Comeback des Bausparens?

Bausparen als Finanzprodukt erlebt gerade das Comeback schlechthin, die Zahl der Neuverträge nimmt wieder stark zu. Grund sind die gestiegenen Zinsen. Wir haben im ersten Teil unseres zweiteiligen Interviews mit Mike Kammann zu aktuellen Entwicklungen des Wohnimmobilienmarkts und des Bausparens gesprochen.

Mike Kammann ist Finanz- und Risikovorstand der Bausparkasse Schwäbisch Hall AG. Mit rund 6,5 Millionen Kunden ist Schwäbisch Hall die größte Bausparkasse Deutschlands und gehört auch in der Baufinanzierung zu den führenden Anbietern.

Bausparen – Doppelbooster Zinswende und Energiekrise

Mit rund 24 Millionen bestehenden Verträgen im Jahr 2021 zählt der Bausparvertrag zu den beliebtesten Finanzprodukten in Deutschland – und wird in fast jedem zweiten deutschen Haushalt zum Sparen genutzt.

In den letzten Jahren war der Bausparvertrag für Anlegende jedoch weniger attraktiv. Viele präferierten aufgrund niedrigerer Zinsen die klassische Baufinanzierung. Außerdem rückte der Zweck des Bausparens als Zinssicherungsinstrument in den Hintergrund. Bausparen war jedoch nie weg: Bei einem Gesamtvolumen von fast 73 Milliarden Euro in Deutschland im Jahr 2021 kann keine Rede von einem Nischenprodukt sein. 

Nun gibt es aber einen Doppelbooster zu verzeichnen: 1) Das Ende der Niedrigzinsphase lockt neue Bausparerinnen und Bausparer an, und 2) die Energiewende verstärkt die energetischen Investitionen in Immobilien.

Interview mit Mike Kammann, Finanzvorstand der Bausparkasse Schwäbisch Hall AG und Mitglied der Geschäftsführung der Schwäbisch Hall Kreditservice GmbH
Mike Kammann ist Finanz- und Risikovorstand der Bausparkasse Schwäbisch Hall AG

Herr Kammann, wie schätzen Sie den beschriebenen Doppelbooster beim Bausparen ein? Welcher Effekt hat nachhaltig Substanz und bei welchem wird es eher ein Booster von kurzer Dauer sein?

Wir freuen uns über das starke Bauspargeschäft, aber „Booster“ ist für mich kein passender Begriff. Vielmehr erkennen Kundinnen und Kunden generell den Zweck des Bausparens wieder für sich. Gerade das Motiv der Zinssicherung und der Aspekt der energetischen Sanierung sind hier die Hauptwachstumstreiber.

Aktuell befinden wir uns in besonders bewegten Zeiten mit vielen Unsicherheitsfaktoren wie dem Ukrainekrieg, einer volatilen Zinsentwicklung auf höherem Zinsniveau und einer schwierigeren Gesamtwirtschaftslage. Für dieses Jahr rechnet die Bundesbank mit einem leichten Rückgang des Bruttoinlandsprodukts und einer zwar etwas zurückgehenden, aber weiter hohen Inflation.

Diese makroökonomischen Rahmenbedingungen haben Einfluss auf unser Geschäftsmodell, das auf den beiden Säulen Bausparen und Baufinanzierung basiert. Schwäbisch Hall ist als Lösungsanbieter rund ums Bauen und Wohnen auf der Marktseite sehr gut positioniert und mit der Strategie der zwei Kerngeschäftsfelder gut aufgestellt. Gerade auch im volatilen Jahr 2022, im Umfeld der sich verändernden Zinslandschaft, hat sich unsere Strategie bewährt: Die Baufinanzierung war zwar rückläufig, aber das Bausparen hat stark angezogen.

Wie entwickelt sich Ihrer Meinung nach der Markt für Bausparverträge zukünftig? Welche Trends wird es geben, die man als Bausparkasse mitgehen sollte?

