Asset Management: Anlageprodukte zw. Netflix, TikTok & Co.

Im Rahmen des Privatkundengeschäfts sehen sich Asset Manager derzeit einer schwächelnden wirtschaftlichen Dynamik, abnehmender Sparfähigkeit, dem Bedeutungsverlust des Beratungsgeschäfts und einem zunehmenden Digitalisierungsbedarf ausgesetzt.

Wie Thomas Rowe Price einst sagte, ist es „[…] besser, früh als zu spät zu sein, um das Ende einer Ära anzuerkennen, das Nachlassen alter Anlagefavoriten und den Beginn einer neuen Ära, die dem Investor neue Möglichkeiten eröffnet“ – kann man also in Anbetracht der sich verändernden Rahmenbedingungen vom Ende einer Ära sprechen?

Die Antwort kann je nach Leser:in unterschiedlich ausfallen – jedoch ist es nie zu früh, bisher gut funktionierende Vertriebsansätze zu hinterfragen. Im Folgenden werden die Attraktivität von Kundengruppen, Kundenbedürfnisse, etablierte Produktkonzepte und Vertriebswege auf die Probe gestellt – quo vadis, Privatkundengeschäft im Asset Management?

Wie entwickelt sich der Markt und was bedeutet das für Asset Manager?

Die anhaltende, außergewöhnlich hohe Volatilität an den internationalen Kapitalmärkten sorgt für zunehmende Verunsicherung im Privatkundengeschäft – sowohl bei Kunden als auch bei Anlageberater:innen. Inflationsraten auf Rekordniveau, verbunden mit der weltweiten Zinswende, verringern die Spar- und Investitionsfähigkeit, läuten die Rückkehr des Einlagengeschäfts ein und beeinflussen die Nachfrage nach alternativen Assets positiv. Kunden und Berater:innen sind beunruhigt und sehen Risiken aus Geopolitik, Technologie und Nachwirkungen der COVID-19-Pandemie als wesentliche Grundlagen für ihre Anlageentscheidungen.

Diese Entscheidungen werden zunehmend über nicht traditionelle Kanäle getroffen – nach drei Jahren Pandemie sind Kunden es gewohnt, jegliche Geschäfte digital von zu Hause abschließen zu können, so auch ihre Anlagegeschäfte. Kunden recherchieren selbst und investieren dementsprechend in Eigenregie: die Relevanz klassischer Vertriebskanäle, wie z. B. der Bankfiliale, wird immer mehr infrage gestellt.

Kunden suchen nach Anlagelösungen, die trotz der turbulenten Marktbedingungen einen absoluten, risikoadjustierten Mehrertrag liefern. Sie wünschen sich dabei größtmögliche Flexibilität, da klassische „buy and hold“-Strategien aufgrund des geänderten Lebenswandels und Kapitalnutzungsverhaltens nicht mehr zeitgemäß erscheinen.

All diese komplexen Marktgegebenheiten stellen Asset Manager vor große Herausforderungen – mit welchen Produkten sollen sie Kunden ansprechen? Über welche Vertriebskanäle? Das immer wieder diskutierte Provisionsverbot hängt wie ein Damoklesschwert über bestehenden Vertriebsbindungen zwischen Asset Managern und Banken. Eine ganzheitlich neue Betrachtung der Vertriebsstrategie ist daher dringend zu evaluieren.

Welche Kunden- und Altersgruppen sind attraktive Zielkunden?

Eine stringente, gelebte Kundensegmentierung ist zentrale Grundlage für den Erfolg eines Asset Managers – schließlich lassen sich Produkte nur unter Berücksichtigung individueller Bedürfnisse und Präferenzen erfolgreich konzipieren und platzieren. In die Kundensegmentierung fließen einerseits die Vermögensverhältnisse des Kunden ein, die oft auch Aufschluss über das grundsätzliche Nutzungsverhalten hinsichtlich Vertriebskanälen, Beratungsbedarf, Standardisierung versus Individualisierung und Preissensibilität geben. Andererseits ist die Unterscheidung zwischen verschiedenen Altersgruppen für eine zielgruppengerichtete Ansprache unumgänglich.

  • Klassische Private-Banking-Kunden sind für Asset Manager schwieriger adressierbar, da sie meist eine enge Bindung zu ihren Kundenberater:innen haben und von diesen aufgrund der großen Ertragsmöglichkeit auch durchgehend aktiv bespielt werden. Großes Potenzial hat die Kundengruppe darunter: Die sogenannten Affluent-Kunden zeichnen sich durch eine stabile Spar- und Investitionsfähigkeit aus, werden aber deutlich weniger aktiv betreut als Private-Banking-Kunden und stellen daher eine zentrale Zielkundengruppe für Produkthersteller dar.
  • Auch im Mass-Retail-Geschäft kann trotz sinkender Spar- und Investitionsfreudigkeit durch Innovation, Standardisierung und Digitalisierungsfortschritt gepunktet werden: Leicht verständliche, einfache Robo-Advisory-Produkte, verpackt in ansprechenden digitalen Lösungen, erschließen hier weiteres Vertriebspotenzial.
  • Nicht zu vergessen ist innerhalb der Kundensegmentierung das Thema Alterspyramide – Werte, Lebenszyklus sowie Investitions- und Finanzierungsinteressen sind im Wandel. So haben die Generationen Y/Z schon jetzt zunehmend Bedarf an innovativen Finanzprodukten, tätigen bereits ihr erstes Veranlagungsgeschäft und sind aktiv an den Geschehnissen der weltweiten Kapitalmärkte interessiert. Oft holen sie sich Investmentideen aus den sozialen Medien, verfolgen die neuesten Trends um „Krypto, Alternatives und Immos“ aktiv und fragen daher ein modernes, auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenes Produkt- und Leistungsangebot an.

