Keine digitale Transformation ohne digitales Mindset: Interview mit ONESTOPTRANSFORMATION

In der heutigen, sich rasant entwickelnden Finanzlandschaft ist die digitale Transformation zu einem entscheidenden Faktor für den Erfolg von Banken geworden.

Julian Knorr, Vorstand der ONESTOPTRANSFORMATION AG[1], gibt uns tiefgehende Einblicke in die verschiedenen Aspekte der digitalen Transformation und erläutert, wie ein digitales Mindset als Fundament für technologische Innovationen, optimierte Prozesse und neue Geschäftsmodelle dient. Wir erfahren, wie Banken diese Transformation erfolgreich umsetzen und welche Herausforderungen sie dabei überwinden müssen.

Digitales Mindset als Fundament für die digitalen Transformation

Julian Knorr, Vorstand der ONESTOPTRANSFORMATION AG
Julian Knorr ist ein anerkannter Experte auf dem Gebiet der digitalen Transformation. Mit seiner umfassenden Erfahrung unterstützt er Unternehmen dabei, die notwendigen Veränderungen zu identifizieren und erfolgreich umzusetzen. Als Vorstand der ONESTOPTRANSFORMATION AG begleitet er zahlreiche Unternehmen auf ihrem Weg in die digitale Zukunft.

Hallo Julian, wie definierst du digitale Transformation im Kontext des Bankensektors und wie hängt sie mit einem digitalen Mindset zusammen?

Digitale Transformation betrifft vier verschiedene Bereiche im Bankensektor. Es gibt drei sichtbare Bereiche: Technologie, Prozesse, Geschäftsmodelle. Zudem gibt es einen vierten unsichtbaren Bereich: digitales Mindset.

Digitales Mindset bildet die Grundlage und das Fundament für die anderen drei Bereiche der digitalen Transformation. Somit funktioniert keine digitale Transformation ohne digitales Mindset. Denn die beste Technologie, der beste Prozess und das beste Geschäftsmodell nützen nichts, wenn ich nicht die Menschen habe, die diese drei Bereiche nicht nur leben, sondern auch weiterentwickeln.

Welche zentralen Herausforderungen siehst du für Banken bei der digitalen Transformation, insbesondere im Hinblick auf die Etablierung eines digitalen Mindsets?

Die größte Herausforderung ist das Verständnis vom „Warum“ eines digitalen Mindsets. Technologien kann ich in Form von Systemen „anfassen“ und Daten zur Nutzung erheben. Somit kann ich alles quantifizieren und daraufhin optimieren. Dies liegt in der Banking-DNA.

Beim digitalen Mindset jedoch fühlt es sich zu Beginn wie ein luftleerer Raum an, den man nicht klar fassen kann. Deshalb ist es hierbei wichtig, auch das Mindset quantifizierbar und damit offensichtlich entwickelbar zu machen. Dies kann durch eine wissenschaftlich valide Diagnostik und darauf zugeschnittene Lernformate passieren. Damit wird der unsichtbare Teil der Transformation nicht nur sichtbar, sondern auch messbar.

Definition digitales Mindset

Was verstehst du unter einem digitalen Mindset und warum ist es für den Erfolg der digitalen Transformation so wichtig?

Digitales Mindset beschreibt Persönlichkeitsdimensionen, die erfolgskritisch für den Umgang mit digitaler Transformation sind. Es geht also nicht um Software- oder Programmierkenntnisse, sondern um Persönlichkeitseigenschaften, die das Fundament für den Umgang mit neuen Technologien legen. Die Eigenschaften sind langfristig entwickelbar und versetzen Menschen in die Lage, situativ immer wieder die richtigen und relevanten Hard Skills für die digitale Transformation zu erlernen (z. B. wie ein bestimmtes Tool benutzt werden kann).

