Videoidentifikation – überall und zu jeder Zeit

Seit 2014 ist in Deutschland die Identitätsfeststellung per Videolegitimation zulässig, welche insbesondere in Zeiten von Corona nochmals deutlich an Relevanz und Nutzen gewonnen hat. Im Interview mit Frank Jorga, dem Erfinder der Videoidentifikation und Geschäftsführer der WebID Solutions GmbH, haben wir uns über die aktuellen Lösungen, Risiken und zukünftigen Entwicklungen von digitalen Identitätsdienstleistungen unterhalten.

 

Videoidentifikation als Geschäftsmodell von WebID

WebID ist ein 2012 gegründetes FinTech, welches auf die Personenidentifizierung und den Abschluss von digitalen Geschäften spezialisiert ist. Können Sie Ihr Geschäftsmodell im Bezug auf Videoidentifizierung für unsere Leserinnen und Leser noch einmal zusammenfassen?

Wir sind die Erfinder der geldwäschegesetz(GwG)-konformen Videoidentifizierung. Gemeinsam mit der QES, der qualifizierten elektronischen Signatur, haben wir so den digitalen Vertragsabschluss in der Finanzwirtschaft möglich gemacht. Für Banken bedeutete dies einen Meilenstein bei der Digitalisierung ihrer kundenbezogenen Prozesse.

Heute bieten wir unseren Geschäftskunden eine Reihe technologischer Lösungen für die sichere Onlineidentifikation, zur Betrugsprävention und für Onlinevertragsabschlüsse an. Diese kommen in allen Branchen zum Einsatz – neben dem Finanzdienstleistungssektor etwa im E-Commerce, im Telekommunikationsbereich oder auch bei Altersprüfungen. Mit über fünf Millionen Registrierungen sind wir außerdem der größte private Provider für digitale Identitäten mit höchstem Sicherheitsniveau. Im vergangenen Jahr haben wir unser Angebot zum digitalen Ökosystem „Global Trust Technology Platform (GTTP)“ ausgebaut. Die Plattform bringt Verbraucher, Geschäftskunden, Hersteller, Dienstleister und staatliche Institutionen zusammen.

Angebot von Identitätsdienstleistungen: Wettbewerb und Geschäftsmodell

Identitätsdienstleistungen stehen und fallen mit der Masse der Nutzer, und am Markt für digitale Identitäten agiert inzwischen ein gutes Dutzend relevanter Player in Deutschland. Was unterscheidet WebID von Konkurrenten, um langfristig erfolgreich zu sein?

Das wichtigste Erfolgskriterium bei digitalen Identitäten ist tatsächlich die Anzahl der Nutzer. Mit fünf Millionen GwG-konformen Identitäten sind wir unseres Wissens nach das Unternehmen mit der höchsten Anzahl in Europa. Das macht uns sowohl für Anbieter als auch für Verbraucher attraktiv. So können etwa Telekommunikationsunternehmen oder Onlineshopanbieter ihren Kunden mit unseren Lösungen die Möglichkeit bieten, einfach ihre digitale Identität zu nutzen, statt sich erneut per Video zu identifizieren. Und jetzt wird dies auch für Banken möglich. Dazu war noch die Klärung mit der BaFin zur rechtlichen Zulässigkeit und eine damit einhergehende Prozessanpassung unsererseits erforderlich. Da geht es primär um die sogenannten Anwendungs- und Auslegungshinweise (AuA) der BaFin, die hierfür einzuhalten sind.

Darüber hinaus zeigt sich unser Erfahrungsvorsprung und unsere Innovationskraft ganz konkret an unseren Produkten, wie jetzt an unserer neuesten Erfindung WebID Konto Ident, oder an unserem Sieg im Patenstreit mit einem Mitbewerber. Außergewöhnlich ist außerdem unser Sicherheitslevel, das wir unter anderem mit unserem eigenen Ident-Center in Deutschland realisieren.

Angebot von Videoidentifikation: Wettbewerb und Geschäftsmodell

Seit 2018 bietet WebID Identitätslösungen auch in den USA an. Gibt es außerhalb Europas eine andere Einstellung seitens Ihrer Privat- und Geschäftskunden zu digitalen Identifizierungslösungen? Wie unterscheiden sich die Rahmenbedingungen für Ihr Geschäftsmodell?

Zunächst einmal unterscheiden sich die gesetzlichen Vorgaben: anderes Land, andere Regulatorik. Identifizierungen auf einem geldwäschegesetzkonformen Niveau sind jedoch auch in den USA streng und anspruchsvoll reguliert. Die grundsätzlich höheren Haftungsrisiken von Unternehmen können gerade hinsichtlich von Risiko-, Compliance- und Datenschutzfragen bedeutsam werden. Außerdem haben wir die Erfahrung gemacht, dass es kulturelle Unterschiede gibt. Arbeitnehmer in den USA fragen durchaus, wie man gedenkt, mit dem Unternehmen die Welt zu einem besseren Platz zu machen, und welche große Vision man verfolgt.

Videomanipulation – Herausforderungen in den Bereichen Compliance und Security

Die Videoidentifikation kann mit technischen Mitteln angegriffen werden, beispielsweise durch Videomanipulation – auch bekannt als „Deep Fakes“. Was sind Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen in den Bereichen Compliance und Security für eine vollständig digitale Identifikation?

