EU Green Bond Standard: Worum gehts?
Die EU-Länder haben sich im Pariser Klimaabkommen von 2015 dem Ziel der vollständigen Klimaneutralität bis 2050 verpflichtet. Um dieses Ziel zu erreichen, sind umfassende Investitionen in ökologisch nachhaltige Projekte und Technologien erforderlich.
Mit dem EU Green Bond Standard (EU GBS) hat die Europäische Union ein gemeinsames Rahmenwerk zur Ausgabe von grünen Anleihen geschaffen. Dieses soll auf EU-Ebene einheitliche Vorgaben für die Mittelverwendung aus entsprechenden Finanzierungsinstrumenten bereitstellen und die Marktliquidität für „grüne“ Anleihen deutlich erhöhen.
Nach einer ersten Konsultationsversion von Juni 2019 wurde Ende 2023 die Verordnung der Europäischen Union über europäische grüne Anleihen, Verordnung (EU) 2023/2631, verabschiedet. Seit ihrem Inkrafttreten am 20. Dezember 2024 haben Emittenten die Möglichkeit, Anleihen als European Green Bonds (EuGB) auszugeben. Die Nutzung bleibt vorerst freiwillig.
Im Nachfolgenden bieten wir einen Überblick über die Anforderungen und Bestandteile des EU GBS und seine Bedeutung im Kontext nachhaltiger Finanzierung. Zudem werden Unterschiede zu anderen Zertifizierungen für grüne Anleihen beleuchtet (namentlich zu den GBP der ICMA und dem vdp-Standard). Abschließend werden Chancen sowie Risiken inklusive möglicher Handlungswege für Banken aufgezeigt.
Entscheidet sich ein Emittent dafür, seine Anleihe nach dem EU GBS zu begeben, muss sichergestellt sein, dass die Finanzierungsmittel analog den GBP der ICMA tatsächlich auch zur Finanzierung von ökologisch nachhaltigen Projekten eingesetzt werden. Hervorzuheben sind insbesondere die Vorgaben hinsichtlich der Mittelverwendung, Berichterstattung und externer Prüfungsanforderungen.
Wie müssen die Mittel für grüne Produkte eingesetzt werden?
Kernbestandteil des EU GBS ist die Verwendung der EU-Taxonomie zur Klassifizierung „grüner“ Projekte. Dabei müssen mindestens 85 % der Emissionserlöse der Anleihe für ökologisch nachhaltige Zwecke eingesetzt werden, die im Einklang mit den Anforderungen der EU-Taxonomie stehen. Eine Flexibilitätsquote von 15 % erlaubt während der Übergangszeit bis zur Verabschiedung aller Taxonomie-Bewertungskriterien auch Investitionen in Aktivitäten und Sektoren, die derzeit nicht von der EU-Taxonomie erfasst sind.
Im Falle einer Änderung der technischen Bewertungskriterien nach der Emission einer grünen Anleihe besteht fallabhängig ein Bestandsschutz von bis zu sieben Jahren, bevor Emittenten verpflichtet werden, die Erlöse nach den neuen Kriterien zu verwenden („Grandfathering“).
Reporting: Welche Berichtspflichten gibt es?
Neben der Anwendung der EU-Taxonomie sollen umfassende Berichts- und Informationspflichten der Emittenten, über den Lebenszyklus einer europäischen grünen Anleihe hinweg, den Anlegenden Transparenz hinsichtlich der zweckgebundenen Mittelverwendung gewährleisten. Die Erfüllung dieser Pflichten wird in Deutschland von der BaFin als zuständiger Aufsichtsbehörde überwacht.
Der eigentlichen Emission vorgelagert müssen ein Wertpapierprospekt gemäß Verordnung sowie ein Informationsblatt (European Green Bond Factsheet) veröffentlicht werden. Letzteres enthält Informationen zur geplanten Verwendung der Erlöse und legt dar, wie die Anleihe zu den übergeordneten Zielen der Umweltstrategie des Emittenten beitragen soll. Damit sollen u. a. Investor:innen dabei unterstützt werden, fundierte Anlageentscheidungen zu treffen.
