Restrukturierung von Bauprojekten: Interview mit Coopcon

Geraten Bauprojekte in einen gestörten Ablauf, ist dies für Bauherren, Investoren, finanzierende Banken und Kommunen stets eine besondere Herausforderung.

Wie die Möglichkeiten zur Neuorganisation gestörter Projekte erarbeitet und dabei eine größtmögliche Sicherung der Wirtschaftlichkeit für alle Beteiligten erreicht werden können, haben wir mit Dr. iur. Marcus Brößkamp und Dipl.-Ing. Klaus Poppensieker besprochen. Sie haben mit „Coopcon“ praxiserprobte Verfahren in ein strukturiertes Vorgehensmodell überführt.

Herausforderungen bei gestörten Bauprojekten

Dr. iur. Marcus Brößkamp
Dr. iur. Marcus Brößkamp ist Bauprojektmediator und Baujurist aus Münster. Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt in der Streitvermeidung und der Streitbegrenzung. Die Summe der Erfahrungen ist Grundlage des von ihm entwickelten Vertragsmodell CoopCon.

Hallo Herr Dr. Brößkamp, was sind typische Herausforderungen bei gestörten Bauprojekten und wie wirken sich diese auf das Bauprojekt aus?

Bauprojekte können in drei Dimensionen gestört werden: zeitlich wegen technischer oder planerischer Störungen, nutzungstechnisch oder auch schlicht extern. Äußere Umstände wie Zinsniveauänderungen, Inflation oder geopolitische Krisen haben weiterhin in der jüngeren Vergangenheit zu einer allgemeinen Zuspitzung des Immobilienmarkts und damit in der Folge auch zu einer zunehmenden Anzahl von gestörten Bauprojekten geführt.

  • Zeitliche Störungen entstehen meist durch eine Nichterfüllung geplanter Arbeiten durch Unternehmer oder Planer und wirken sich in der Regel unmittelbar auf notwendige Folgeleistungen anderer Beteiligter aus.
  • Nutzungstechnische Störungen stellen den Bauherrn vor die Herausforderung, die geplante Umsetzung des Bauvorhabens aufgrund von unvorhergesehenen Veränderungen hinsichtlich der Nutzbarkeit durchzusetzen.
  • Externe Störungen hingegen können bereits während der Planungsphase auftreten und das Bauprojektvorhaben gefährden. Alle drei Störungstypen stellen jedoch auch Chancen für Bauprojekte und deren Stakeholder dar.

Über Coopcon

Was ist die Idee hinter Coopcon und wie gehen Sie dabei vor?

Treten bei einem Bauvorhaben Störungen auf, denken die meisten Beteiligten als erste Folge an das aktive/passive Claim-Management. Fast immer folgt hierdurch eine Fokussierung auf Ansprüche, und so wird im Geflecht der Projektbeteiligten das zentrale Anliegen – das Realisieren eines Bauvorhabens – verschoben.

Coopcon (Cooperative Construction) als Instrument der Prozesssteuerung steht für kooperative Lösungen und setzt immer die Umsetzung des jeweiligen Bauvorhabens und dessen individueller Anforderungen als oberste Priorität. Dies ist die Konsequenz aus der allseitigen Erfahrung, dass Ablaufstörungen zum einen eine Eigendynamik hinsichtlich der Entwicklung weiterer Störungen haben und zum anderen vor allem die größten Kostentreiber eines Bauvorhabens sind.

Grundlegend bewirken Störungen gleich welcher Art das Erfordernis, mit entscheidungsorientierter und transparenter Kommunikation den Ablauf (neu) zu strukturieren.

Es gibt zwei verschiedene Formen des Intervenierens gegen Störungen bei Bauprojekten:

  • einen vorbeugenden Ansatz zur frühzeitigen Vermeidung von Störungen durch eine entsprechend transparente Struktur eines Projekts von Beginn an.
  • Nach ersten Störungen ist ein Ansatz, diese transparente Struktur zur Verbesserung der Kommunikation zwischen den Beteiligten (Investoren, Bauleitung, Handwerksbetrieben) in deren Zusammenwirken neu aufzustellen.