Nach dem schnellen Zinsanstieg im vergangenen Jahr haben die Kundinnen und Kunden die Vorteile des Bausparens wieder für sich entdeckt. Sie haben erstens erkannt, dass sie sich mit dem Bausparen ein Darlehen zu niedrigen Zinsen für ihre Vorhaben in der Zukunft sichern können, zweitens, dass sie systematisch Eigenkapital für einen Kauf ansparen und dabei von staatlichen Förderungen profitieren – 70 Prozent der Bevölkerung sind prämienberechtigt –, und drittens, dass sie ihre Modernisierungsvorhaben oder Anschlussfinanzierungen mit einem Bausparvertrag finanziell absichern können. Daher erwarten wir auch in diesem Jahr ein starkes Bausparneugeschäft.

Ein Trend ist aber sicher: dass der Wunsch nach Wohneigentum bei den Deutschen ungebrochen ist. Eine aktuelle forsa-Umfrage unter 20- bis 49-Jährigen für den Verband der privaten Bausparkassen belegt, dass 78 Prozent am liebsten im Wohneigentum leben wollen und 84 Prozent außerdem glauben, dass Wohneigentum eine sinnvolle Geldanlage ist, um speziell für das Alter vorzusorgen.

Diesen Trend, oder auch Wunsch, wollen wir als leistungsstarker Lösungsanbieter begleiten: Wir als Schwäbisch-Hall-Gruppe bieten unseren Kundinnen und Kunden gemeinsam mit unseren genossenschaftlichen Verbundpartnern kompetente Beratung mit nachhaltigen Finanzierungslösungen und Dienstleistungen bei jedem Schritt auf dem Weg zu ihrem Wohnglück.

Gerade mit Blick auf die junge Generation, die über Neobroker wie Trade Republic mit ETFs oder Kryptos handelt: Was muss man als Bank machen, um Bausparen attraktiv zu halten und den Coolnessfaktor auf ein ähnliches Level zu heben?

Wohneigentum ist für die junge Generation „cool“: Gerade die jungen Menschen möchten unbedingt später im Eigentum wohnen; laut einer Studie des Instituts für Zukunftspolitik im Auftrag des Verbands der Privaten Bausparkassen wollen 87 Prozent der 14- bis 19-Jährigen mit 30 Jahren im eigenen Haus/in der eigenen Wohnung leben.

Bausparen ist für junge Leute möglicherweise uncool, aber gerade für diese ist es der Wegbereiter für die eigenen vier Wände. Sie bauen damit sukzessive Eigenkapital auf und profitieren von den staatlichen Förderungen, können vermögenswirksame Leistungen vom Arbeitgeber einzahlen und erhalten bei Schwäbisch Hall den Junge-Leute-Bonus in Höhe von 200 Euro. Wenn es später um die Finanzierung geht, ist der angesparte Bausparvertrag ein wichtiger Baustein oder, etwas cooler ausgedrückt, der Enabler.

Aktuelle Entwicklungen am Immobilienmarkt

Der deutsche Immobilienmarkt war in den letzten Jahren von einem stetigen Anstieg der Immobilienpreise gekennzeichnet. Das Angebot – insbesondere in den Großstädten – ist knapp, die Nachfrage nach Wohnraum jedoch sehr hoch.

Durch die nun wieder steigenden Bauzinsen werden Stimmen dahingehend lauter, dass die Immobilienpreise bereits sinken bzw. in nächster Zeit sinken werden. Sogar vom Platzen einer Preisblase wird gesprochen.

Wie wird sich der deutsche Immobilienmarkt entwickeln? Wird es zum Platzen einer Preisblase kommen? Wie werden die Immobilienpreise 2023 aussehen?

Wohnen bleibt eines der zentralen sozialen und gesellschaftlichen Themen, und der Wunsch nach Wohneigentum hält trotz der herausfordernden Rahmenbedingungen weiter an. Der Immobilienmarkt ist unter den aktuellen Gegebenheiten geschrumpft, dementsprechend ist auch der Markt für Baufinanzierungen zurückgegangen. Wir sehen zum Beispiel, dass Bauträger vermehrt Neubauprojekte einstellen. Zu beachten ist allerdings, dass das Niveau des Neugeschäftsvolumens in der Baufinanzierung Jahr 2022 extrem hoch war – und darüber hinaus: Unser Neugeschäft ist zwar auch zurückgegangen, allerdings deutlich weniger als im Markt.