Zur Sicherstellung, dass die Erlöse tatsächlich ordnungsgemäß verwendet werden, muss der Emittent Transparenz schaffen. Dazu muss ab Emissionsdatum bis zur vollständigen Erlösverwendung muss jährlich ein Allokationsbericht erstellt werden, der die getätigten Zuwendungen an grüne Projekte aus den Einnahmen der Anleiheemissionen offenlegt. Zusätzlich ist mindestens einmal während der Laufzeit der Anleihe und nach vollständiger Verwendung der Erlöse ein Wirkungsbericht zu den tatsächlich erzielten Umweltauswirkungen der Anleihe (z. B. hinsichtlich CO2-Reduktionen) zu veröffentlichen.
Welche Anforderungen an Transparenz und Prüfung bestehen?
Gemäß der Verordnung über europäische grüne Anleihen sind für die genannten Berichte eine Vor- und Nachemissionsprüfung vorgeschrieben. Externe Prüfer:innen müssen die Angaben im Informationsblatt und im finalen Allokationsbericht, der nach vollständiger Verwendung der Erlöse erstellt wird, überprüfen. Der nachgelagerte Wirkungsbericht ist grundsätzlich von dieser Pflicht ausgenommen, kann jedoch auf freiwilliger Basis begutachtet werden.
Um eine qualitativ hochwertige und unabhängige Prüfung zu gewährleisten, müssen externe Prüfer:innen bei der ESMA[3] registriert sein und spezifische Anforderungen hinsichtlich ihrer Qualifikationen, Erfahrungen und Organisation erfüllen. Die ESMA überwacht auch nach der Registrierung, ob diese Pflichten eingehalten werden.
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Europas Banken auf dem Prüfstand: Zwischen ökologischem Aufbruch und betriebswirtschaftlicher RealitätWo liegen die Unterschiede zu den Green Bond Principles (GBP) der ICMA?
Der EU GBS legt klare Kriterien für die zu finanzierenden Projekte fest, welche sich an der EU-Taxonomie orientieren. Sie ähneln denen der GBP der ICMA grundsätzlich, wobei Letztere aber allgemeiner gehalten sind und daher mehr Interpretationsspielraum lassen. Ebenso sind die Vorgaben für das Reporting im EU GBS konkreter. Das heißt, dass auch eine bestehende Berichterstattung, die an den GBP ausgerichtet ist, den Erhalt des EU-GBS-Labels nicht garantieren kann.
Einer der größten Unterschiede besteht in der Verifizierung des Rahmenwerks durch ein ESMA-akkreditiertes Institut. Obwohl sich auch für die Verifizierung der GBP mittlerweile gewisse Marktführer oder breit anerkannte Institute etabliert haben, sind die Qualifikationsanforderungen für die GBP weniger streng.
Insgesamt bietet der EU Green Bond Standard eine klar regulierte, harmonisierte und detaillierte Struktur für grüne Anleihen innerhalb der EU, während die GBP der ICMA einen flexibleren, marktgetriebenen Ansatz darstellen.
Welche Perspektiven und Herausforderungen gibt es?
Mit dem EU GBS gibt es nun einen weiteren Standard für grüne Anleihen am Markt. Die Entscheidung für oder gegen ihn bei der Begebung grüner Anleihen hängt für das emittierende Institut vor allem von folgenden Fragestellungen ab:
- Wie sieht die Entwicklung der Investorennachfrage in Abhängigkeit von den unterschiedlichen Standards (ICMA-Standard, EU GBS, vdp-Standard) aus?
- Ist mit dem gewählten Finanzierungsinstrument ein Spreadkostenvorteil gegenüber einer klassischen Anleihe („Greenium“) zu erwarten?
- Mit welchem Aufwand zur Erfüllung der verbundenen Kriterien (insbesondere mit welchem Initialaufwand, z. B. zur Schaffung der jeweiligen Voraussetzungen für die Klassifizierung grüner Assets) ist zu rechnen?
