Binnen eines Jahres hat sich das Zinsniveau für Baugeld vollständig gedreht. Lagen die Bauzinsen vor Jahresfrist etwa bei 1 %, folgte insbesondere im Frühjahr 2022 ein dramatischer Anstieg auf etwa 3 %. Nach einer kurzen Verschnaufpause zur Jahresmitte kletterten die Bauzinsen nach den Zinsentscheidungen der EZB weiter auf über 4 % im Mittel. Expertinnen und Experten sehen keine Anzeichen für eine erneute Trendwende und gehen mittelfristig von einem weiteren moderaten Anstieg aus.
Diese Entwicklung führte zu einer Wiederbelebung des in den vergangenen Jahren bereits totgesagten Bauspargeschäfts. Der Bausparvertrag als Instrument zur langfristigen Zinssicherung kam wieder in Mode und verhalf den Bausparkassen zur Jahresmitte zu einer ungeahnten Anzahl an Neuabschlüssen. Dieses Niveau konnten die Bausparkassen allerdings nicht über die gesamte Periode halten.
Dem Anstieg auf der Bausparseite stand insbesondere im zweiten Halbjahr ein Einbruch auf der Baufinanzierungsseite gegenüber. Viele „Häuslebauer/-innen“ zogen den Abschluss der Finanzierung für geplante Projekte entweder ins erste Halbjahr vor oder verschoben ihre Vorhaben in die Zukunft in der Hoffnung, dass ihnen zumindest die Immobilienpreise wieder entgegenkommen. Bis dahin setzen die Bausparkassen auf den im Zuge der explodierenden Energiepreise weiter steigenden Sanierungsdruck. So wird sich für viele Immobilienbesitzende in absehbarer Zeit ein Finanzierungsbedarf für energetische Optimierungsmaßnahmen ergeben.
Gesetzgebung & Regulierung: gestärkter Verbraucherschutz und neue Anforderungen belasten die Bausparkassen
Mit der Ankündigung, den antizyklischen Kapitalpuffer anzuheben und zudem einen sektoralen Systemrisikopuffer für Wohnimmobilienfinanzierungen einzuführen, sorgte die BaFin bereits zu Beginn des Jahres für Unmut bei den Bausparkassen. Darüber hinaus verordnete sie über das Jahr hinweg zusätzliche Eigenmittelanforderungen an diverse Institute als Sanktionsmaßnahme aufgrund von Verstößen gegen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation. Andere Kassen bereiten sich auf entsprechende Sonderprüfungen vor.
Mit der Wohnimmobilienfinanzierungsstatistik (WIFSta) zum ersten Meldestichtag 31.03.2023 kommt eine weitere regulatorische Anforderung hinzu, die die Bausparkassen in ihr Berichtswesen implementieren müssen.
Zudem werfen die 7. MaRisk-Novelle und der Digital Operations Resilience Act (DORA) bereits ihre Schatten voraus. Auch von der Verbraucherschutzzentrale bekommen die Bausparkassen Gegenwind: Am 15.11. bestätigte der BGH das Urteil über die Unrechtmäßigkeit von Kontoführungsgebühren bei Bausparverträgen in der Sparphase, welches der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) erstritten hatte. Es droht eine Welle von Rückforderungen von zu Unrecht erhobenen Gebühren.
Nachhaltigkeit: Politik setzt die richtigen Anreize
Die Umsetzung der angekündigten Maßnahmen der Koalition im Bereich Bauen und Wohnen zur Erreichung der Klimaziele hängt noch zurück. Dennoch schlagen die definierten CO2-Reduktionsziele für den Altbaubestand und die neu aufgesetzten Zertifizierungen für „grüne“ Immobilien genau in die Kerbe der Bausparkassen. Ob sich der erhoffte Effekt auf das Neugeschäft der Kassen noch einstellt, wird die Zukunft zeigen.
Bereits seit Jahren setzen Bausparkassen auf die Themen nachhaltiger Sanierung und Modernisierung und arbeiten daran, in diesen Bereichen ihr Produkt- und Beratungsangebot weiter auszubauen. Somit verwundert es nicht, dass der Verbund der privaten Bausparkassen eine Absichtserklärung unterzeichnet hat, um das Geschäftsmodell der Bausparkassen in Zukunft noch stärker auf Nachhaltigkeit auszurichten. Die Umstellung fällt diesen durch die natürliche Nähe zum Immobilienmarkt oft leichter als anderen Finanzdienstleistern.
Kooperationen & Fusionen: forcierte Konsolidierungswelle im Lager der Landesbausparkassen
Der bereits im letzten Jahr angekündigte Zusammenschluss der LBS West und der LBS Nord, von dem sich die Träger/-innen Synergien durch strukturelle Vorteile versprechen, nimmt weitere Konturen an. Mittlerweile stehen Name, Hauptsitze und Trägerstruktur fest. Staatsvertragliche Regelungen, Satzung und Gremienstruktur müssen noch fixiert werden.[2]
Auch die Träger/-innen der süddeutschen Landesbausparkassen LBS Bayern und der LBS Südwest sehen den Bausparboom im Zuge steigender Zinsen als optimale Voraussetzungen für eine Fusion. Sollte der Fusionsvertrag bis spätestens August nächsten Jahres final sein, könnte die Zusammenführung noch rückwirkend zum 01.01.2023 in Kraft gesetzt werden. Verhandlungen der Eigentümer/-innen der LBS Schleswig-Holstein-Hamburg und der LBS Ost über einen Zusammenschluss bestätigen den Trend zur Konsolidierung und zur Bildung größerer Institute in der LBS-Gruppe.
