BDAI: Big Data & Artificial Intelligence – vom Trend zur praktischen Umsetzung

Aufgrund der wachsenden Bedeutung und Verbreitung von Big Data und Artificial Intelligence (BDAI) setzt sich die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) im Bericht „Big Data trifft auf künstliche Intelligenz – Herausforderungen und Implikationen für Aufsicht und Regulierung von Finanzdienstleistungen“ vom 15.06.2018 mit den Implikationen auf das Finanzsystem auseinander und hat unter anderem am 16.07.2018 zur Konsultation eingeladen.

Wachsende Verbreitung und Bedeutung von BDAI erzeugen Handlungsbedarf bei der Aufsicht zur frühzeitigen Ableitung von Implikationen und Leitfragen

Die zunehmende digitale Vernetzung und Verfügbarkeit von großen Datenmengen (Big Data) und verbesserten Methoden der Datennutzung durch Artificial Intelligence (AI) führen zu einem tiefgreifenden Wandel in Gesellschaft und Wirtschaft und haben damit auch Auswirkungen auf das Finanzsystem.

Beschleunigt wird diese Entwicklung durch die selbstverstärkende Wirkung von BDAI. Der technologische Fortschritt und die breite praktische Anwendung von BDAI sowie die wachsende Nutzung von digitalen Anwendungen durch den Verbraucher führen zu vermehrt verfügbaren Daten, die wiederum durch BDAI-Einsatz eine verbreiterte Datenbasis mit sich bringen.

Die BaFin hat die Tragweite von BDAI erkannt und will mit dem genannten Bericht sowohl den Bankensektor auf Entwicklungen, mögliche Chancen und Risiken sowie zu erwartende Veränderungen aufmerksam machen als auch zentrale Fragestellungen und Leitplanken für die Aufsicht und die Regulatorik ableiten.

Im Besonderen fokussiert sich die Aufsicht dabei auf die Aspekte:

  • Verantwortung, Transparenz und Vertrauen
    • Die zunehmende Bedeutung von Informationssicherheit in stark wechselwirkenden Systemen
    • Transparenz zur Datenverwendung und diskriminierungsfreien Entscheidungsfindung durch BDAI
    • Stärkung und Erhalt des vergleichsweise hohen Verbrauchervertrauens bezüglich der Nutzung von Daten durch etablierte Finanzinstitute
  • Wettbewerbschancen
    • Auswirkungen und Chancen von Finanzinstituten, global agierenden BigTechs sowie neuen innovativen Start-ups in der Finanzbranche
    • Effizienzsteigerungen und veränderte/neue Geschäftsfelder für Institute
    • Besetzung traditioneller Aufgabenfelder im Bankenbereich durch neue Marktteilnehmer

Die Innovationen durch BDAI führen zu unterschiedlichen Auswirkungen auf Anbieter im Bankenmarkt

Aufgrund der jüngsten Entwicklungen im Finanzbereich erwartet die BaFin für die Zukunft eine Aufteilung des Bankenmarkts auf insgesamt drei Anbietergruppen. Neben den traditionellen, etablierten Bankenhäusern, die aufgrund ihrer langjährigen Tätigkeit bereits ein hohes Vertrauen bei ihren Kunden aufgebaut haben und schon heute vollumfänglich von der BaFin beaufsichtigt werden, wird eine zunehmende Etablierung von FinTechs in den nächsten Jahren erwartet. Darüber hinaus wird davon ausgegangen, dass die großen Technologieanbieter, wie z. B. Google oder Apple, ihre Bemühungen im europäischen Banken- & Finanzmarkt verstärken werden, um zunehmend eigene Marktanteile zu gewinnen. Während sich die traditionellen Banken größtenteils noch im Anfangsstadium der BDAI-Nutzung befinden und nur wenig Erfahrung in diesem Bereich aufweisen können, basieren FinTechs und BigTechs auf (stark) datengetriebenen Geschäftsmodellen und besitzen einen hohen Wissens- & Erfahrungsschatz im BDAI-Bereich. Darüber hinaus werden FinTechs nur zum Teil und BigTechs bisher gar nicht von der BaFin beaufsichtigt.