- Kann ein hinreichend großes Volumen an grünen Assets gemäß dem gewählten Standard erreicht werden?
Diese vier Punkte lassen sich, wie im vorangehenden Artikel aus der Serie beschrieben, insbesondere mit Analysen des Marktumfelds, einem Vergleich der infrage kommenden Anleihetypen (GBP der ICMA, Green Covered Bonds/Grüne Pfandbriefe des vdp, Sustainability-Linked Bonds, Social Bonds …) und einer Wirtschaftlichkeitsrechnung beantworten.
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Welche Anforderungen stellt der vdp?
Der Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp)[4] ist die Interessenvertretung der deutschen Pfandbriefbanken und setzt sich für die Zukunftsfähigkeit des etablierten deutschen Pfandbriefs mit seiner makellosen Kredithistorie ein.
Die im vdp organisierten Banken haben 2019 Mindeststandards erarbeitet, die Pfandbriefbanken erfüllen müssen, wenn sie einen Grünen Hypothekenpfandbrief oder Grünen Öffentlichen Pfandbrief emittieren möchten. Dies soll dem Markt für Grüne Pfandbriefe weiteren Auftrieb verleihen und eine sinnvolle Orientierungshilfe für aktive und potenzielle Emittenten sowie interessierte Investor:innen bieten.
Eine erste Überarbeitung trat bereits am 1. Januar 2025 in Kraft, bei der eine stärkere Angleichung der Kriterien für grüne Vermögenswerte an die EU-Taxonomie erfolgt ist.
Die Emission eines Grünen Pfandbriefs (oder Green Pfandbriefs) gemäß vdp-Definition beruht neben den relevanten Verordnungen zum Hypothekenpfandbrief sowie den zum Zeitpunkt der Emission geltenden Green Bond Principles der ICMA auf den jeweils anwendbaren Vorschriften des Pfandbriefgesetzes. Der Emittent des Bond ist dazu verpflichtet, ein entsprechendes Green-Bond-Framework zu erstellen und dieses vor der Emission zu veröffentlichen.
Zudem hat der Emittent die Pflicht, bei der Nutzung der vdp-Wortmarken (Grüner Pfandbrief oder Green Pfandbrief) separat einen Markenlizenzvertrag mit dem vdp abzuschließen und folgende Mindeststandards einzuhalten, welche in vier Unterkategorien gegliedert werden können.
I) Finanzierung wohnwirtschaftlicher Bestandsimmobilien
Bei der Finanzierung wohnwirtschaftlicher Bestandsimmobilien muss mindestens eines der nachfolgenden Kriterien erfüllt sein.
- Die vorliegende Immobilie muss die Energieeffizienzklasse B (oder höher) haben. Seit 2025 muss die Immobilie mindestens der Energieeffizienzklasse A zugeordnet werden können.
- Der Energiebedarf darf nicht mehr als 75 Kilowattstunden pro Quadratmeter betragen. Seit 2025 gilt dieses Kriterium nicht mehr.
- Die Kofinanzierung erfolgt über KfW-Förderprogramme für energieeffizientes Bauen bzw. Sanieren.
- Der Energieverbrauch/-bedarf liegt innerhalb der niedrigsten 15 % des nationalen oder regionalen Portfolios wohnwirtschaftlicher Immobilien.
II) Finanzierung gewerblicher Bestandsimmobilien
Auch bei der Finanzierung gewerblicher Immobilien gilt als Mindestbedingung die Einhaltung eines der nachfolgenden Kriterien.
- Vergleichswerte, welche das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie sowie das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (7. April 2015) veröffentlicht haben, müssen eingehalten werden. Seit 2025 müssen die Gewerbeimmobilien mindestens der Energieeffizienzklasse A zugeordnet werden können.
- Es liegt ein Nachhaltigkeitszertifikat eines etablierten Anbieters vor, der die Immobilie in eine seiner Topkategorien einordnet.
