ESG Integration bei der EB-SIM
Hallo Herr Höck, Sie sind nun bereits seit 2020 Head of ESG Integration bei der EB-SIM. Welche Aufgaben umfasst diese Position denn genau?
Unter ESG-Integration wird die explizite und systematische Einbeziehung von ESG-Aspekten in Investitionsentscheidungen verstanden. Das Aufgabenspektrum in diesem Bereich ist tatsächlich sehr vielfältig und unterscheidet sich je nach institutionellem Setup und Organisationsstruktur teilweise stark.
Ein Aufgabenfeld mit wachsender Bedeutung ist mit Sicherheit die Einhaltung von regulatorischen Anforderungen wie beispielsweise MiFID II oder der Offenlegungsverordnung. Aber auch die Weiterentwicklung und Optimierung von Investmentprozessen spielen eine wichtige Rolle. Das kann beispielsweise die Auswahl von passenden Datenanbietern inklusive der Analyse der jeweiligen Stärken und Schwächen beinhalten.
Es geht aber auch ganz grundsätzlich darum, Entwicklungen auf dem Gebiet Sustainable Finance zu beobachten und zu schauen, wohin sich die Marktstandards entwickeln. Meine Aufgabe ist es, sicherzustellen, dass wir ein Vorreiter im Bereich Sustainable Finance bleiben und Nachhaltigkeit möglichst ganzheitlich in die Investmentstrategien integrieren.
Eine weitere Tätigkeit, welche in meinen Aufgabenbereich fällt, ist die Pflege unserer Forschungs- und Lehrkooperationen mit den Universitäten Kassel, Hamburg und Gießen. Beispielsweise betreuen wir Masterseminare zu den Themen Sustainable Finance und Impact Investing. Die Verknüpfung von Forschung und Praxis hat sich für uns in der Vergangenheit als vorteilhaft erwiesen. Der Austausch mit Studierenden gibt uns oftmals neue Impulse und ermöglicht uns, frühzeitig Kontakt zu Talenten aufzunehmen. Zusätzlich können wir durch unsere Forschungsprojekte unsere Produkte und Prozesse stetig weiterentwickeln und am aktuellen Stand der Wissenschaft ausrichten.
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Unterschied zwischen ESG Investing und Impact Investing
Wir wollen heute über Impact Investing sprechen. Was ist eigentlich der Unterschied zwischen ESG Investing und Impact Investing und inwieweit hängen diese beiden Themen zusammen?
Zunächst einmal kann im Bereich Sustainable Finance zwischen drei Nachhaltigkeitsdimensionen unterschieden werden: Werteorientierung, Integration und Wirkungsorientierung.
- Bei der Werteorientierung stehen Exklusionskriterien im Vordergrund. Hier werden Unternehmen ausgeschlossen, die einem vorher definierten Wertekompass widersprechen. Beispielsweise werden dann grundsätzlich keine Investitionen in die Rüstungsindustrie oder in Staatsanleihen aus Ländern, in denen es noch immer die Todesstrafe gibt, getätigt.
- Die zweite Nachhaltigkeitsdimension „Integration“ stellt den nächsten Entwicklungsschritt dar. Anstatt einer Beschränkung auf Ausschlusskriterien werden hier Nachhaltigkeitsindikatoren aktiv in die Unternehmensbewertung und Portfoliokonstruktion einbezogen.
- Bei der dritten Nachhaltigkeitsdimension „Wirkungsorientierung“ müssen klare Nachhaltigkeitsziele, welche mit dem Investment erreicht werden sollen, erkennbar sein.
Bei der Wirkungsorientierung wird dann weiter differenziert zwischen Investments, die wirkungskompatibel sind (engl. „impact-aligned“), und solchen, die wirkungseffektiv sind (engl. „impact-generating“). Eine Investition ist wirkungskompatibel, wenn sie klar an Nachhaltigkeitszielen ausgerichtet ist und einen wesentlichen, aber nicht direkt messbaren Beitrag zur Erfüllung dieser Ziele leistet. Wirkungseffektiv sind Investitionen, wenn Investierende durch diese einen aktiven und messbaren Beitrag zur Zielerreichung beisteuern.