Diese Situation ist insbesondere für europäische Banken recht schwierig, da diese unter anderem aufgrund der noch immer andauernden Niedrigzinsphase sowie meist historisch gewachsenen Legacy-IT-Infrastrukturen aktuell einem hohen Kosten- und Margendruck unterliegen. Gleichzeitig verändern sich die Kundenerwartungen und -bedürfnisse immer schneller, da die Kunden durch den Umgang mit BigTechs und FinTechs schnelle Prozesse und intuitive Bedienungen gewöhnt sind. Diese Erwartungen übertragen sie schließlich auch auf den Umgang mit traditionellen Instituten, sodass ihre Toleranz für langsame Prozesse und Bearbeitungsvorgänge kontinuierlich abnimmt, gleichwohl wird aber erwartet, dass die von Banken bekannten Standards bzgl. Datenschutz und Datensicherheit weiterhin eingehalten werden. Auch wenn die BaFin zwar in der Finanzbranche keine wachsenden Erträge aufgrund von BDAI im Gesamtmarkt sieht, so wird doch erwartet, dass mittel- bis langfristig eine Umverteilung der Erträge im Bankenmarkt stattfinden wird. Traditionelle Banken sehen sich somit gezwungen, in kürzester Zeit Wissen und Erfahrungen im BDAI-Bereich aufzubauen, um nicht spürbare Marktanteile an die digitale Konkurrenz zu verlieren.

Die drei erwähnten Marktteilnehmer besitzen jeweils einen völlig unterschiedlichen Marktfokus: Während sich traditionelle Banken hauptsächlich auf die Sicherung der Kundenbeziehungen und die Kernprozesse konzentrieren, adressieren FinTechs und BigTechs mit ihren datengetriebenen Geschäftsmodellen bereits heute gezielt die Kundenschnittstelle. BDAI und neue regulatorische Anforderungen führen zu einer spürbaren Verteilung der Wertschöpfungskette und eröffnen damit Möglichkeiten der Neubesetzung von Positionen innerhalb der Kette, wie z. B. beim Open Banking. Die Aufteilung der Wertschöpfungskette wird zusätzlich durch die EU-Richtlinie Payment Service Directive 2 (PSD2) unterstützt.

In Bezug auf die Kundenschnittstelle weist die BaFin in ihrer Veröffentlichung darauf hin, dass Banken BDAI zur Hebung ihrer aktuell immensen Automatisierungspotenziale nutzen sollten, um dadurch ihre Prozesse an der Kundenschnittstelle zu digitalisieren. Zudem kann BDAI bei der kundenorientierten Optimierung und Ausrichtung des Produktangebots genutzt werden. Auf diese Weise können Banken trotz stagnierender oder nur langsam wachsender Erträge im Bankenmarkt von Effizienz- und Effektivitätssteigerungen profitieren, die sich positiv auf die Kostenseite der Banken auswirken dürften. Viel wichtiger ist der verstärkte BDAI-Einsatz an der Kundenschnittstelle jedoch bei der Verteidigung von Marktanteilen: Langfristig erwartet die Aufsicht, dass sich die Anbieter mit der besten Customer Experience in den jeweiligen Kundensegmenten durchsetzen und signifikante Marktanteile übernehmen werden, was nicht zuletzt auch zu einer Umverteilung der Erträge im Markt führen wird.

Trotz des zunehmenden Wettbewerbs auf der Seite der Kundenschnittstelle werden auch die Kernprozesse von Produktplattformen in der Zukunft eine wichtige Rolle im Wettbewerb spielen. Plattformanbieter, die BDAI gezielt zur Digitalisierung und Optimierung ihrer Kernprozesse einsetzen, könnten Effizienzpotenziale vor allem bei Kernprozessen mit hohen Stückzahlen sowie standardisierten Vorgängen, wie z. B. Risikobewertungsmodellen, realisieren. Laut der BaFin werden in den nächsten Jahren vor allem Plattformanbieter mit effizienten Kernprozessen oder Dienstleistungen mit hohem Wertbeitrag einen essenziellen Wettbewerbsvorteil am Finanzmarkt haben. Zu guter Letzt wird die Monetarisierung von gesammelten Daten als eine zusätzliche potenzielle Ertragsquelle zur Ergänzung klassischer Erträge im Bankensektor als Resultat des zunehmenden Einsatzes von BDAI gesehen.