Die Erfahrung aus gestörten Projekten zeigt, dass die Gestaltung einer zeitnahen Anpassung stets lukrativer ist als die Geltendmachung von Forderungsansprüchen. Daher gilt es, bei gestörten Bauprojekten zunächst zu analysieren, welche Anpassungsmöglichkeiten gefunden werden können, um gemeinschaftlich den Bauprozess möglichst in Gang zu halten und weitere Störungen zu vermeiden.

In jedem Störungsfall ist entscheidend, den weiteren Fortgang des Projekts durch interdisziplinäres Zusammenwirken zu skizzieren und hierbei ggf. alternative Szenarien zu entwickeln. Das Erkennen einer Ursache für eine Störung bedeutet insofern nicht, gleichsam Verantwortung (Verschulden) festzulegen. Derartige Bewertungen können vorbehalten bleiben und nach Fertigstellung einer Entscheidung zugeführt werden.

Dipl.-Ing. Klaus Poppensieker
Dipl.-Ing. Klaus Poppensieker, Gründer und Inhaber von Poppensieker Bauprozess-Steuerung. Als Spezialist für Bauablaufplanung hat er  zusammen mit Dr. iur. Marcus Brößkamp mit „Coopcon“ komplexitätsgerechte Verfahren in ein strukturiertes Vorgehensmodell überführt.

Herr Poppensieker, stellt Ihr Vorgehen nicht nur Mehrkosten für den Bauträger und somit ein zusätzliches Risiko dar?

Hierzu müssen „Mehrkosten“ im Rahmen von Bauprojekten zunächst genauer beleuchtet und in das richtige Verständnis und Verhältnis gesetzt werden. Bereits bei (öffentlichen) Ausschreibungen von Bauprojekten werden aufgrund des unzureichenden Wissens über die Marktentwicklungen auf der Bieterseite und der damit verbundenen Differenzen zwischen Budget einerseits und Submissionsergebnis andererseits Grundlagen für spätere Störungen geschaffen.

Diese stellen sich beispielsweise in auflaufenden Nachträgen und damit Mehrkosten oder auch verzögerten Beauftragungen sowie möglichen Behinderungen dar. Somit steigt bereits zu Beginn das Risiko potenzieller Störungen im Bauverlauf. Die Transaktionskosten zur Lösung solcher Problematiken werden bei Ausschreibungen von Bauprojekten oft aufgrund von fehlendem Know-how zur frühzeitigen Identifikation und Bewertung solcher Abweichungen nicht einkalkuliert.

Wenn eine Entscheidung für einen Ansatz zur Vermeidung oder Lösung von Störungen in Bauprojekten gefällt wird, stellt sich nach einer Erstanalyse stets die Frage der Verhältnismäßigkeit. Beim Abwägen potenzieller Maßnahmen zur Gewährleistung des Bauprozesses müssen diese stets im Verhältnis zum Schweregrad der Auswirkungen stehen. Die Erhöhung oder manchmal sogar Wiederherstellung der Kommunikation zwischen den am Bauprojekt Beteiligten stellt oftmals eine der effizientesten Maßnahmen dar. Je mehr Abstimmungen und Klarheiten durch eine Verbesserung der Kommunikation geschaffen werden, desto besser sind die Chancen für eine Umsetzung von Vertragsanpassungsvorschlägen und eine Vermeidung von endgültig scheiternden Bauprojekten.

Tipps für Banken im Umgang mit gestörten Bauprojekten

Welche Tipps haben Sie für Banken, um mit gestörten Bauprojekten bestmöglich umzugehen?

Vermittlung bei abweichenden Wissensständen:

Eine der am meisten vorkommenden Problematiken sind abweichende Wissensstände der am Bauprojekt involvierten Stakeholder. Oftmals liegen den Investoren weniger Informationen und Know-how über die fachlichen Aspekte des Bauprojekts vor.

