Kombination beider Informationsquellen schafft ein deutlich umfangreicheres Bild über die Lage eines Unternehmens. Dies hilft insbesondere in der Marktfolge/im Underwriting. Darüber hinaus sind aber auch Analytics-Abteilungen an uns herangetreten. Dadurch dass wir Daten zugänglich machen, die zuvor nicht verfügbar waren, können analytische Verfahren ausgeweitet und verbessert werden.

Mit dem Ziel, Institute von schwerfälligen und manuellen Prozessen zu befreien, um sich auf das Kerngeschäft fokussieren zu können, wie gestaltet sich die aktuelle sowie zukünftige Wettbewerbssituation von DNL am Markt? Was sind Eure Wettbewerbsvorteile gegenüber aktuellen bzw. zukünftigen Wettbewerbern in der Kreditvergabe?

Wir sehen drei Typen von Mitbewerbern in unserem Markt:

Die erste Mitbewerbergruppe sind Anbieter von Finanzdaten. Diese können allerdings nur bereits veröffentlichte Daten anbieten. Der Nachteil dabei ist, dass KMU sehr verzögert und eingeschränkt veröffentlichen. Damit können diese Daten nur selten als Grundlage für analytische Entscheidungen verwendet werden.

Zweitens gibt es Anbieter, die Finanzinstituten die manuellen Prozesse abnehmen. Hier wird der manuelle Prozess einfach outgesourct und zusätzlich in eine Blackbox umgewandelt. Die Analystinnen und Analysten können oftmals nicht nachvollziehen, wie und warum auf eine bestimmte Art und Weise gearbeitet wurde. Letzten Endes sehen wir diese Anbieter als potenzielle Kooperationspartner, da sie stark von unserer Lösung profitieren können.

Drittens gibt es international auch Anbieter von ähnlichen Lösungen wie unserer. Bisher haben wir hier aber noch keinen dieser Anbieter antreffen können und mit Deutschland haben wir einen eindeutigen Wettbewerbsvorteil.

Insgesamt kann jedoch festgehalten werden, dass unser Markt noch nicht so erschlossen ist, um in einen direkten Wettbewerb mit jemandem zu treten – zusätzlich wächst die Nachfrage im Markt überdurchschnittlich.

Mit den Pro-FIT-Fördermitteln der Investitionsbank Berlin sichert sich DNL weitere finanzielle Mittel. Inwiefern trägt der bereitgestellte finanzielle Spielraum zur aktuellen Weiterentwicklung von DNL bei?

Die Pro-FIT-Mittel werden bei uns insbesondere in der Forschung und Entwicklung eingesetzt. Dies ermöglicht es uns, an Verfahren zu arbeiten, die dem, was aktuell verwendet wird, weit voraus sind. Die Investitionsbank Berlin ist einer der wichtigsten Player in Berlin, was die Finanzierung von Innovation angeht. Mithilfe der Förderungen schaffen wir den Ausbau unseres technologischen Vorsprungs und können gleichzeitig weitere Arbeitsplätze am Standort Berlin schaffen.

Was sind mittel- bis langfristig Eure nächsten Meilensteine mit DNL?

Unsere Mission ist es, den Zugang zu Unternehmensdaten zu erhöhen. Um dies zu erreichen, entwickeln wir jetzt die Werkzeuge zur Datengewinnung – zukünftig werden wir aber auch selbst Daten anbieten und unsere Werkzeuge nutzen, um öffentliche Daten zu strukturieren. Dadurch werden diese Daten maschinell verwertbar und zugänglicher für Menschen.

Der Markt der Finanzdatenanbieter wird bisher durch eine Handvoll Unternehmen aus den USA dominiert. Wir sind der Meinung, dass es Zeit für einen europäischen Teilnehmer in diesem Markt ist, der europäische Werte beim Umgang mit Daten vertritt. Deshalb arbeiten wir Tag für Tag daran, dieser Teilnehmer zu werden.

Andreas – vielen Dank für das Interview und die spannenden Einblicke!

Sprechen Sie uns gerne an!

Bastian Walkhoff/ Autor BankingHub

Bastian Walkhoff

Senior Manager Office Hamburg
Autor Pascal Niklas

Pascal Niklas

Senior Consultant zeb

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