Für Kaufinteressenten sind die verfügbaren Immobilien deutlich weniger erschwinglich: Die Finanzierungskosten haben sich dabei nahezu verdoppelt, d. h., für eine Finanzierung über 500.000 Euro müssten statt rund 1.300 Euro im Monat vor einem Jahr nun rund 2.500 Euro aufgebracht werden!

Nur geringfügige Entlastung ist bei den Kaufpreisen zu erwarten. Hier prognostiziert die DZ BANK, dass die Kaufpreise im Jahresdurchschnitt um bis zu 6 Prozent zurückgehen werden. Das DIW hält im laufenden Jahr sogar Preiseinbrüche von bis zu 10 Prozent für möglich. Zwischen dem dritten und vierten Quartal 2022 haben wir laut Zahlen des vdp einen Preisrückgang von im Durchschnitt 1,8 Prozent beobachtet. Neuere Zahlen für 2023 – wie der Hauspreisindex von Europace – zeigen jedoch, dass sich die Preise inzwischen wieder leicht stabilisieren, im Neubau, je nach Lage und energetischem Zustand, sogar weiter steigen.

Anzeichen für das Platzen einer Blase gibt es aber nicht. Wie verschiedene Studien zeigen, fällt die Preisentwicklung vielmehr je nach Region, Lage und (energetischem) Zustand der Immobilie sehr unterschiedlich aus – teils sogar mit starken Unterschieden innerhalb von Städten: In einem Bezirk fallen die Preise, in anderen bleiben sie stabil oder steigen weiter an.

Wir gehen davon aus, dass Interessenten besonders im Fall von Gebrauchtimmobilien mit energetischem Nachholbedarf in den kommenden Monaten deutlich bessere Möglichkeiten haben werden, über den Preis zu verhandeln.

Wie schätzen Sie die Zinsentwicklung mittel- bis langfristig ein? Und wie schafft es die Bausparkasse Schwäbisch Hall, trotz hoher Bau-/Kaufpreise und gestiegener Zinsen neue Kundinnen und Kunden zu gewinnen?

Die Entwicklung der Bauzinsen ist aktuell volatil, wir sehen immer wieder leichte Wellenbewegungen, die sich nach unserer Einschätzung im laufenden Jahr bei zwischen 3,5 und 4 Prozent fortsetzen werden.

Es wird daher für Kaufinteressenten und Anschlussfinanzierer immer wieder Zeitfenster geben, um günstige Zinskonditionen für die Baufinanzierung festzuschreiben, zumal wir auch mit konkreten Maßnahmen – etwa einem Sonderkreditprogramm, das wir unseren Vertriebspartnern an die Hand gegeben haben – auf die veränderten Marktbedingungen reagiert haben. Zudem beobachten wir, dass das Bauspardarlehen deutlich stärker nachgefragt wird.

Aber auch das Bausparen mit Schwäbisch Hall bleibt für (Neu-)Kundinnen und (Neu-)Kunden, die sich den derzeit noch günstigen Bausparzins für die Zukunft sichern wollen, besonders attraktiv.

Bei Bestandsbauten bedarf es energetischer Sanierungen aufgrund der Energie- und Klimakrise, die Bau- und Kaufpreise bei Neubauten sind hoch und die Zinsen steigen wieder an. Zudem ziehen die Mietpreise ebenfalls an, da viele vom Eigenheim auf die Mietwohnung umsteigen wollen.

Wer kann sich Wohnen also noch leisten? Was macht die Bausparkasse Schwäbisch Hall oder kann die Bausparkasse Schwäbisch Hall machen, um die Verbraucherinnen und Verbraucher zu unterstützen?

Es können sich immer weniger Menschen unter den aktuellen Bedingungen – hohe Zinsen, hohe Preise für Immobilien und auch für Baumaterialien – Wohneigentum leisten.

Eine Beobachtung, die wir machen, ist zum Beispiel, dass sich potenzielle Käuferinnen und Käufer fragen: Wie viel Platz brauchen wir wirklich zum Wohnen und Leben? Weniger Quadratmeter sind dabei eine Option, um die Anschaffungskosten zu reduzieren. Eine andere Idee ist beispielsweise, in den Speckgürtel oder weiter raus aufs Land zu ziehen.