Ein digitales Mindset wird durch sechs verschiedene Persönlichkeitsdimensionen definiert:

  • Offenheit und Agilität vs. Beharrlichkeit: Diese Digitales-Mindset-Dimension beschreibt, wie sich Menschen verhalten, wenn sie mit neuen oder ungewohnten digitalen Entwicklungsmöglichkeiten konfrontiert werden.
  • Proaktivität und unternehmerische Handlungsorientierung vs. Reaktivität und Lageorientierung: Diese Digitales-Mindset-Dimension beschreibt, in welchem Ausmaß Menschen motiviert sind, die Unternehmung mit Blick auf den Gesamtkontext der Organisation proaktiv voranzutreiben.
  • Kreativität und Gestaltungsmotivation vs. Prozesstreue: Diese Digitales-Mindset-Dimension beschreibt, inwieweit Menschen in der Lage sind, sinnvolle Neuerungen zu schaffen und zu initiieren.
  • Kundenzentriertheit vs. Aufgaben- und Organisationszentriertheit: Diese Digitales-Mindset-Dimension beschreibt, inwieweit die Kundensicht bei der Findung einer neuen Lösung integriert wird.
  • Kritikfähigkeit vs. Harmonieorientierung: Diese Digitales-Mindset-Dimension beschreibt, inwieweit Menschen eigenes und fremdes Handeln kritisch betrachten können, um konstruktiv Optimierungen zu initiieren.
  • Offener Umgang mit Scheitern vs. Vermeidung von Misserfolg: Diese Digitales-Mindset-Dimension beschreibt, inwieweit Menschen bereit sind, mit Misserfolg und Scheitern offen umzugehen.

Etablierung eines digitalen Mindsets in Banken

Wie können Banken ein digitales Mindset bei ihren Mitarbeitenden fördern und etablieren?

Die Förderung eines digitalen Mindsets bei Mitarbeitenden funktioniert nur auf individueller Ebene, d. h., es gibt keine „One size fits all“-Lösung für das gesamte Unternehmen. Denn jede:r Mitarbeiter:in bringt ein eigenes digitales Mindset mit und startet von einem eigenen Ausgangspunkt. Das individuelle digitale Mindset sollte damit der Startpunkt für individuelle Lernexpeditionen bzw. Lernpfade sein.

Die Lernpfade sollten langfristig angelegt sein und über einen Microlearning-Ansatz verfügen. Denn ein Mindset entwickelt sich nicht von heute auf morgen, bis zum Erreichen messbarer Veränderungen vergehen ca. neun Monate. Über diese Dauer sollte es gelingen, die Lerninhalte in den Alltag zu integrieren. Dies funktioniert am besten mit Microlearning-Inhalten, d. h. mit Inhalten, die im Schnitt zwischen zwei und acht Minuten lang und somit perfekt in den Kalender integrierbar sind.

Zudem haben Mitarbeitende unterschiedliche Lerngelegenheiten, für die jeweils unterschiedliche Lernformate am besten passen. Deshalb sollten die Contentformate abwechslungsreich sein (Videos, Texte, Podcasts), und idealerweise sollten die Mitarbeitenden bei jedem Inhalt zwischen verschiedenen Contentformaten für die jeweilige Situation entscheiden können.

Banken können die Messungen des Ausgangspunkts der Mitarbeitenden anonymisiert aggregieren und erhalten dadurch einen Einblick in das digitale Mindset der gesamten Organisation. Dies ermöglicht den Vergleich der digitalen Mindsets in unterschiedlichen Bereichen und Abteilungen sowie die Messung über Zeiträume hinweg, z. B. der Entwicklung des digitalen Mindsets innerhalb von einem oder zwei Jahren. Diese Quantifizierung macht datenbasierte Entscheidungen in der Organisationsentwicklung in der digitalen Transformation möglich.

Welche neuen Technologien haben deiner Meinung nach das größte Potenzial, den Bankensektor zu transformieren, und wie können sie das digitale Mindset unterstützen?