- Der Energieverbrauch/-bedarf liegt innerhalb der niedrigsten 15 % des nationalen oder regionalen Portfolios von gewerblich genutzten Immobilien (analog der Finanzierung wohnwirtschaftlicher Bestandsimmobilien).
III) Neubaufinanzierungen[5]
- Immobilie liegt in Deutschland: Es werden mindestens die zum Zeitpunkt der Finanzierung gültigen gesetzlichen energetischen Standards für Neubauten eingehalten. Seit 2025 wird gefordert, dass die Immobilie einen Primärenergiebedarf aufweist, der mindestens 10 % unter dem nationalen Standard für Niedrigstenergiegebäude (NZEBs[6]) liegt.
- Immobilie liegt im Ausland: Die vor Ort gültigen nationalen energetischen Standards für Neubauten werden eingehalten. Seit 2025 ist für eine Immobilie im EU-Raum erforderlich, dass sie einen Primärenergiebedarf aufweist, der mindestens 10 % unter dem nationalen Standard für Niedrigstenergiegebäude liegt. Eine Immobilie außerhalb des EU-Raums muss die vor Ort gültigen nationalen energetischen Standards für Neubauten einhalten.
IV) Finanzierung von Renovierungen oder Sanierungen
- Die Reduzierung des Energieverbrauchs beziehungsweise -bedarfs beträgt mindestens 30 %.
- Dabei wird ein Niveau erreicht, das im Einklang mit den Klimazielen der EU steht.
Der vdp prüft diese festgelegten Mindeststandards für Grüne/Green Pfandbriefe regelmäßig, um sie gegebenenfalls aktuellen Marktentwicklungen anzupassen. Das übergreifende Ziel ist es, einen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele zu leisten. Für den Gebäudesektor in Deutschland bedeutet dies eine angestrebte Reduktion des CO2-Ausstoßes auf etwa 70 Mio. Tonnen bis 2030 und die Erreichung der CO2-Neutralität bis zum Jahr 2050.
Das hier beschriebene Grüne-/Green-Pfandbrief-Siegel soll dabei unterstützen, den Banken, die im vdp organisiert sind, mehr Glaubwürdigkeit bezüglich nachhaltiger Aktivitäten zu verleihen sowie die Transparenz für Investor:innen zu erhöhen. Die Standardisierung von Grünen Pfandbriefen kann zudem den Umsetzungsaufwand der einzelnen Banken verringern.
Fazit: Green Bonds sind gekommen, um zu bleiben – Stimmt das?
Der EU GBS ebnet den Weg für ein gemeinsames und konkretes Rahmenwerk zur Emission von grünen Anleihen in der EU. Er spezifiziert bzw. ergänzt die Green Bond Principles der ICMA in einigen Bereichen und integriert insbesondere die Vorgaben der EU-Taxonomie. Auf nationaler Ebene ist zudem der vdp aktiv geworden, um die ICMA- und EU-Standards für den deutschen Pfandbrief zu konkretisieren. Die Initiativen zeigen, dass grüne und nachhaltige Emissionen von Anleihen zunehmend an Relevanz gewinnen.
Zukünftige Emissionen sollten daher nach dem EU GBS erfolgen – mit gleichzeitiger Abdeckung der GBP der ICMA. Für Pfandbriefbanken sollten zusätzlich die vdp-Anforderungen für einen Grünen/Green Pfandbrief berücksichtigt werden.
zeb kann dabei unterstützen, das Green-Bond-Framework einer emittierenden Bank konform mit dem EU GBS aufzusetzen und eine gleichzeitige Abdeckung der GBP sowie gegebenenfalls der vdp-Anforderungen zu gewährleisten. Zusätzlich unterstützen wir bei der Erreichung der Green-Bond-Emissionsfähigkeit z. B. im Rahmen der Business-Case-Rechnung oder bei der Auswahl des passenden Framework-Standards (siehe den zweiten Artikel der Reihe „Green Funding: Weg zur Green-Bond-Emissionsfähigkeit“).