Ausgangslage und Herausforderungen von Sparkassen
Der deutsche Bankenmarkt ist aktuell durch Herausforderungen primär infolge von Niedrigzinsen, regulatorischen Anforderungen, Digitalisierung und demografischem Wandel geprägt. Besonders Sparkassen werden aufgrund dieser Faktoren vor massive Herausforderungen gestellt. Im Rahmen der zeb.Regionalbankenstudie wurde der Einfluss auf die Ergebnissituation der Sparkassen analysiert. Ohne Gegenmaßnahmen und Annahme der aktuellen Zinsstruktur werden voraussichtlich ca. 65 % der Sparkassen auf Fünfjahressicht ein Nullergebnis erzielen.
Zur Sicherstellung der zukünftigen Tragfähigkeit und Rentabilität der Geschäftsmodelle sind strategische Optionen zu prüfen. So eignen sich die Eigenoptimierung auf der Ertrags- und Kostenseite, Kooperationen mit anderen Sparkassen oder Dienstleistungsgesellschaften (Outsourcing) sowie Fusionen mit einer oder mehreren Sparkassen in der Region als Gegenmaßnahmen.
Fusion als strategische Option
Infolge der aktuellen Herausforderungen werden Fusionen vermehrt als „echte“ strategische Option gesehen. Durch die Realisierung von Synergiepotenzialen und Skaleneffekten, die einen Fusionsnutzen von bis zu 0,25 % der durchschnittlichen Bilanzsummen erzielen können, gelingt es Sparkassen, ihr Geschäftsmodell zu stabilisieren und langfristig zu sichern.
Das zeb-Vorgehensmodell unterteilt ein Fusionsprojekt in drei Phasen: Fusionsanbahnung, strategische Fusion sowie Fusionsumsetzung/-integration. Im Fokus steht dabei die rechtliche, strategische sowie technische Fusion beider Althäuser.
Neben den zahlreichen fachlich-inhaltlichen Fragen sind hierbei insbesondere kulturelle Fragestellungen aufgrund unterschiedlicher Unternehmenskulturen der Althäuser sowie des resultierenden Veränderungsprozesses im Rahmen einer Fusion zu beachten.
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Changemanagement als Erfolgsfaktor
Der Begriff des Changemanagements umfasst in diesem Zusammenhang die Planung und die Koordination der Maßnahmen, die für die an der Veränderung beteiligten Parteien relevant sind. Hierbei finden insbesondere die individuellen Werte und Bedürfnisse der Beteiligten wesentliche Berücksichtigung.
Das Changemanagement dient somit als Ergänzung zu fachlichen Konzepten und dem übergreifenden Projektmanagement. Die an Veränderungen auf fachlicher Ebene gekoppelten Kernthemen sind dabei vor allem die Entwicklung und Umsetzung einer Vision, die Beteiligung und Qualifizierung der Betroffenen sowie die Kommunikation mit ihnen.
Im Fokus des Changemanagements steht also die kulturelle Ebene (Wertvorstellungen, Einstellungen, Widerstände, Unternehmenskultur), welche – wie das Eisbergmodell illustrativ verdeutlicht – einen maßgeblichen Beitrag zu einer erfolgreichen Veränderung auf der fachlichen Ebene leistet.
Für den Aufsatz eines Changemanagements im Rahmen einer Fusion empfiehlt sich die Durchführung einer sogenannten „kulturellen Nullmessung“. Dadurch können Transparenz und gegenseitiges Verständnis für die Unternehmenskulturen hergestellt, Einstellungen der Mitarbeiter der Fusionshäuser erfasst und darauf basierend hausindividuelle Maßnahmen eingeleitet werden.
1. Kulturelle Nullmessung
Durch eine kulturelle Nullmessung können die unterschiedlichen Kulturprofile der Häuser gemessen und gemeinsame kulturelle Eckpfeiler des Changemanagement-Konzepts ausgearbeitet werden.
Die zeb-Kulturanalyse umfasst verschiedene erfolgsrelevante Aspekte, um den unscharfen Kulturbegriff in der Fusionsbegleitung greifbar zu machen. Dazu gehören im Wesentlichen Führungs-, Kommunikations-, Leistungs-, Investitions-/Innovations-, Team-, Veränderungs-, Kooperations- und Fehlerkultur sowie Kundenorientierung.
Im Rahmen einer Onlinebefragung der Mitarbeiter wird ein Meinungsbild aus erster Hand erhoben. Dies ermöglicht es, adressatengerechte Kommunikationsinhalte/-formate abzuleiten, und ist gleichzeitig eine erste Intervention. Weiterhin wird neben der Eigenwahrnehmung des eigenen Hauses ein Fremdbild des Fusionspartners erhoben.
Die Daten werden in drei Schritten analysiert, um eine optimale Ergebnisqualität zu erhalten. Die Auswertungslogik sieht eine Analyse der jeweiligen Qualitätsausprägungen, Abweichungen zwischen den Wahrnehmungen beider Institute sowie die Aufbereitung einer Kulturlandkarte vor. Aus den Ergebnissen können dann Wahrnehmungsunterschiede und konkrete Handlungsbedarfe abgleitet werden.
