Agile Führung – Kontrollieren Sie noch oder vertrauen Sie schon?

Was macht eigentlich eine gute Führungskraft aus? Wie funktioniert Führung in agilen Organisationen? Und wie kann ein Unternehmen erfolgreiche Führungskräfte formen? In unseren zahlreichen Kulturanalysen („zeb.culture check“) stellen wir immer wieder fest, wie wichtig und kulturprägend Führung in allen Organisationen gesehen wird und auch tatsächlich ist. Wir erkennen aber auch sehr häufig, dass die Qualität der Führung als nicht ausreichend bewertet wird.

Neue Führungspraxis notwendig

Werden Führungskräfte selbst befragt, wird das Ergebnis nicht besser – im Gegenteil: 78 % der Chefs sind überzeugt, dass in Deutschland trotz aller Erfolge eine grundlegend andere Führungspraxis notwendig ist. Weniger als ein Drittel der befragten Führungskräfte hält eine rein auf Effizienz und Profit ausgerichtete Führung für ideal.[1] 

Wir wollen Ihnen mit diesem Artikel nicht nur die Grenzen „klassischer“ Führung zeigen, sondern auch Antworten geben, wie die Rolle der Führungskraft der Zukunft aussieht und wie Sie Ihre Führungskräfte zum Umdenken bewegen können.

Grenzen „klassischer“ Führung

Die klassische Form der Führung basiert – verkürzt und vereinfacht gesagt – auf dem Top-down-Prinzip. Das bedeutet, die Führungskraft gibt Anweisungen an ihre in der Hierarchie tiefer stehenden Mitarbeiter/-innen[2] zur Ausführung weiter. Insbesondere im Rahmen der Industrialisierung maximierte dieses Prinzip die Produktivität, synchronisierte den Arbeitsablauf der Organisation und war so ein wesentlicher Erfolgstreiber.

Heute verändern sich die Märkte immer schneller, werden weniger vorhersehbar und zunehmend komplexer („VUKA“– „Agile Transformation – Buzzword oder Zukunftssicherung?“). So wird das oben genannte Unbehagen der Führungskräfte nachvollziehbar: „Irgendetwas läuft hier schief!“

Denn auch die Anforderungen an Führungskräfte in Organisationen werden komplexer. Verantwortung wird vermehrt nach oben delegiert, und immer mehr Melde- und Entscheidungswege verdichten sich auf nur wenige Personen an der Spitze. Dort müssen die Entscheidungen aufgrund der fehlenden Zeit und trotz der vorherrschenden hohen Komplexität auf Basis weniger Fakten getroffen werden. Paradoxerweise haben Führungskräfte dadurch zwar viel Macht und Entscheidungsbefugnisse, allerdings bewirken sie verhältnismäßig wenig. Stattdessen erstarren viele Unternehmen förmlich durch bürokratische Hindernisse und Grabenkämpfen.

Frederic Laloux, ehemaliger McKinsey-Berater, der heute für sinnstiftende Formen der Zusammenarbeit wirbt, vergleicht diesen Sachverhalt mit unserem Gehirn: Millionen von Zellen werden nicht durch einen Vorgesetzten zusammengehalten, sondern durch vorgegebene Strukturen. Müsste jede Entscheidung von einer Stelle aus getroffen werden, würde unser Gehirn an dieser Komplexität scheitern.

In diesem Zusammenhang entstehende Fehlanreize und die resultierende mangelnde Innovationskraft nimmt auch Tom Fishburn sehr anschaulich „aufs Korn“:

Entstehende Fehlanreize in bürokratischen Strukturen / Agile Führung / BankingHubAbbildung 1: Entstehende Fehlanreize in bürokratischen Strukturen

Erkennen Sie die handelnden Personen? Können Sie jedem Kästchen einen Namen geben? Oft ist genau das die Reaktion unserer Kunden auf dieses Bild.

