Der Fachkräftemangel als branchenübergreifendes Existenzrisiko
Ob Handwerksbetriebe, mittelständische oder DAX-Unternehmen – der Fachkräftemangel stellt branchenübergreifend eine gewaltige Herausforderung dar. Auch im Finanzdienstleistungssektor ist dies deutlich zu spüren. Wesentliche Trends wie der demografische Wandel, Veränderungen innerhalb der Arbeitswelt oder der zunehmende Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeitende tragen dazu bei, dass Schlüsselpositionen in Regionalbanken immer häufiger unbesetzt bleiben und führen letztendlich zu einem existenziellen Risiko.
Vor diesem Hintergrund wird dem Personalbereich, mit Fokus auf der Gewinnung von geeigneten Bewerber/-innen, eine entscheidende strategische Rolle zuteil. Doch die Zeiten, in denen Unternehmen sich aus hunderten Bewerbungen die besten Kandidatinnen und Kandidaten für vakante Positionen aussuchen konnten, sind längst vorbei. Nicht nur die Anzahl, auch die Qualität der Bewerbungsprofile ist rückläufig. Das Warten auf geeignete Bewerber/-innen wird zukünftig nicht mehr zum Ziel führen.
Mit Blick auf die derzeitige Entwicklung ist ein Umdenken in Regionalbanken hinsichtlich „Active Sourcing“ erforderlich. Aufkommende Vakanzen müssen frühzeitig ermittelt werden, um entsprechende Maßnahmen zur Personalgewinnung zeitnah einleiten zu können. Das Schalten von Stellenausschreibungen allein reicht nicht mehr aus und die aktive Personalsuche sowie Ansprache von qualifiziertem Personal rückt in den Fokus.
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Wie funktioniert Active Sourcing in Regionalbanken?
Eines vorab: Active Sourcing ist nicht die eine Methode, um Personal zu gewinnen. Vielmehr handelt es sich hierbei um einen Sammelbegriff für verschiedene methodische Ansätze, die sich in vielfältiger Art und Weise miteinander kombinieren lassen. Da diese Herangehensweise aktuell noch selten selbst von den Regionalbanken übernommen wird, ist ein Kompetenzaufbau in deren Personalabteilungen notwendig. Denn ein aus dem eigenen Haus heraus gesteuertes Active Sourcing ist Erfolg versprechender als ein durch externe Personalberatungen geleitetes.
Im Kern geht es beim Active Sourcing darum, Personen, die für eine zu besetzende Position als geeignet erscheinen, zu identifizieren und proaktiv anzusprechen, um sie für ebendiese Position zu gewinnen und langfristig an das Unternehmen zu binden. Der Vorteil liegt insbesondere darin, den Personalgewinnungsprozess effizienter zu machen, indem er proaktiv gestaltet wird.
Schlussendlich lassen sich offene Stellen dadurch schneller besetzen, Kosten (aufgrund unbesetzter Stellen) einsparen sowie diejenigen qualifizierten Kandidatinnen und Kandidaten erreichen, die für das Unternehmen einen immensen Mehrwert darstellen, sich im Normalfall aber nicht aus eigenem Antrieb heraus beworben hätten.
Active Sourcing als Personalberatungskompetenz für Regionalbanken: vier Erfolgsfaktoren
1) Passgenaue Anforderungsprofile
Ein klares Verständnis der Anforderungen der zu besetzenden Stelle schafft eine optimale Grundlage für die zielgerichtete Direktansprache in der Personalgewinnung. Im Vordergrund stehen hierbei vor allem erforderliche Fähigkeiten und Erfahrungen sowie fachliche und persönliche Kompetenzen, die potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten mitbringen sollten, um zukünftige Aufgaben erfolgreich zu meistern und langfristig zufrieden mit ihrer beruflichen Tätigkeit zu sein. Diese können im Rahmen einer Anforderungsanalyse identifiziert und anschließend zu einem stellenbezogenen Anforderungsprofil verdichtet werden.