2. Adressaten und deren Wahrnehmung
Erfolgreiches Changemanagement erfordert die Einbindung aller am Veränderungsprozess beteiligten Stakeholder. Im Falle der Sparkassenfusion sind die Träger bzw. der Verwaltungsrat, der Vorstand, die Führungskräfte, der Personalrat und die Mitarbeiter Adressaten des Wandels. Die zu initiierenden Maßnahmen fokussieren sich dabei adressatenabhängig auf eine klare Zielsetzung.
Zur Mitnahme der Mitarbeiter in einem Veränderungsprozess ist es aus Managementsicht entscheidend, ein Verständnis dafür zu entwickeln, wo die Mitarbeiter in ihrem individuellen Veränderungsprozess stehen. Hier kann das Sieben-Phasen-Modell nach Streich als theoretisches Gerüst genutzt werden. Dieses stellt die Emotionen und Wandlungsbereitschaft der Mitarbeiter über den Zeitraum der Veränderung in den Fokus und liefert so wertvolle Führungsimpulse im Rahmen des Prozesses.
3. Typische Verhaltensweisen und mögliche Gegenmaßnahmen
Der Zeitraum der Fusionsdurchführung sowie das beobachtbare Verhalten der einzelnen Mitarbeiter bilden die Dimensionen des Ansatzes. Typischerweise verändert sich das Verhalten (Einstellung, Teilnahme etc.) über den Zeitverlauf, sodass abhängig vom aktuellen Stand der Mitarbeiter geeignete Maßnahmen zu platzieren sind.
Zu Beginn sind die Mitarbeiter oft in einer Schock-Phase, welche u. a. durch Intransparenz über die Hintergründe der Fusion sowie resultierende Unsicherheiten hervorgerufen wird. Durch eine transparente Informationspolitik (mit Fokus auf den Prozess) in Form von Mitteilungen oder Auftaktveranstaltungen kann dem entgegengewirkt und die Beteiligung der Mitarbeiter erhöht werden.
Trotz der verbesserten Informationslage können Mitarbeiter den Prozess weiterhin verneinen und zornig reagieren. Hierfür ist ein richtiges Maß an Kommunikation und Einbindung der Angestellten umzusetzen. So gewähren Vorstandsroadshows die Möglichkeit, Mitarbeiter über die Inhalte und die konkreten Umsetzungsschritte zu informieren und fördern zugleich den Meinungsaustausch innerhalb der Belegschaft.
Dennoch besteht das Risiko (und gleichzeitig die Chance), dass Mitarbeiter das sogenannte „Tal der Tränen“ erreichen, d. h. das Fusionsvorhaben ab einem gewissen Punkt nicht weiter unterstützen wollen. Daher sollten die Mitarbeiter im Rahmen des Prozesses aktiv motiviert werden. Dies kann beispielsweise durch die Partizipation an Fusionsprojektgruppen erreicht werden. Das resultierende „Ausprobieren“ und die damit verbundene „Erkenntnis“ („so schlimm ist es ja doch nicht“, „die neuen Kollegen sind nett“, „die Fusionssparkasse wird wirklich besser“ etc.) führen die Mitarbeiter schließlich in die Phase der „Integration“. Hier setzen diese den Wandel aktiv um und der Vorstand kann durch Instrumente des Monitorings die kontinuierliche Umsetzung der Fusionsmaßnahmen beobachten und nötige Anreize setzen.
Übergreifend ist im gesamten Veränderungsprozess das Verständnis des asynchronen Ablaufs der „Veränderungskurve“ von Bedeutung. Das beschriebene emotionale Verhaltensmuster kann analog bei Vorständen oder Führungskräften einsetzen, jedoch aufgrund des Informationsvorsprungs zu einem erheblich früheren Zeitpunkt. Dies ist zwingend zu berücksichtigen, um Verständnis für die Reaktion der Mitarbeiter zu entwickeln.
Fazit
Changemanagement ist ein entscheidender Erfolgsfaktor im Zuge von Fusionen im Sparkassensektor. Durch die Durchführung hausindividueller Maßnahmen kann die Unternehmenskultur während des Fusionszeitraums und darüber hinaus stabilisiert und ausgebaut werden. Klar ist aber auch, dass letztlich nur eine stimmige Kombination aus dem Management der kulturellen und dem Management der fachlichen Handlungsfelder einen langfristigen Erfolg gewährleisten kann.
Eine Antwort auf “Changemanagement als Erfolgsfaktor bei Fusionen im Sparkassensektor”
Horst Zingsheim
Ein „schöner“ Artikel über eine der wichtigsten Facetten einer Fusion. Schade, dass Knackpunkte wie Stellenabbau, Verlust der hierarchichen Position, Standortwechsel o.ä. nicht erwähnenswert waren.
Auch der Zeitfaktor für den Integrationsprozess/Strukturwandel war kein Thema. Der ist definitiv nicht mit Ende des Fusionsprojektes erreicht. Meiner Erfahrung nach wird das erst nach 2,5 bis 3 Jahren wirklich gelebt.
Und das weitere Einflussfaktoren wie Größe der Fusionspartner oder „Muss-Ehe“ einige der guten Ansätze schon im Keime ersticken, dürfte ihnen auch schon aufgefallen sein.
Aber ansonsten ein schöner Artikel.