Die erste Antwort: zeitgemäße Führung

Schnell leuchtet ein, dass es so nicht (mehr) geht. Führungskräfte müssen sich auf ihre Kernfunktion besinnen: Sie müssen Mehrwert stiften. Tun sie das für die Mitarbeiter nicht, sind sie keine Führungskräfte, sondern nur Vorgesetzte. Dieser Mehrwert kann fachlich sein, in der Persönlichkeitsentwicklung oder in der Karriereförderung liegen. Das klingt so einfach und logisch, doch wird in Führungskräftecoachings nach dem eigenen Mehrwert gefragt, wird es nicht selten einsilbig und still.

Was also macht eine zeitgemäße Führung aus? Drei Handlungsdimensionen sind entscheidend:

  1. Sei Vorbild und gebe die Richtung vor! Klingt einfach, ist aber mächtig. Eine Führungskraft muss sich immer klar sein, dass sie in allem Tun kulturprägend für den Einzelnen, das Team und die Organisation ist. Fisch, Kopf und Geruch bilden die bekannte Einheit.
  2. Mach deinen Mitarbeiter besser! Nicht Kontrolle oder gar „kleinhalten“ – sondern größer und besser machen ist die zweite Kernaufgabe einer Führungskraft.
  3. Verbessere die Zusammenarbeit! Je nach Hierarchiestufe sind das Team, die Abteilung, der Bereich und immer das jeweils Übergreifende gemeint. So wird (Silo-)Egoismen begegnet und das Miteinander im Sinne des Unternehmens gefördert.

Aber was ist mit Motivation? Muss die gute Führungskraft die Mannschaft nicht auch anfeuern? So wie Jürgen Klopp am Spielfeldrand die Spieler zu Höchstleistungen anspornt?

Nein, muss sie nicht. Motivation ist etwas Intrinsisches, sie ist dem Menschen innewohnend. Was eine Führungskraft sehr wohl aber kann und auch tun muss: Demotivierende Faktoren verhindern bzw. ausräumen und Freiräume schaffen.

Also, lösen Sie sich von alten Gewohnheiten und werden Sie jetzt aktiv. Noch stärker als früher ist es wichtig, Teams Freiräume, Sinn und Leitplanken zu geben. Aufgaben zu delegieren und den Rahmen abzustecken, sodass Teams eigene Entscheidungen treffen können. Vertrauen Sie Ihren Mitarbeitern. Verstehen Sie sich selber als eine Art „Coach“, der das Team zur Höchstleistung befähigt, statt als Kontrollinstanz. Sie begleiten weiterhin den Prozess, geben wertvolle Impulse und unterstützen bei Bedarf. Eine gute Führungskraft versteht, dass sie nicht klüger ist als das Team und handelt auch nicht so. Vielmehr versteht sie es, die Intelligenz des Teams zu moderieren, zu fördern und dem Ganzen einen übergreifenden Sinn zu geben.

Die zweite Antwort: agile Führung

Agile Organisationen rücken die intrinsische Motivation eines Menschen und das innere Bedürfnis nach Eigenständigkeit noch weiter in den Mittelpunkt und basieren somit auf einem positiven Menschenbild.

Hierarchische Organisationen vs. agile Organisationen / Agile Führung / BankingHubAbbildung 2: Hierarchische Organisationen vs. agile Organisationen

In agilen Organisationen arbeiten Teams als eigenverantwortliche und selbstorganisierte Einheiten innerhalb grundsätzlicher Normen. Führung muss sich diesem Grundsatz anpassen und ihn darüber hinaus immer wieder vorleben und stützen. Die Entscheidungsmacht ist demnach nicht mehr gebunden an die Position, sondern wird in den Teams angesiedelt, in denen das Wissen tatsächlich vorliegt. Dementsprechend sind entscheidungsrelevante Informationen aktiv an die Teams zu kommunizieren und nicht als Machtinstrument in der Hierarchie einzusetzen.