Es gibt eine Vielzahl an neuen Technologien, die ein großes Potenzial für den Bankensektor haben. Für mich sind die zwei vielversprechendsten aktuell künstliche Intelligenz und Blockchain. Denn beide Technologien haben die Möglichkeit, Wertschöpfungsketten in der Bankenwelt komplett zu verändern und einen großen Kundenmehrwert zu schaffen (von intelligenten Chatbots für die Kundenbetreuung (KI) bis zu dezentral organisierten Vertragswerken (Blockchain)).

Digitales Mindset ist in verschiedenen Ausprägungen die Basis für die erfolgreiche Einführung und Weiterentwicklung der genannten Technologien. In unterschiedlichen Rollen sind auch unterschiedliche Ausprägungen des digitalen Mindsets notwendig und hilfreich.

Wie können Banken sicherstellen, dass ihre Mitarbeitenden ein digitales Mindset entwickeln, um mit diesen neuen Technologien effektiv zu arbeiten?

Durch ein dezidiertes Programm zur Analyse und Entwicklung eines digitalen Mindsets stellen Banken die notwendigen Rahmenbedingungen auf. Ein solches Programm sollte immer mit der Kommunikation des „Warums“ des digitalen Mindsets starten, gefolgt von einer Standortanalyse pro Mitarbeiter:in und dann individualisierten, selbst gesteuerten Lernpfaden. Letztere können zusätzlich mit sozialen Lernformaten, z. B. Liveworkshops oder Learning Out Loud Circles, angereichert werden.

Welche Rolle spielt das Topmanagement bei der Förderung eines digitalen Mindsets und der digitalen Transformation?

Ohne die Einbindung des Topmanagements wird die gezielte Förderung eines digitalen Mindsets deutlich schwieriger. Dem Topmanagement kommt hierbei nicht nur die Aufgabe der Kommunikation der Mindsetinitiative zu, sondern vor allem auch die des aktiven Vorlebens der Mindsetentwicklung.

Wenn Mitarbeitende immer wieder sehen, wie auch das Topmanagement Lernzeiten in den Alltag integriert und die Entwicklung bewusst als Priorität behandelt, hat das auf sie eine enorme Sogwirkung. Damit ist der Grundstein für eine echte Lernkulturentwicklung gelegt, die für eine koordinierte Mindsetentwicklung unabdingbar ist.

Jedoch liegt damit die Verantwortung dafür nicht ausschließlich beim Topmanagement oder den Führungskräften, sondern alle Mitarbeitenden müssen den Weg eigenständig gehen und können sich selbstständig entfalten. Durch das Vorleben des Topmanagements verbessern sich aber die Rahmenbedingungen.

Zukunft des digitalen Mindsets im Bankensektor

Wie siehst du die Zukunft des digitalen Mindsets im Bankensektor in den nächsten fünf bis zehn Jahren?

Die Bedeutung des digitalen Mindsets wird immer weiter steigen. Denn je schneller sich Technologien und Geschäftsmodelle verändern, umso weniger werden zukünftig benötigte Hard Skills prognostizierbar. Damit rückt die Entwicklung des digitalen Mindsets nicht nur in den Mittelpunkt, sondern ist die einzige Art, um überhaupt mit dem rasanten Wandel umgehen zu können.

Dies erfordert für alle Unternehmen im Bankensektor jedoch ein schnelles und radikales Umdenken im Recruiting und in der Talententwicklung: weg von Hard Skills hin zu Mindset.

Welche Trends und Entwicklungen könnten das digitale Mindset in der Bankenbranche in der Zukunft prägen?

In der Bankenbranche wird es eine Reihe an radikalen neuen Technologien in den nächsten Jahren geben, die ganz grundlegende Geschäftsprozesse und -modelle verändern werden.