Lediglich bei solchen Investitionsstrategien, welche nicht nur den Anforderungen der ersten und zweiten Nachhaltigkeitsdimension entsprechen, sondern auch eine Wirkungsorientierung aufweisen, handelt es sich um echtes Impact Investing. Investitionen, die nur die Anforderungen der ersten oder zweiten Nachhaltigkeitsdimension erfüllen, bezeichnet man hingegen auch als ESG-gescreente bzw. ESG-gemanagte Investments.
Private-Equity- und Venture-Capital-Fonds können direkt Einfluss auf die investierten Unternehmen nehmen. Bei Public Equity profitiert das Portfoliounternehmen von meinem Investment aber streng genommen nur beim IPO und bei Kapitalerhöhungen. Wenn ich Aktien eines bereits gelisteten Unternehmens kaufe und meine Anteile vor der nächsten Kapitalerhöhung verkaufe, habe ich dann überhaupt einen Impact auf das Unternehmen gehabt?
Nun, hier spielt die eben beschriebene Unterscheidung zwischen „wirkungskompatibel“ und „wirkungseffektiv“ eine wichtige Rolle. Strategien zur Investition in liquide Anlageklassen (Aktien, Anleihen etc.) können kaum das Kriterium der Wirkungseffektivität erfüllen, sie können aber sehr wohl wirkungskompatibel sein.
In liquide Anlageklassen Investierende haben zwar keinen direkten realwirtschaftlichen Einfluss, sie haben aber dennoch einen Einfluss auf das Unternehmen. Zentrale Wirkung kann zunächst einmal über die Kapitalallokation erreicht werden. Gezielte Investitionen in grüne Unternehmen und solche, die innerhalb eines Transformationsprozesses nachhaltiger werden wollen, ermöglichen diesen Unternehmen, Kapital günstiger aufzunehmen, als es die Konkurrenz kann. Das ist erstmal ein Wettbewerbsvorteil.
Aber auch wenn ein Unternehmen gerade kein neues Kapital aufnimmt, ist eine Einflussnahme möglich. Eine wichtige Rolle spielen hier Strategien im Bereich Active Ownership. Diese umfassen beispielsweise die aktive Stimmrechtsausübung, aber auch Engagement-Ansätze, bei denen man in den Dialog mit einem Unternehmen tritt und es bei der Transformation zu einem nachhaltigeren Geschäftsmodell begleitet.
Letztendlich geht von Impact-Fonds-Investments aber auch eine Signalwirkung aus. Meiden Fondsmanager/-innen von nachhaltigen Anlageprodukten ein Unternehmen, kann das für den Vorstand unangenehme Fragen nach sich ziehen. Ist ein Unternehmen andersherum gerade bei nachhaltigen Fonds beliebt, wird dies auch gerne für Marketingzwecke genutzt.
Impact Investing durch Active Ownership
Stichwort: Active Ownership und Stimmrechtsausübung. Wie können auch kleinere Asset-Management-Firmen ihre Stimmrechte für Impact Investing sinnvoll nutzen? Ist es nicht eine große Herausforderung, zu ermitteln, für was im Sinne der Nachhaltigkeit abgestimmt werden sollte?
Hier bietet sich die Kooperation mit spezialisierten und qualifizierten Dienstleistern für das Proxy Voting an. Der Dienstleister unterbreitet Vorschläge gemäß einer im Vorfeld definierten ESG Policy. Der Asset-Manager richtet sich zumeist danach, kann aber auch entgegen der Empfehlung abstimmen. Dies ist ein effizienter Weg, um die Stimmrechte unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten auszuüben und Unternehmen in ihrer nachhaltigen Transformation zu bestärken.
Green- bzw. Impactwashing
Die EU hat in der seit März 2021 gültigen Offenlegungsverordnung festgelegt, dass Finanzmarktteilnehmende darlegen müssen, wie nachhaltig sie und ihre Produkte sind. Die Verordnung unterscheidet hierbei zwischen herkömmlichen Fondsprodukten (Artikel 6), Fonds, welche soziale und nachhaltige Aspekte bei ihren Anlageentscheidungen berücksichtigen (Artikel 8), und solchen, die ein nachhaltiges Anlageziel haben und dazu beitragen, dass die Sustainable Development Goals (SDGs) der UN nicht verletzt werden (Artikel 9). Sind letztere also Fonds, die Impact Investing betreiben?