Im Bereich der privaten Bausparkassen arbeiten die Institute eher am Ausbau ihrer Kooperationsnetzwerke. So vergrößerte die W&W ihr Partnernetzwerk im Bereich Bausparen und Baufinanzierung durch neue Kooperationen mit der Creditplus Bank (Tochter der frz. Crédit Agricole) und der Nürnberger Versicherung. Geschäftskunden der Debeka Bausparkasse können durch die Kooperation mit dem FinTech Raisin DS ihr Festgeld nun über Raisins Zinsplattform „Weltsparen“ anlegen.
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Plattformen: Erfolgsgeschichte unterbrochen
Zu Beginn des Jahres konnten die großen Baufinanzierer im Plattformgeschäft noch immer zweistellige Wachstumsraten vermelden. Die Relevanz der freien Finanzberatenden nimmt dabei aber nicht nur grundsätzlich am Markt zu, auch Bausparkassen profitieren von den unabhängigen Vermittlerinnen und Vermittlern.
Schlagzeilen machte die Ankündigung einer KI-basierten Sofortkreditentscheidung innerhalb von vier Stunden, welche Europace im März verkündete. Im dritten Quartal des Jahres wurde die langjährige Erfolgsgeschichte der Plattformen dann abrupt unterbrochen. Nach Umsatzrückgang und Gewinneinbruch fiel die Hypoport-Aktie um 46 %. Rezession und Stopp des Baufi-Booms gehen auch an den Vermittlungsplattformen im Markt nicht spurlos vorbei.
Innovationen: Fokus auf Beschleunigung der Kreditentscheidung
Zwei zentrale Trends zeichnen sich 2022 im Baufinanzierungsgeschäft ab. Erstens wird (insbesondere bei den Plattformbetreibenden) der Antragsprozess immer weiter an den Kunden ausgelagert. Neben Kostenersparnissen führt dies auch zu besser informierten Kunden und höheren Konversionsraten.
Zweitens wird weiter in Standardisierung und Automatisierung investiert, um die Prozessdauer von Kreditantrag bis -entscheidung zu reduzieren. Bei den Landesbausparkassen ermöglicht das einheitliche IT-System OSPlus beispielsweise eine weitere Verzahnung mit den Sparkassen – mit dem Ziel, ein gemeinsames Ökosystem aufzubauen. Parallel setzt die Bausparkasse Schwäbisch Hall (BSH) auf Softwareroboter (RPA) und Smart-Data-Lösungen, um ihre Bearbeitungsstraße hinsichtlich Zeit, Kosten und Qualität zu verbessern.
Personalien & Jubiläen: Übergabe des Staffelstabs an die nächste Generation
Die BSH kündigte 2022 gleich zwei Vorstandswechsel an: Nach dreißig Jahren im Unternehmen verabschiedet sich Jürgen Gießler in den Ruhestand und überträgt seine Verantwortlichkeit an Mike Kammann. Außerdem hat der aktuelle Vorstandsvorsitzende Reinhard Klein bekannt gegeben, sich Ende 2023 aus dem Unternehmen zurückzuziehen, wodurch die Zuständigkeiten im Vorstand erneut umverteilt werden.
Bei der LBS Ost wird nach ebenfalls drei Jahrzehnten Winfried Ebert von Jens Riemer im Vorstand abgelöst. Daneben wurde bei der Europäischen Bausparkassenvereinigung mit Bernadett Tátrai erstmals eine Frau zur Präsidentin des Verbandes gewählt.
Im März wurde zudem ein weiteres, besonderes Jubiläum gefeiert: Die Wohnungsbauprämie wurde siebzig Jahre alt. Nach leichten Anpassungen gilt sie nach wie vor als attraktives Förderinstrument im Sektor.
Nach dem Blick in die Vergangenheit möchten wir gemeinsam mit Ihnen nach vorne schauen und über Ihre Vorhersagen für das Jahr 2023 diskutieren:
Insgesamt lässt sich festhalten, dass der Zinsanstieg das Margenpotenzial der Bausparkassen zwar verbessert hat, sich die Generierung von Neugeschäft allerdings sowohl im Geschäftsfeld Baufinanzierungen als auch im Geschäftsfeld Bausparen aufgrund der Rahmenbedingungen am Immobilienmarkt deutlich schwieriger gestalten wird als zuletzt.
Im Fokus dürften hier primär Finanzierungen für energetische Sanierungsmaßnahmen stehen, für die sich per se ein Bausparvertrag anbietet. Durch die öffentlichkeitswirksame Auseinandersetzung und kritische Berichterstattung über die Gebührenstruktur der Bausparverträge dürfte die Preissensibilität der Kunden jedoch weiter gestiegen sein. Somit sind die Bausparkassen mehr denn je gezwungen, ihre Kosteneffizienz zu steigern, die Mehrwerte der gebotenen Leistungen gegenüber den Kunden herauszuarbeiten sowie die wettbewerbsdifferenzierenden Merkmale in den Mittelpunkt zu stellen, um ihre Marktanteile zu verteidigen und weiter auszubauen. Mit Blick auf die Regulatorik rückt die Sicherstellung einer Ausgewogenheit zwischen Ertrag und Risiko stärker in den Fokus.
Vor diesem Hintergrund bleibt abzuwarten, ob sich die erhofften Effekte aus den geplanten Fusionen im Jahr 2023 im LBS-Lager einstellen werden und wie sich das Plattformgeschäft weiterentwickeln wird. Alle Zahlen und Fakten zur Geschäftsentwicklung der Bausparkassen stellt zeb nach Veröffentlichung der Geschäftsberichte kompakt im Benchmarking-Tool als Service über den Digital Services Hub bereit.