Der Umgang mit dieser neuen Technologie benötigt alle Dimensionen des digitalen Mindsets. Ein Technologiebereich, der schon lange existiert und Einzug in den Alltag gehalten hat, wird aus meiner Sicht in Zukunft noch bedeutender, wenn er mit anderen Technologien kombiniert wird: Mobile Banking. Durch eine Kombination mit z. B. immersiven Medien kann ein ganz neuer Beratungsansatz entstehen, der als Best Practice den Branchenstandard redefiniert. Hierfür sind eine radikale Kundenzentriertheit und ein offener Umgang mit Scheitern für jeden Teil der Wertschöpfungskette in einer Bank maßgeblich.

Warum ist die digitale Transformation speziell für regionale Banken so wichtig und welche Rolle spielt ein digitales Mindset dabei?

Regionale Banken haben den großen Vorteil, meistens eine sehr enge Beziehung zu ihren Kund:innen über Jahre etabliert zu haben oder von Beginn des Kundenlebenszyklus an nah an den Kund:innen zu sein. Dies passiert heute zum Teil noch über den persönlichen Kontakt, aber auch vermehrt über verschiedene digitale Kanäle.

Mit einer zunehmenden Durchdringung unseres Alltags mit neuen digitalen Kanälen werden (potenzielle Neu-)Kund:innen nicht nur ein nahtloses Onlineangebot mit großen Mehrwerten erwarten, sondern es sogar mehr und mehr als Ausschlusskriterium bei der Wahl einer Bank definieren. Wenn ein:e Kund:in einmal ein nahtloses digitales Kundenerlebnis mit großem Mehrwert erlebt hat, wird das als Benchmark angesehen und für weitere Kundenerlebnisse vorausgesetzt. Hierdurch wird ein passendes digitales Kundenerlebnis zum absoluten Kundenbindungsfaktor.

Regionalbanken haben die große Chance, durch ihre regionale Nähe ein einzigartiges Erlebnis in der Verbindung von Offline- und Onlineangeboten zu kreieren. Jedoch dürfen die Onlineangebote hierbei nicht als Zusatz gesehen werden, sondern als Kern der Kundeninteraktion. Dies stellt einen Paradigmenwechsel für viele Regionalbanken dar. Damit dieser gelingen kann, sollte die gesamte Organisation die Vorteile kennen und überzeugt sein. Die Basis hierfür bildet ein digitales Mindset.

Vielen Dank für das Gespräch und den Austausch.

[1] Über ONESTOPTRANSFORMATION

Die ONESTOPTRANSFORMATION AG aus Nürnberg unterstützt ihre Kunden mit der KI-basierten Mindset Navigator Plattform dabei, den Skills-Gap zu schließen, bevor dieser entsteht.

Durch eine Kombination aus wissenschaftlich validierter Diagnostik und individualisierten Onlinelernangeboten können Unternehmen ihre bestehenden Mitarbeitenden für die Zukunft und Veränderungen durch die digitale Transformation befähigen, sie binden und gleichzeitig attraktiver für neue Talente auf dem Arbeitsmarkt werden.

Dieser Artikel ist im Rahmen der zeb.business school entstanden

Die zeb.business school ist die erste Hochschule eines Beratungsunternehmens weltweit und steht dadurch mittendrin in der Financial Industry.

Die akkreditierten Studienprogramme richten sich an aktuelle und zukünftige Führungskräfte mit hohem Karrierefokus und der Motivation, noch besser zu werden. Durch neue Perspektiven und Erkenntnisse sind Studierende während des Studiums in der Lage, Innovationen zu entwickeln, umzusetzen und damit für Unternehmen unverzichtbar zu werden.

Sie arbeiten in der Finanzindustrie und wollen Ihre Karriere vorantreiben? Dann werfen Sie doch einen Blick auf das Studienangebot.

Sprechen Sie uns gerne an!

Dr. Dirk Holländer / Autor BankingHub

Dr. Dirk Holländer

Senior Partner Office Münster
Dr. Christina Block / Autorin BankingHub

Dr. Christina Block

Senior Managerin Office Berlin

Artikel teilen

Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

BankingHub-Newsletter

Analysen, Artikel sowie Interviews rund um Trends und Innovationen
im Banking alle 2 Wochen direkt in Ihr Postfach