Um auf kurze sowie lange Sicht als Asset Manager Vertriebserfolge verzeichnen zu können, ist es unabdingbar, sich auf die richtigen Kundengruppen zu fokussieren. Affluent-Kunden werden insbesondere in den kommenden Jahren aufgrund ihrer Sparfähigkeit eine wichtigere Rolle spielen und auch darüber hinaus vor allem in Krisenzeiten für Resilienz sorgen. Junge Anleger:innen hingegen gilt es, auf lange Sicht für sich zu gewinnen. Zusammengenommen ist es also unumgänglich, junge Affluent-Kunden (oder: junge Vermögende) als neue Zielgruppe ins Visier zu nehmen und ein attraktives Leistungsangebot zur Verfügung zu stellen.

Wie gestaltet sich das optimale Leistungsangebot für junge Vermögende?

Um junge Vermögende anzusprechen und als Kunden zu gewinnen, gilt es, ein dezidiertes Leistungsangebot zu entwickeln. Dabei sind neben den verschiedenen Anlegertypen auch die Anlagemotive von jungen Vermögenden sowie deren Erwartungshaltung an Produkte und Services zu berücksichtigen.

Grundsätzlich unterscheidet man zwischen drei verschiedenen Anlegertypen – den Delegierern, den Beratungskunden und den Selbstentscheidern:

  • Delegierer zeichnen sich dadurch aus, dass sie wenig Zeit in Finanzentscheidungen investieren können oder wollen und daher oftmals Sparpläne abschließen oder ihr Geld im Rahmen von Mandaten verwalten lassen.
  • Beratungskunden hingegen nutzen nach wie vor die klassische Bankberatung, treffen ihre finale Anlageentscheidung aber selbstständig.
  • Selbstentscheider zeichnen sich durch hohe Kapitalmarktaffinität und den Verzicht auf klassische Beratung aus. Ihre Anlagegeschäfte tätigen sich ausschließlich auf digitalen Wegen.

Im Angesicht von Trade Republic, zunehmender Beliebtheit von Kryptowährungen und Co. wird jungen Anleger:innen oftmals nachgesagt, sie hätten keine seriösen Anlagemotive und würden zocken. Wie mehrere Studien jedoch belegen, ist das Gegenteil der Fall – junge Vermögende legen ihr Geld vorrangig mit dem Ziel der Erhaltung und des Ausbaus der Konsumfähigkeit sowie der Absicherung in allen Lebenslagen an.

Aus dem Zusammenspiel von Anlegertypus und Anlagemotiven ergeben sich individuelle Erwartungshaltungen an Produkte und Services – einige Eckpunkte in der Produktgestaltung sind jedoch grundsätzlich wichtig:

  • Zunächst schätzen junge Vermögende Einfachheit und Transparenz – schwierige Produktbezeichnungen und -erklärungen sowie undurchsichtige Kostenstrukturen sind ein klares No-Go.
  • Darüber hinaus sind jungen Vermögenden spezifische Themen wie Nachhaltigkeit, Innovation und Digitalisierung wichtig.
  • Schließlich sollten die Kundenbedürfnisse im Fokus stehen – in Form von individuell zugeschnittenen Anlagevorschlägen oder individualisierbaren Produkten à la Netflix und Spotify.

Die genannten Aspekte spiegeln sich im marktweiten Produktangebot für junge Vermögende wider. Best-in-Class-Produkte vermitteln Anleger:innen mittels umfangreicher Präferenzabfragen sowie eines breiten Spektrums an Themenschwerpunkten und Assetklassen das Gefühl von Individualisierung. Beispiele für thematische Schwerpunkte sind Smart Cities oder Wasser, Beispiele für ein breites Spektrum an Assetklassen sind vor allem alternative Assets wie Kryptowährungen und Sachwerte. Abgerundet wird ein solches Produkt- und Serviceangebot meist durch einen Markenauftritt, der sich klar vom klassischen Angebot für das Retailsegment abgrenzt. Dies geschieht beispielsweise durch eine schlichte und elegante Markenpräsenz, höhere Zugangsbarrieren im Sinne von Mindestanlagesummen und Gebühren oder auch durch Beyond-Banking-Angebote.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das optimale Leistungsangebot für junge Vermögende im Kern ein auf die Zielgruppe maßgeschneidertes Produkt beinhaltet. Dieses sollte sich in erster Linie durch Einfachheit und Transparenz – z. B. anhand verständlicher Produktbezeichnungen und transparenter All-in-Fees – auszeichnen. Investmentschwerpunkte sollten thematische Relevanz besitzen und den Anleger:innen die Möglichkeit zur individuellen Portfoliozusammenstellung bieten. Schließlich sollte das Produktangebot durch einen hochwertigen und modernen Markenauftritt, der sich klar von Retailangeboten abgrenzt, unterstützt werden.