Das Anforderungsprofil ist zentraler Erfolgsfaktor für eine effiziente und zielgerichtete Suche nach geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten.
2) Zieldienliche Sourcingstrategie
Denn wer genau weiß, wonach gesucht wird, weiß, wo danach gesucht wird. Wurden im Rahmen der Anforderungsanalyse die Zielgruppen bestimmt und erforderliche Eigenschaften geeigneter Kandidatinnen und Kandidaten ausgearbeitet, geht es nun bei der Auswahl der Suchstrategie konkret darum, über welche Kanäle diese zu finden sind.
Einerseits lässt sich hierbei auf die gängigen beruflichen Netzwerkportale wie bspw. LinkedIn, Xing oder experteer zurückgreifen, um Kandidatinnen und Kandidaten zu identifizieren und anzusprechen. Andererseits kann auch die Teilnahme an Präsenzveranstaltungen (bspw. Fachkonferenzen, Messen, Career Days etc.) oder die Suche in Branchenverbänden oder Fachgruppen zum Ziel führen.
Active Sourcing bedeutet, dort zu sein, wo sich die Zielgruppe aufhält, um diese aktiv ansprechen zu können, zum Dialog einzuladen und somit schließlich als potenzieller Arbeitgeber Aufmerksamkeit zu generieren.
3) Individualisierte Ansprache
Es gibt bekanntlich keine zweite Chance für den ersten Eindruck. Die direkte Ansprache der Kandidatinnen und Kandidaten bietet die Möglichkeit, sich nachhaltig positiv zu positionieren und Interesse an weiteren Gesprächen sowie der eigenen Arbeitgebermarke zu wecken. Hier liegt außerdem ein enormes Potenzial, sich von Mitbewerbern in der Personalgewinnung zu unterscheiden.
Die erste Kontaktaufnahme sollte verdeutlichen, dass eine intensive Auseinandersetzung mit dem Kandidatenprofil stattgefunden hat. Dazu gehören bspw. die Wertschätzung bisheriger Tätigkeiten oder erzielter Qualifikationen, die Darstellung der Eignung für die Stelle und die Institution oder möglicher Entwicklungsschritte bei einem beruflichen Wechsel und die Beschreibung attraktiver Benefits und Arbeitsbedingungen. Die Kandidatenansprache ist von Profil zu Profil, vielmehr von Person zu Person, unterschiedlich, weshalb ein Musteranschreiben schwer zu definieren ist.
4) Kontinuierliches Beziehungsmanagement
Im Nachgang zur ersten Kontaktaufnahme mit geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten trägt eine verbindliche und verlässliche Kommunikation dazu bei, das Interesse sowie das Vertrauen weiter zu stärken und die eigene Institution weiterhin als attraktiven Arbeitgeber zu vermarkten. Ziel ist es, die kontaktierten Personen dazu zu bewegen, sich auf weitere Gespräche einzulassen und einen potenziellen Jobwechsel in Betracht zu ziehen.
Um diese Bereitschaft zu fördern, bedarf es unter anderem einer transparenten Kommunikation, Wertschätzung sowie einer engen Betreuung. Auch ein gewisses Maß an Neugierde und Flexibilität ist hierbei durchaus zielführend. Durch den stetigen Kontakt mit geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten können deren Bedürfnisse erfasst und im weiteren Verlauf angemessen adressiert werden.
Fazit zu Active Sourcing in Regionalbanken
Ein erfolgreiches Active Sourcing ist bei weitem kein Selbstläufer. Es ist zeit- und ressourcenintensiv und bedarf einer ausgereiften Planung sowie des Aufbaus entsprechender Kompetenzen an der richtigen Stelle. Recruiting bzw. Personalgewinnung wird in Zukunft auch immer Active Sourcing beinhalten.
Hierbei steht nicht allein ein rein methodisches Vorgehen im Vordergrund, sondern ebenso kreative Ansätze der Ansprache. Active Sourcing wird somit zu einer relevanten Zukunftskompetenz in den HR-Bereichen von Regionalbanken.