Nein, Artikel-9-Produkte sind oftmals keine Impact-Fonds, auch wenn es den Kunden häufig so suggeriert wird. Das betrifft insbesondere ETFs, die unter Artikel 9 der Offenlegungsverordnung fallen. Es ist sehr schwierig, mit einer passiven Anlagestrategie, die nun mal regelbasiert ist, tatsächliches Impact Investing zu betreiben.
Die Sustainable Development Goals nicht zu verletzen und die eigenen Nachhaltigkeitsziele transparent zu machen, ist nur die notwendige Bedingung, aber allein eben noch nicht hinreichend, um als ein echter Impact-Fonds zu gelten. Die Strategie muss auch eine positive Wirkung mittels Active Ownership entfalten. Dies ist bei einigen Artikel-9-Fonds aber nicht der Fall.
Wenn Sie sagen, dass den Kunden häufig Artikel-9-Fonds als Impact-Fonds verkauft werden, obwohl diese streng genommen keine Impact-Investing-Strategien verfolgen, wären wir beim viel zitierten Problem des Green- bzw. Impactwashings. Wie können Kunden einen guten Impact-Fonds von einem schlechten unterscheiden?
Greenwashing bleibt eine große Herausforderung. Das erste Problem ergibt sich schon dabei, dem Kunden die verschiedenen Nachhaltigkeitsansätze überhaupt zu vermitteln. Ein Artikel-9-Fonds nach der Offenlegungsverordnung muss zunächst nur ein Nachhaltigkeitsziel vorweisen und strenge Offenlegungspflichten erfüllen. Deshalb gibt es auch bei diesen Fonds erhebliche Unterschiede in Bezug auf die Nachhaltigkeitsambitionen.
Ein Eckpfeiler, an dem sich Anlegende orientieren können, ist die institutionelle Glaubwürdigkeit des Asset-Managers. Ist dieser erst kürzlich auf den Trend aufgesprungen oder hat er die ESG-Kriterien bereits seit Jahren in seine DNA aufgenommen? Wie transparent ist der Anbieter hinsichtlich seiner Nachhaltigkeitscharakteristika auf Produktebene? Wie geht der Asset-Manager in Bezug auf Active Ownership vor? Werden Prozesse verständlich erklärt oder bleibt es bei oberflächlichen Aussagen? All das sind Fragen, die sich Anlegende stellen sollten.
ESG-Ratings
Im Bereich ESG wird immer wieder die schlechte Datenqualität bemängelt. Es fehlt teilweise an ausreichenden Informationen, um qualifizierte ESG-Ratings zu erstellen. Ratingagenturen widersprechen sich teils in ihren Einschätzungen. Ist dieses Problem beim Impact Investing nicht noch größer? Wie kann diese Problematik mitigiert werden?
Das Problem der mangelnden Datenqualität ist beim Impact Investing sicherlich nicht kleiner. Es gibt fast sechzig Nachhaltigkeitsratingagenturen am Markt, wobei die größten aus dem angloamerikanischen Raum stammen. Schon in ihrer Ansicht darüber, was überhaupt gemessen werden soll, unterscheiden sich die Anbieter teilweise erheblich. Definitionen und Ansprüche variieren hier stark. Und auch in der Frage, wie Nachhaltigkeit gemessen wird und welche Indikatoren zu ihrer Bewertung herangezogen werden, gibt es Unterschiede.
Wichtig ist es, zunächst einmal die eigenen Datenanforderungen zu erheben und zu validieren. Für die verschiedenen Schritte im Investmentprozess braucht es unterschiedliche Daten. Erst wenn die eigenen Ansprüche konkretisiert sind und klar ist, nach was gesucht werden muss, um auch regulatorischen Anforderungen zu genügen, sollten Angebote verschiedener Anbieter eingeholt werden. Es ist dabei wesentlich, das Produkt auch im Detail zu verstehen und mit den Anbietern zu sprechen, um ein ganzheitliches Bild zu bekommen. Schwachstellen in der Datenqualität sind in erster Linie dann ein Problem, wenn man sich derer nicht bewusst ist. Sind die Schwächen der eigenen Daten bekannt, lassen sich die daraus entstehenden Risiken auch oftmals mitigieren.
Natürlich sind auch die hohen Kosten der Datenanbieter eine Herausforderung in einem Marktumfeld, in dem der Gebührendruck steigt.
