Libra Update – Ein steiniger Weg zum Ziel

Die Veröffentlichung des White Paper im Juni 2019 vonseiten der Libra Association zur Kryptowährung Libra liegt nun bereits einige Monate zurück. In der Zeit seit Veröffentlichung des ersten Artikels unserer Libra-Serie „Libra – zwischen Hype und Realität“ gab es in den letzten drei Monaten einige Entwicklungen, die einer näheren Betrachtung bedürfen.

Die Diskussionen in der Finanzbranche werden nach einem verhaltenen Start kontroverser. Die Ambivalenz der Positionen mag auf den ersten Blick überraschen, auf den zweiten zeigt sie die gravierenden potenziellen Auswirkungen, die der Libra-Entwicklung zugebilligt werden. Dieser Artikel soll daher einerseits einen aktualisierten Überblick über das Geschehen verschaffen, es kritisch bewerten und andererseits einen Ausblick wagen.

Mit der Veröffentlichung des White Paper wurden die Regulatoren regelrecht aufgeschreckt und haben unmittelbar ihre Bedenken in Bezug auf die Einführung von Libra geäußert. Hierbei erhielt Libra neben den Regulatoren auch von Regierungen starken Gegenwind. Die kritische Auseinandersetzung dazu wie das Vorhaben der Libra Association geldpolitisch einzuordnen ist, wurde bereits im Artikel „Libra – das Erwachen einer geldpolitischen Macht?“ betrachtet.

Libra Association – namhafte Mitinitiatoren haben sich zurückgezogen

Während Widerstand von Regulatorikseite zunächst zu erwarten war, überrascht es, dass sich unter diesem Eindruck namhafte Mitinitiatoren der Initiative so früh wieder zurückgezogen haben.

Nach zunächst 28 Mitgliedern zu Beginn unterzeichneten lediglich 21 Unternehmen am 14. Oktober die Satzung der Libra Association. Unter den sieben ausgeschiedenen Unternehmen sind bedeutende Finanzakteure wie Visa, Mastercard und PayPal. Stripe, eBay, Booking Holdings und Mercado Pago komplettieren die Runde.

Mit diesem Umdenken bleibt lediglich PayU aus dem Kreise der Zahlungsdienstleister beteiligt. Die Begründungen insbesondere der sich zurückziehenden amerikanischen Unternehmen sind insgesamt sehr weich formuliert. Die Entwicklung von Libra soll weiterverfolgt werden, allerdings von der Seitenlinie.

Ein direkter Zusammenhang mit dem Druck, der durch die Regulatoren aufgebaut wurde, wird von keinem der Unternehmen bestätigt, allerdings ist es naheliegend, dass die harsche Kritik zu der Entscheidung beigetragen hat.

Libra-Start verzögert sich auf nach 2020

Die Libra Association entfernt sich damit auch weiter von ihrem Ziel, den Kreis ihrer Mitglieder zeitnah auf 100 Partner aufzubauen. Kevin Weil, VP of Product bei der Calibra Association, machte daher bereits auf dem Anfang November stattfindenden Web Summit in Lissabon deutlich, dass der Start nur mit dem Plazet der Regulatoren stattfinden soll und sich deshalb eventuell auf nach 2020 verzögert.

Mark Zuckerberg betonte ebenfalls in seiner Anhörung vor dem US-Kongress, dass er einen Alleingang Facebooks ohne Rückendeckung der US-Regulatoren ausschließt.

Ins gleiche Horn stößt eine aktuelle Studie des Center for Financial Studies, wonach 61 % der Befragten Libra für eine Gefahr für die globale Finanzstabilität halten. Ein Grund dafür liegt in der Befürchtung, dass geldpolitische Maßnahmen weiter geschwächt werden, wenn Libra als globale Währung jedem zur Verfügung steht (ganze 77 % stimmen dieser Aussage zu).

Die Studie zeigt allerdings auch, dass sich eine Mehrheit von ebenfalls 61 % gegen ein pauschales Verbot von Libra ausspricht. Dabei sei es entscheidend, Libra konstruktiv vonseiten der Regulatorik und der Finanzinstitute zu begleiten und somit neue Innovationen im Finanzsektor zu ermöglichen.

Eine weitere Facette des Rückzugs ist die noch stärkere Positionierung von Libra als „Facebook-Währung“. Bereits vor dem Rückzug der namhaften Partner fokussierte sich die Kritik häufig auf Facebook und die jüngsten Datenskandale. Durch die geringer werdende Anzahl von Partnern läuft Calibra zusätzlich Gefahr, als Versuch Facebooks gewertet zu werden, die globalen Finanzströme auf sich zu lenken.

Während es von der strategischen und regulatorischen Seite kaum Erfolge zu verzeichnen gibt, schreitet die technische Entwicklung weiterhin planmäßig voran. Nach dem Stand Anfang November verfügen ausgewählte Mitglieder über einen lauffähigen Prototyp des Libra-Systems. Dieser Prototyp wird derzeit intensiven Tests unterzogen und soll dann in eine anwenderfreundliche Oberfläche überführt werden.

Die „open wallet“-Struktur soll es zudem ermöglichen, dass Libra theoretisch in jedes beliebige Wallet eingebunden werden kann. Damit unterstreicht die Calibra-Initiative, dass man Libra mehr als Protokoll und weniger als Kryptowährung betrachtet. In gewohnt ambitioniertem Big-Tech-Sprech sieht man Libra als das HTTP (Internetprotokoll) des Geldes an.

Fazit

Insgesamt zeigt sich, dass zum jetzigen Zeitpunkt weiterhin viele in den vorangegangen Artikeln aufgeworfene Fragen zu Libra ungeklärt bleiben. Wie im Artikel „Libra – ein weiterer Herausforderer im Zahlungsverkehr?“ dargestellt, unterliegt der Zahlungsverkehr aktuell einem starken Wandel, auf den die Regulatoren, die Regierungen und speziell die Finanzdienstleister reagieren müssen.

Ob Libra innerhalb digitaler Bezahlverfahren eine Rolle spielen wird oder nicht, bleibt weiterhin offen. Klar ist allerdings, dass es bislang nicht einmal Bitcoin gelungen ist, eine annähernd breite Öffentlichkeit zu mobilisieren und kritische Auseinandersetzungen hervorzurufen. Egal ob Kritiker oder Verfechter – diesen Verdienst wird man Facebook mit der Calibra-Initiative zugestehen müssen. So werden die Libra-Diskussionen die bislang zähen Debatten rund um die Einführung eines digitalen Euro (E-Euro) vermutlich deutlich beschleunigen.

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