Im Umgang mit den wachsenden aufsichtlichen Implikationen ist ein Level Playing Field anzustreben

Für sich leitet die BaFin mit Blick auf den Bankensektor insbesondere einen erweiterten Auftrag zur Gewährleistung der Finanzstabilität, Unternehmensaufsicht und zum Verbraucherschutz ab.

Neue potenzielle Geschäftsmodelle, die beispielweise durch die Monetarisierung von Daten entstehen und zugleich das traditionelle Bankengeschäft um zusätzliche Erträge ergänzen, müssen ebenfalls regulatorischen Anforderungen unterliegen und von der Aufsicht überwacht werden. Hieraus resultierende regulatorische Gesetzeslücken sind frühzeitig zu identifizieren und zu adressieren. Die durch den Einsatz von BDAI mögliche stärkere Vernetzung von Banken mit anderen Marktteilnehmern und/oder Märkten erfordert Transparenz und Kontrolle über Strukturzusammenhänge. Ebenso ist die damit einhergehende erhöhte Gefahr von Kaskadeneffekten durch technische Sicherheitsmaßnahmen zu begrenzen.

Im Hinblick auf die Unternehmensaufsicht ist eine BDAI-Governance in die Bankorganisation einzubetten, deren Verantwortung bei der Geschäftsleitung liegt. Dies bedeutet auch, dass BDAI-basierte Modelle erklärbar und nachvollziehbar sein sollten sowie bestehende Governance-Konzepte weiterzuentwickeln sind. Die BDAI-Nutzung kann maßgeblich zur Abwehr von Finanzkriminalität und Verstößen beitragen und Complianceprozesse effizienter und effektiver gestalten. Allerdings sind aufsichtliche Anforderungen an die Erklärbarkeit von Algorithmen zur Erkennung von Finanzkriminalität festzulegen. Bei Banken mit Nachholbedarf bzw. weniger entwickelten BDAI-Technologien ist sicherzustellen, dass dies nicht missbräuchlich genutzt wird. Informationssicherheitsrisiken werden durch die Nutzung von BDAI nicht nur komplexer, sondern können gleichzeitig durch neue BDAI-basierte Methoden der Analyse und Gefahrenentdeckung abgewehrt werden.

Die Privatsphäre und informationelle Selbstbestimmung haben gerade im Bankensektor im Umgang mit sehr sensiblen Daten einen hohen Stellenwert. Durch BDAI besteht vermehrt die Gefahr, Informations- und Machtasymmetrien auszunutzen und damit das Verbrauchervertrauen in Bankinstitute zu schwächen. Aus diesem Grund hat die Aufsicht sicherzustellen, dass keine Diskriminierung und Benachteiligung einzelner Verbraucher aufkommt und die Privatsphäre weiterhin gewährleistet ist.

Einwertung und Handlungsempfehlungen

Mit dem Bericht zeigt die BaFin, dass sie dem tiefgreifenden Wandel, der durch Big Data und Artificial Intelligence bevorsteht, den richtigen Stellenwert einräumt und sich frühzeitig für ein veränderndes Aufgabengebiet vorbereiten will.

Die BaFin sendet ein deutliches Signal an die Banken, sich mit BDAI auseinanderzusetzen und eine Strategie für die schon jetzt stattfindenden Veränderungen im Marktumfeld zu entwickeln.

Mit Ihren Aussagen richtet sich die BaFin nicht nur an die von ihr beaufsichtigten Marktteilnehmer, sondern positioniert sich außerdem für ein sich änderndes Aufgabenfeld. Sie signalisiert eindeutig, den Aufsichtsauftrag in vielen Bereichen auszuweiten und dabei auch im besonderen Datenanbieter und BigTechs miteinzubeziehen.

Im Fokus stehen zum einen rechtliche Fragestellungen und Vorgaben für die Nutzung von BDAI durch die Aufsicht – Fragestellungen zum Verbraucherschutz, zur Transparenz und Nachvollziehbarkeit der angewendeten Algorithmen und Methoden sowie Compliance- und Governance-Fragestellungen.

Zum anderen will die Aufsicht auch verstärkt selbst Know-how aufbauen, um mit den Entwicklungen Schritt halten zu können, und auch ihrerseits BDAI in der Markt- und Unternehmensaufsicht einsetzen.