Ein Kritikpunkt hinsichtlich nachhaltiger Anlageprodukte und Impact Investing sind die von Ihnen angesprochenen zusätzlichen Kosten, welche beispielsweise mit dem erhöhten Datenbedarf einhergehen. Die gestiegenen finanziellen Belastungen in Kombination mit einem eingeschränkten Anlageuniversum, in welchem bestimmte Sektoren und Branchen über- bzw. untergewichtet werden, stellen das Portfoliomanagement vor Herausforderungen. Kostet die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten und sozialer Gerechtigkeit im Investmentprozess Rendite?
Natürlich haben Nachhaltigkeitskriterien Einfluss auf das investierbare Anlageuniversum. Es gehört zu unseren Aufgaben, zu schauen, wie nachhaltige Anlagestrategien auch unter den Gesichtspunkten des Risikomanagements und der Portfoliokonstruktion operationalisierbar bleiben. Es ist aber definitiv möglich, weiterhin gut diversifizierte Portfolios zu erstellen.
Bei der Betrachtung risikoadjustierter Renditen – wenn also die zu erwartenden Renditen ins Verhältnis zum eingegangenen Risiko gesetzt werden – sollte es keine Performanceunterschiede zwischen Nachhaltigkeitsfonds und klassischen Fonds geben. Aber auch bei der absoluten Performance muss keineswegs zwangsläufig mit einer schlechteren Leistung bei nachhaltigen Fondsprodukten gerechnet werden. In einem historischen Vergleich der Wertentwicklung lässt sich erkennen, dass nachhaltige Anlageprodukte nicht schlechter abschneiden als andere Produkte. Je nachdem, welcher Zeitraum zugrunde gelegt wird, schneiden nachhaltige Anlagestrategien sogar besser ab.
Wichtig ist in dem Zusammenhang aber auch die Wahl einer passenden Benchmark. Es sollte geklärt werden, ob das Produkt den Anspruch hat, mit traditionellen Benchmarks mitzuhalten. Für einige Impact-Produkte, welche kaum Nachhaltigkeitsrisiken eingehen, sind klassische Benchmarks nicht adäquat. Generell sollte man sich hier auch ein Stück von der Benchmarkfixierung lösen. Es gibt zwar Klimabenchmarks, diese sind aber nicht zwingend für soziale oder breiter aufgestellte ökologische Impact-Fonds geeignet.
Unsere ESG-Studie für Sie zum Download in unserem Serviceportal
ESG-Umsetzungsstudie – 2024
Europas Banken auf dem Prüfstand: Zwischen ökologischem Aufbruch und betriebswirtschaftlicher RealitätDas „S“ und das „G“ in „ESG“
Benchmarks für die ökologische Nachhaltigkeit existieren bereits, für die soziale Gerechtigkeit bisher aber noch nicht. Steht im Bereich ESG und beim Impact Investing der ökologische Aspekt im Vordergrund?
Allgemein liegt die Priorität tatsächlich oftmals auf ökologischen Aspekten. Das hat natürlich damit zu tun, dass der Schwerpunkt der gesellschaftlichen Debatte auf dem Klimawandel und zunehmend auf der Biodiversität liegt.
Hierbei handelt es sich nicht nur um einen subjektiven Eindruck. Eine derzeit noch nicht veröffentlichte Studie von Forschenden, unter anderem der Universität Gießen, zeigt, dass US-Unternehmen ihre ökologische und unternehmensethische Nachhaltigkeit über die letzten zehn Jahre steigern konnten, während die soziale Komponente ins Hintertreffen geriet. Unternehmen müssen ihre Ressourcen unter den verschiedenen Nachhaltigkeitskomponenten – Environment, Social und Governance – aufteilen und betrachten dabei offensichtlich nicht alle Dimensionen in gleichem Maße.
Der Fokus auf Nachhaltigkeit ist aber auch durch die Regulatorik bedingt, welche bisher maßgeblich an ökologischen Zielen ausgerichtet ist. Soziale Aspekte spielen auf regulatorischer Ebene bisher eine geringere Rolle. Das „S“ und das „G“ in „ESG“ müssen daher in Zukunft stärker in den Mittelpunkt rücken, um eine sozialgerechte Nachhaltigkeitstransformation zu ermöglichen.