Bedeutet das jetzt, dass wir in agilen Organisationen keine Führungskräfte mehr benötigen? In der Tat ist agile Führung nicht mehr zwingend an eine Person gebunden, sondern verteilt deren Aufgaben kompetenzbasiert (methodische, fachliche, personale Führung) im Team. Und ja, solche Modelle existieren bereits in der Praxis. Beispielsweise organisiert sich Buurtzorg, ein holländisches Unternehmen in der hochregulierten Branche für Pflegepersonal, komplett eigenständig in kleinen dezentralen Teams von acht bis zehn Mitarbeitern. In den Teams gibt es keine Teamleitung, stattdessen werden die Managementaufgaben auf die Mitglieder aufgeteilt. Wissen sie einmal nicht mehr weiter, können sie auf einen „Coach“ zurückgreifen. Dieser ist lediglich dazu da, den Mitarbeitern zu helfen. Mit dieser außergewöhnlichen Organisationsstruktur agiert das Unternehmen erfolgreich mit 14.000 Mitarbeitern – ohne eine einzige Führungskraft (siehe auch Deutschland sucht den agile Coach).

Aber keine Sorge, liebe Führungskräfte: Das bedeutet nicht, dass in Zukunft keine Managementaufgaben mehr existieren oder alle Mitarbeiter tun und lassen können, was sie möchten. Wichtig ist vielmehr die Veränderung hin zu einem „agilen“ Verständnis.

„Ein Chef erklärt heute nicht mehr, wie Dinge gemacht werden müssen. Er gibt die Strategie vor und ermöglicht der Mannschaft dann, die Aufgaben so zu lösen, wie sie es für richtig hält.“

Carlos Torres Villa (Chef des Verwaltungsrates BBVA)

Und damit sind wir wieder ganz nah an dem, was wir „zeitgemäße Führung“ nennen. Das Führungsverständnis kann wie folgt zusammengefasst werden:[3]

Führungskräfte treten nicht mehr in den Vordergrund und nehmen sich zurück / Agile Führung / BankingHubAbbildung 3: Führungskräfte treten nicht mehr in den Vordergrund und nehmen sich zurück

Unser zeb-Anspruch

Sie wünschen sich, dass auch bei Ihnen eine moderne und agile Form der Führung gelebt wird? Führungskräfte sollten besonders in die Ausgestaltung agiler Führung eingebunden werden („Betroffene zu Beteiligten machen“). Der erste Schritt ist, dass Ihre Führungskräfte auf der allgemeinen und persönlichen Ebene verstehen, warum der „klassische“ Führungsstil an seine Grenzen stößt. Dieser Teil gestaltet sich für Manager besonders schwer, die den langen hierarchischen Weg in einer „Kaminkarriere“ nach oben geklettert sind und daraus auch ihre Identitätsstiftung ziehen.

Im nächsten Schritt sollten die Mitarbeiter seitens der Entscheider durch eine Bottom-up-Bewegung miteinbezogen werden. Eine offene und konsequente Kommunikation zwischen Management und Mitarbeitern verschafft Klarheit und Transparenz.

Der Wandel wird begleitet von individuellem Kompetenzaufbau, denn mit Sicherheit wird eine einzelne Maßnahme nicht ausreichen. Stattdessen kann durch das Zusammenspiel von verschiedenen Coaching- und Trainingselementen in Selbstreflexion und Gruppenaktivitäten ein Umdenken erreicht werden.

Machen Sie Ihren Führungsanspruch verbindlich, verankern Sie ihn vielfältig in Ihren Steuerungssystemen, machen Sie ihn alltagsrelevant. Starten Sie jetzt den ersten Schritt in Richtung „agile Organisation“ und befähigen Sie Ihre Führungskräfte. Wir begleiten Sie dabei gerne als Partner an Ihrer Seite.

Sie wollen vorher wissen, wie agil Ihr Unternehmen bereits ist – und dies nicht nur, aber auch im Bereich Führung? Dann führen Sie doch unseren „Agile Readiness Check-up“ aus, den Onlinecheck mit Sofort-Auswertung.

 

 

[1] Studie BMfAS (2013).
[2] Im Folgenden „Mitarbeiter“.
[3] Grote, Sven und Goyk, Rüdiger (2018): Agile Führung – das neue Gutwort im Management?

Was macht eine gute Führungskraft für Sie aus? Welches Potenzial sehen Sie in einer agilen Führung?

Sprechen Sie uns gerne an!

Alexander Aretz / Autor BankingHub

Alexander Aretz

Senior Manager Office Frankfurt
Martin Fürst / Autor BankingHub

Martin Fürst

Senior Manager Office Frankfurt

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