Für die Umsetzung von BDAI-Anwendungen in der Finanzbranche empfiehlt zeb deshalb, sich schon jetzt auf einen erweiterten Auftrag der Aufsicht vorzubereiten und neben den schon bestehenden Regelungen aus der GDPR folgende Punkte zu betrachten:

  • Entwicklung einer ganzheitlichen Strategie sowie Überlegungen zu Kooperationen mit Drittanbietern: Es steht außer Frage, dass sich der Bankensektor in den kommenden Jahren – unter anderem durch den Eintritt von FinTechs und BigTechs – grundlegend verändern wird. Alleine durch die zu erwartenden Effizienzsteigerungen und Spezialisierungen beschleunigt sich der Trend zur Konsolidierung und zwingt zur Fokussierung des Geschäftsmodells. Aus diesem Grund ist es essenziell für traditionelle Banken, die aktuellen Entwicklungen genauestens zu beobachten und daraus eine ganzheitliche Strategie abzuleiten. Eine Möglichkeit dabei ist, von den Erfahrungen von FinTechs und BigTechs bei der Verbesserung der Kundenschnittstelle zu lernen.
  • Experimentieren mit BDAI-Anwendungen: Um First Mover Advantages realisieren zu können, ist es für Banken von großer Bedeutung, schon jetzt auf Basis einiger weniger Anwendungsbeispiele mit BDAI-Anwendungen zu experimentieren und somit nach und nach die Customer Experience zu verbessern, denn nur jene Banken, welche die steigenden Kundenerwartungen befriedigen können, werden auch in Zukunft erfolgreich sein. Durch ein solches Vorgehen werden die Banken auch in die Lage versetzt, ihren Wissensvorsprung gegenüber FinTechs und BigTechs (Verständnis des Kunden, Zugriff auf kundenspezifische Finanzdaten) in Kundenvertrauen und Marktpositionierung umzumünzen.
  • Frühzeitige Einbettung der erzeugten und verwendeten Daten in die bestehende Data Governance.
  • Beschreibung der verwendeten Daten im Glossar sowie deren Dokumentation und Herstellung von Transparenz über die Datenqualität: Durch das Hinzufügen von Big Data in den traditionellen Datenhaushalt steigt unter anderem die Komplexität. Deshalb ist es ein Muss, die heute bereits gestarteten Aktivitäten zu intensivieren, um die verwendeten Daten und Algorithmen zu verstehen und die Datenqualität zu verbessern. Dabei können die neuen BDAI-Technologien effizient unterstützen.
  • Konsequente Unterstützung des Consent-Managements für die zugrunde liegenden BDAI-Daten, d. h. Offenlegung von gespeicherten personenbezogenen Daten, Korrektur falscher personenbezogener Daten, Recht auf Löschung und Übertragbarkeit sowie weitgehende Anonymisierung der Daten.
  • Weiterentwicklung der Information Security unter Berücksichtigung der weitreichenden Aspekte von BDAI.

Die Auseinandersetzung der BaFin mit dem Thema Big Data und Artificial Intelligence zu einem Zeitpunkt, an dem die meisten Finanzinstitute in Europa noch am Anfang dieses Wandels stehen, ist durchaus positiv zu sehen. Durch das Aufzeigen möglicher Entwicklungen am Markt und potenzieller aufsichtlicher Handlungsgebiete wird bis zu einem gewissen Grad die Unsicherheit über die Zukunft gemindert. Auch wenn die beschriebenen Veränderungen teilweise noch sehr unklar sind, so zeigt der Artikel trotzdem auf, dass Banken Entwicklungen am Markt sehr genau beobachten und schon jetzt Handlungsalternativen definieren müssen.

Sprechen Sie uns gerne an!

Autor Stefan Kloos

Stefan, Kloos

Senior Manager Office Münster
Autorin Silke Strack

Silke Strack

Senior Consultant zeb
Autor Philipp Maak

Philipp Maack

Consultant Office Frankfurt

Artikel teilen

Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

BankingHub-Newsletter

Analysen, Artikel sowie Interviews rund um Trends und Innovationen
im Banking alle 2 Wochen direkt in Ihr Postfach

Send this to a friend