Aufgenommene Videos, die zu einem späteren Zeitpunkt zum Einsatz kommen, sind natürlich manipulierbar. Deshalb werden Ansätze dieser Art von der BaFin auch nicht als GwG-konforme Identifizierung anerkannt. Beim WebID-Verfahren gehen wir einen anderen Weg. Der Bankkunde wird zum Video-Call mit einem unserer Agenten im Hochsicherheitscenter weitergeleitet. Der Agent führt durch das Verfahren und erklärt jeden Schritt genau – etwa, wie man das Ausweisdokument in die Kamera halten soll. Im Hintergrund finden ergänzende technische Prüfungen statt. Unsere Videoagenten sind zudem speziell ausgebildet, um Betrugsversuche zu erkennen. Es findet eine Liveinteraktion statt, in der Manipulationen schnell und sicher erkannt werden. „Deep Fakes“ haben hier keine reelle Chance.

Allgemein müssen Lösungen zur digitalen Identifikation klug konzipiert sein. Sie müssen Manipulations- und Betrugsmöglichkeiten „vorwegdenken“ und eliminieren. Darunter darf jedoch nicht das Nutzererlebnis leiden. Ein gutes Handling ist Pflicht, um Akzeptanz zu erhalten. An dieser Stelle zeigt sich auch gut der Vorteil von digitalen Identitäten, die auf Dauer angelegt sind: Einmal auf hohem Sicherheitslevel identifiziert, hinterlegt eine Person ihre digitale Identität auf einer sicheren Plattform und spart sich somit weitere Identifizierungsverfahren. Gleichzeitig kann der Leistungsanbieter sicherstellen, dass er auf verifizierte Identitäten zurückgreift. Somit vermeidet er Betrug.

Konto Ident und Identifizierung natürlicher Personen

Kommen wir zurück auf das bereits von Ihnen angesprochene neue Produkt Konto Ident. Dieses soll den Komfort und die Sicherheit von digitalen Identifizierungen verbessern. Was macht Konto Ident so besonders?

Wer online ein Bankkonto eröffnen und aus unterschiedlichen Gründen keine Identifizierung über eine Videokamera durchführen kann oder möchte, dem blieb bisher nur der Postschalter als reelle Alternative. Denn die sogenannte eID-Funktion des Personalausweises wird zwar sicher eines Tages Relevanz im Markt haben, hat aber aktuell kaum eine Bedeutung in der Praxis. Bisher wurden jedoch nur mit Videoidentifikation, dem Postident-Verfahren oder der eID die Vorgaben nach dem Geldwäschegesetz, dem die Finanzinstitute unterliegen, erfüllt. Mit WebID Konto Ident haben wir nun eine weitere Möglichkeit der GwG-konformen Identifizierung geschaffen, und zwar mithilfe des Onlinebankings – das ist in dieser Form absolut innovativ. Da das Verfahren voll automatisiert funktioniert, steht es rund um die Uhr zur Verfügung. In puncto Sicherheit steht es der Videoidentifikation in nichts nach.

Zukünftige Entwicklungen im Rahmen der digitalen Identifizierung und Authentifizierung

Identitätsdienstleister fokussieren sich meist stark auf die Anforderungen und Bedürfnisse natürlicher Personen. Gerade für Finanzdienstleister ist jedoch die Identifikation und das Onboarding von juristischen Personen mit erhöhter Komplexität verbunden. Welche Produkte und Lösungen bietet WebID hier an?

Auch bei WebID macht die Identifizierung natürlicher Personen die Hauptnachfrage aus. Für einige unserer Geschäftskunden identifizieren wir jedoch auch deren Geschäftspartner. Hier haben wir Lösungen entwickelt, die auf den individuellen Bedarf unserer Kunden zugeschnitten sind.

Was sind Ihrer Meinung nach die nächsten Schritte und zukünftigen Entwicklungen im Rahmen der digitalen Identifizierung und Authentifizierung?

Es wird immer mehr automatisierte Lösungen geben. Das ist durchaus in Ordnung, denn nicht in jedem Fall ist eine GwG-konforme Identifizierung notwendig. Im Hinblick auf die Verbraucher und das Nutzererlebnis müssen insbesondere die Ökosysteme nach vorne gebracht werden. Wie bereits erwähnt: Sowohl für den Verbraucher als auch für den Serviceanbieter ist es die komfortabelste Lösung, auf eine zentrale digitale Identität zurückzugreifen, die einmal sicher verifiziert wurde. Für einen noch größeren Komfort sollte die digitale Identität um Biometrie angereichert werden, beispielsweise um die Stimme: Warum sollten Verbraucher künftig nicht einfach für den Vertragsabschluss in das Mikrofon ihres Smartphones sprechen können, wenn sie ein neues Bankkonto eröffnen?

Vielen Dank für das Interview und die spannenden Einblicke zur Videoidentifikation!

 

Sprechen Sie uns gerne an!

Autor Samuel Pfister / BankingHub

Samuel Pfister

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Autor Marvin Treus / BankingHub

Marvin Treus

Manager Office Münster
Lukas Genßler / Autor BankingHub

Lukas Genßler

Senior Consultant Office Wien

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Kommentare

Eine Antwort auf “Videoidentifikation – überall und zu jeder Zeit

  • Capital Insider

    Video-Ident ist zwar eine gute Lösung und macht eine Kontoeröffnung theoretisch in wenigen Minuten möglich.. Jedoch gibt es auch Anbieter, wo es nicht optimal funktioniert (Hinweis: Mit WebID haben wir noch keine Erfahrungen gemacht). Mal ist ein bestimmter Browser notwendig, mal fehlt die Verbindung zum Server.
    Auch sind einige ältere Benutzer damit evtl. überfordert.
    Es gibt also durchaus Potenzial.

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