Oftmals hat aus Bauherrensicht der Bauunternehmer durch die Verfügbarkeit von mehr Informationen zum Bauvorhaben, -fortschritt und Stand der Ausführung einen Vorteil. Dies kann zu einem Informationsungleichgewicht führen, welches (teilweise gewollte) Störungen des Bauprojekts bewirken kann. Banken können hier durch den Einsatz von fachgebietsnahen Intermediären hinsichtlich der unterschiedlichen Wissensstände vermitteln und Lösungen zur Behebung von Problemen schnell und vor allem zeitnah erarbeiten, um den Fortschritt des Bauprojekts zu gewährleisten.

Monitoring der Geldverwendung:

Oftmals benötigt es zur Zustimmung einer Finanzierung das Vorlegen eines unterschriebenen Generalunternehmervertrags. Dies kann dazu führen, dass zur Sicherung der Finanzierung die Generalunternehmerverträge nicht im gleichen Detailgrad wie bei Einzelunternehmungen ausgeplant werden oder in manchen Fällen eine bewusste Planung mit Lücken zur späteren Ausgestaltung vorgenommen wird. Damit kann sich die Komplexität bei der Kontrolle der Mittelverwendung erhöhen.

Oftmals wird auf die Verwendung des Gesamtgelds geachtet, jedoch der Einzelprojektbezug vernachlässigt oder nicht priorisiert. Sollte es durch eine anschließend auftretende Störung des Bauprojekts zu einem Versuch der Beanspruchung von Leistungen durch eine Bauhandwerkersicherung kommen, gelten deren Ansprüche meistens nicht für die Sicherheitenabsicherung aus Bankensicht.

Daher sollten Banken das Erfordernis der Sicherheitenabsicherung stets integrieren (z. B. in Form einer Kooperation mit einer Versicherung) und im Vorhinein diese Aspekte mit den jeweiligen Bauherren besprechen. Banken sollten zudem selbst oder mittels externer Unterstützung die Leistungsstände technisch und wirtschaftlich kritisch hinterfragen können und vor diesem Hintergrund eine eigene Sensibilität für die ordnungsgemäße Verwendung von Baugeld im finanzierten Projekt haben.

Projekte sind soziale Gebilde:

Werden die Projekte nicht gewissermaßen als von außen zu steuernde Einheiten verstanden, sondern als soziale Gebilde, in denen gerade leitenden Personen eine besondere Verantwortung zukommt, so entstehen äußerst positive Dynamiken. Informationstransparenz und die Nutzung der Mitarbeiterpotenziale auf allen Ebenen führen nachweislich zu kaum für möglich gehaltenen Ergebnissen, selbst bei schwierigen Projekten.

Besicherung am Projekt bedingt Sicherung des Projekts:

Bevor Banken in regulatorische Vorgaben flüchten, ist ein einfacher Grundsatz zu verinnerlichen: Wenn eine Bank ein Bauprojekt finanziert und es besichert, dann ist die Besicherung nur werthaltig, wenn das Projekt fertiggestellt wird!

USP von Coopcon

Was unterscheidet Ihr Vorgehen von anderen Ansätzen?

  1. Wir verinnerlichen die Stellung der Projektinteressen, die auch immer eine transparente Harmonisierung der Interessen aller Beteiligten umfasst und bedingt.
  2. Wir berücksichtigen das Projekt auch als soziale Struktur, sodass ein Gelingen nicht durch Organigramme und Zeitpläne gesichert wird, sondern durch transparente, auf das Projekt bezogene Führung.
  3. Wir leiten notwendige Entscheidungen her, statt die Notwendigkeit von Entscheidungen in Prozessen zu verwalten.
  4. Nein zu „Jetzt erst recht“ – wir stellen Regressansprüche nicht ins Abseits, sondern trennen deren Verfolgung vom technisch umsetzbaren Bauablauf.

Vielen Dank für diese tiefgreifenden Einblicke und Ihre Meinungen in diesem Gespräch! Wir wünschen Ihnen viel Erfolg auf dem künftigen Weg mit Coopcon!

Sprechen Sie uns gerne an!

Bastian Walkhoff/ Autor BankingHub

Bastian Walkhoff

Expert Partner Office Hamburg
Janpeter Sturm / Autor BankingHub

Janpeter Sturm

Senior Consultant Office München

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