Das IW Köln hat ermittelt, dass eine Familie mit einem Monatseinkommen von 5.000 Euro – über diese Summe verfügen die einkommensstärksten 20 Prozent der Haushalte (!) – und einer Rate von 2.000 Euro für Zins und Tilgung im Januar 2022 eine Immobilie mit einem Kaufpreis von über 600.000 Euro finanzieren konnte. Der Zinssatz lag bei 0,8 Prozent. Im November 2022 konnte sich diese Familie bei einem Zinssatz von 4 Prozent nur noch eine Immobilie im Wert von etwas mehr als 400.000 Euro leisten. Die Kreditsumme, die diese Familie finanzieren kann, ist also um 34 Prozent gesunken.

Damit trotzdem mehr Menschen ins Wohneigentum kommen, müssen künftige Immobilienerwerbende schon früh Eigenkapital aufbauen. Natürlich sind die zukünftigen Käuferinnen und Käufer an der Stelle selbst gefragt, aber auch Finanzdienstleister wie wir kommen hier ins Spiel. Sie müssen passende Angebote machen, um zielgerichtet für die eigenen vier Wände sparen zu können – klassisches Produkt hier: das Bausparen.

Zuletzt ist die Politik gefordert, die Hürden für Wohneigentum zu senken. Eine wichtige politische Maßnahme wäre zum Beispiel, die Kaufnebenkosten zu senken, wie auch im Koalitionsvertrag festgelegt: entweder als Grunderwerbsteuerfreibetrag beim erstmaligen Erwerb von Wohneigentum oder als Stufentarif, nach dem große und teure Immobilien stärker besteuert werden.

Lieber Herr Kammann, vielen Dank für den interessanten ersten Austausch zu den aktuellen Entwicklungen im Immobilienmarkt! Wir wünschen Ihnen und Ihrem Team weiterhin viel Erfolg!

Was müssen Baufinanzierer unternehmen, um die nachhaltige Transformation mitzugestalten?

Und wie begleitet die Bausparkasse Schwäbisch Hall den nachhaltigen Wandel? Vor welchen weiteren Herausforderungen steht die Bausparkasse Schwäbisch Hall aktuell/in den nächsten Jahren und wie gehen Sie diese an?

Die Antworten gibt uns Mike Kammann im zweiten Teil unseres Interviews zum Thema Nachhaltigkeit und Wohnen der Zukunft:

Interview mit Mike Kammann, Finanzvorstand der Bausparkasse Schwäbisch Hall AG und Mitglied der Geschäftsführung der Schwäbisch Hall Kreditservice GmbH
Was sind die Wohnformen der Zukunft? Welche Trends werden sich durchsetzen?
Bezahlbarer Wohnraum wird knapper und Trends wie Urbanisierung oder Landflucht werden als mögliche Zukunftsszenarien diskutiert. Mike Kammann, Finanz- und Risikovorstand der Bausparkasse Schwäbisch Hall AG, zu den Perspektiven des Wohnimmobilienmarktes und des Bausparens.
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Julia Schraut / Redakteurin und Autorin BankingHub

Julia Schraut

Expert Office Berlin
Dr. Madita Amelie Pesch / Autorin BankingHub

Dr. Madita Amelie Pesch

Senior Consultant Office Münster

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Kommentare

Eine Antwort auf “Comeback des Bausparens?

  • Paul

    Es freut mich zu sehen, dass der Bausparvertrag sein Comeback erlebt. Die Entwicklungen, insbesondere das Ende der Niedrigzinsphase und die Energiewende, schaffen neue Perspektiven für Bausparer. Im Interview mit Mike Kammann von der Bausparkasse Schwäbisch Hall wird betont, dass Kunden den Zweck des Bausparens wiederentdecken, besonders im Hinblick auf Zinssicherung und energetische Sanierung. In dieser aufgeweckten Phase empfehle ich eine individuelle Beratung für einen individuellen Bausparvertrag, um optimal von den aktuellen Trends zu profitieren. https://www.versicherung-weil.de/leistungen/bausparvertrag

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