Über welche Vertriebskanäle gewinnt man junge Vermögende?

Neben einem passenden Produktangebot ist es wichtig, jungen Vermögenden den Zugang zu ihren präferierten Vertriebswegen zu ermöglichen und größtmögliche Flexibilität zu gewährleisten.

Dabei ist wenig überraschend, dass Recherche und Information zu Investmentmöglichkeiten vorranging selbstständig auf digitalen Kanälen stattfinden. Mit dem stationären Vertriebskanal lassen sich junge Vermögende hingegen nur schwer erreichen – die Hürde des Bankbesuchs ist zu hoch, und gute Investmentprodukte finden sich bereits einfach und unkompliziert zugänglich im Internet. Neben der Recherche werden auch Transaktionen fast ausschließlich online getätigt.

Die Tatsache, dass junge Vermögende eine sehr starke Tendenz zu Onlinekäufen zeigen, führt auf lange Sicht zu Problemen für Asset Manager mit stationären Vertriebskanälen und macht eine ganzheitliche Digitalisierung des Vertriebs unumgänglich – ob in Eigenregie oder in Kooperation mit stationären Vertriebspartnern. 

In Anbetracht der verschiedenen Anlegertypen wäre es sinnvoll, eine digitale Vertriebsplattform mit unterschiedlichen Nutzeroberflächen zu schaffen bzw. zu nutzen:

  • Für Delegierer wäre eine Plattform mit Schieberegler-Logik im Look-and-feel von Robo-Advisors möglich.
  • Für Beratungskunden bietet sich eine Plattform an, auf der sie problemlos mit Berater:innen in Kontakt treten und sich in einer gemeinsamen Ansicht über Produkte informieren können.
  • Für Selbstentscheider ist der Vertrieb auf Trading-Plattformen sinnvoll.

YouTube, Instagram, TikTok – die Aufmerksamkeitsspanne der jüngeren Generation wird immer kürzer. Dagi Bee, PietSMiet und ihren Kolleg:innen gelingt es dennoch, Aufmerksamkeit zu generieren, das Publikum für sich zu begeistern und eigene Produkte erfolgreich zu vertreiben. Was Asset Manager hieraus lernen können und wie sie es schaffen, sich vom Wettbewerb abzuheben, wird im Folgenden beleuchtet.

  1. Im ersten Schritt ist es wichtig, die Zielkunden zu verstehen – dazu gehören neben Anlagemotiven und Produkterwartungen auch Themen abseits der Finanzwelt. Welche Sorgen und Ziele treiben die jüngere Generation um? Die meisten Influencer:innen haben gemeinsam, dass sie genau diese Sorgen und Ziele verstehen und ihrem Publikum auf Augenhöhe begegnen. Für Asset Manager bedeutet dies, dass sie sich aktiv mit Aspekten wie Gap Years und Sabbaticals, Hausbau und Vorsorge für den Nachwuchs, Pflege der Eltern und frühzeitig angestrebter Pensionierung beschäftigen sollten. Werbekampagnen müssen diese Sorgen und Ziele aufgreifen und Lösungen in Form von passenden Anlageprodukten promoten. Zudem sind Berater:innen entsprechend zu schulen und für neuartige Themen zu sensibilisieren.
  2. Darüber hinaus müssen die Werbebotschaften auf die richtige Art und Weise kommuniziert werden. Im engeren Sinne bedeutet das, Werbekampagnen sowie Produktinformationen möglichst einfach und transparent zu gestalten. Im weiteren Sinne gehören dazu sowohl die Wahl des Werbekanals, bei der es gilt, den goldenen Mittelweg zwischen Erreichbarkeit und Seriosität zu finden, als auch der Aufbau eines modernen Image, unterstützt durch eine zeitgemäße und dynamische Bilderwelt.

Eine zielgerichtete Kundensegmentierung, die Schaffung von Bewusstsein und Verständnis für unterschiedliche Kundenbedürfnisse, der Aufsatz eines darauf basierenden Produktangebots und der Ausbau digitaler Vertriebswege sind eine lange Reise. Asset Manager müssen sich entsprechend frühzeitig mit einer Refokussierung ihres Vertriebs beschäftigen.

zeb hat als langjähriger Partner zahlreicher Asset Manager und mit Arbeitsschwerpunkten wie Digitalisierung, Restrukturierung sowie (agiler) Transformation die entsprechende Erfahrung und Expertise, um auch Sie bei diesen Schritten zu begleiten.

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Wolfgang Schlaffer / Autor BankingHub

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