Robinhood-IPO – fortschreitende Demokratisierung des Finanzmarkts

Wir haben mit Karl im Brahm, CEO der Avaloq Sourcing AG und Head of Germany der Avaloq Gruppe, über den IPO von Robinhood, die damit einhergehende Demokratisierung des Finanzmarkts, aber auch generell über den Eintritt von Neobrokern in den Markt gesprochen. Darüber hinaus gibt Herr im Brahm noch einen Ausblick auf die zukünftigen Trends im Wertpapiergeschäft.

Über RobinHood

Robinhood, einer der größten Neobroker in den Vereinigten Staaten, setzte mit seinem Börsengang einen wesentlichen Meilenstein in der Demokratisierung des Finanzmarkts.

Mit dem Ziel, Privatanlegerinnen und -anlegern den gleichen Zugang zum Finanzmarkt zu ermöglichen, wie ihn professionelle Anleger haben, und damit Kleinanleger/-innen beispielsweise auch direkt an IPOs teilhaben zu lassen, reservierte Robinhood bei seinem eigenen IPO 35 % der Aktien für Privatanlegerinnen und -anleger.

Dieser außergewöhnlich hohe Anteil (üblich sind sonst nur 10–20 % für Kleinanleger/-innen) sowie auch die vorausgegangene Roadshow zum IPO, die anders als üblich eine allgemein zugänglich gestreamte Präsentation war (und nicht den institutionellen Anlegern vorbehalten), zeigen u. a. die wachsenden Möglichkeiten im Markt für Privat- bzw. Kleinanlegerinnen und -anleger.

Karl im Brahm über den IPO von Robinhood

Demokratisierung des Finanzmarkts

Hallo Herr Brahm, was verbirgt sich hinter der „Demokratisierung des Finanzmarkts“ und welche Bedeutung hat der IPO von Robinhood in diesem Kontext?

Die Kundenbedürfnisse haben sich radikal verändert, und die traditionellen Geschäftsmodelle der Banken brechen zunehmend auf. Die Grenzen zwischen dem profitablen Geschäft mit vermögenden Kunden und dem noch margenschwachen Massengeschäft verschwimmen zusehends – auch dank fortschreitender Digitalisierung und Automatisierung.

Die Märkte werden immer mehr durch die Nachfrageseite bestimmt. All das sind Treiber für den Trend der Demokratisierung des Finanzmarkts.

Was kennzeichnet den Markt derzeit? Eine andauernde und nachhaltige Niedrigzinspolitik, Erlösstrukturen, die ins Wanken geraten, ein zunehmender Wettbewerbsdruck durch Neobanken und Neobroker, eine Innovations- und Digitalisierungswelle, der allerdings ein Investitionsstau beim Einsatz neuer Technologien gegenübersteht, das Erscheinen neuer Assetklassen und – am wichtigsten – die enorme Veränderung des Kundenverhaltens. COVID-19 hat etliche dieser Entwicklungen noch beschleunigt.

Aber im Grunde schreiten diese Veränderungen schon seit mehr als 20 Jahren voran. Direktbanken und Onlinebroker haben sich ja schon in den frühen 2000er-Jahren etabliert. Damals erschien das noch als eine Revolution, heute sind sie Bestandteil des traditionellen Bankenwesens.

Auch N26 ist ja schon vor Jahren als erste Smartphone-Bank entstanden. Seither bedient sie sehr konsequent die Kundenbedürfnisse der neuen Generation und entwickelt sich mit diesem Kundensegment weiter. 

Dann gibt es unterschiedliche Geschäftsmodelle, die sich auf automatisierte Robo-Advisory-Lösungen stützen, die wiederum andere Kundenbedürfnisse und Zielgruppen bedienen. 

Und aktuell attackieren die neuen Neobanken und Neobroker wie Robinhood oder Trade Republic mit ihrem Execution-only-Ansatz nicht nur die traditionellen Banken, sondern auch die schon länger etablierten Direktbanken und Direktbroker. 

Die nachhaltige Profitabilität der ganz neuen Modelle muss sich erst noch zeigen, aber der Kundenzulauf ist enorm. Wahrscheinlich ist die Frage nicht, ob sich dort Erfolg einstellt, sondern wann.

Der eigentliche Kern der Demokratisierung der Finanzmärkte ist für mich, dass die Nachfrageseite bestimmt, wohin die Reise geht. 

Die Neo- oder Discountbroker, die nur die günstige Ausführung von Trades, aber keine Beratung bieten, verleihen dem Demokratisierungstrend zusätzlichen Schub. 

Ich bin überzeugt, dass vor diesem Hintergrund auch die Bedeutung hybrider Geschäftsmodelle wächst. Grundlage dieser Modelle ist die Industrialisierung und Automatisierung des Bankings und der Backoffice-Prozesse. 

Auch die Offenheit der Finanzinstitute für das Open-Banking-Prinzip ist ein wichtiges Element, um neue Kundenwünsche zu erfüllen. Ebenso wie das Engagement in Ökosystemen, die es gestatten, schneller auf Innovationen zuzugreifen und sie den eigenen Kunden zu offerieren.

Was ist das Revolutionäre an diesem Schritt und weshalb gab es das nicht bereits in der Vergangenheit?

Der Schritt ist gar nicht so revolutionär. Onlinebroker und -banken gibt es ja schon seit Langem. Denken Sie nur an die Mitte der 90er-Jahre, als eine Handvoll junger Entrepreneure den traditionellen Bankenmarkt attackiert hat.

Das, was wir jetzt als Neobroker und -banken sehen, ist eigentlich nur eine Weiterentwicklung der damaligen Modelle um Digitalisierungs-, Innovations- und Pricing-Aspekte. Wenn Sie so wollen, ist es eine Evolution, aber keine Revolution.

Welche Absichten verfolgt Robinhood hierbei und wie stark ist die Signalwirkung für zukünftige IPOs?

Der IPO soll für Robinhood sicherlich auch Marketing- und Brand-Building-Funktionen erfüllen.

Ich bin aber überzeugt, dass es für die Wachstumsfinanzierung keinen breit angelegten IPO braucht. Wie wir bei anderen Neobanken und -brokern sehen, ist es nicht schwierig, Kapitalgeber zu finden. Dafür ist sicherlich eine nachhaltige, belastbare Einnahmeseite wichtig und die Möglichkeit, das jeweilige Geschäftsmodell zu skalieren.

Welchen Effekt hat der Robinhood-IPO auf das Primärmarktgeschäft der etablierten Player?

Zweifellos erzielt der IPO eine enorme Marketingwirkung. Von dieser profitieren aber auch die bestehenden Neobroker. Das ist gut für den deutschen Kapitalmarkt, zumal Robinhood in Deutschland selbst ja noch gar nicht aktiv ist.

Kunden, die an diesem Execution-only-Bereich prinzipiell interessiert sind, dürften sich jetzt noch stärker mit dem Markt auseinandersetzen. Gegebenenfalls wird so auch eine stärkere „Awareness“ für die Anlageformen im Kapitalmarkt erreicht.

Gerade deutsche Kunden haben – etwa im Vergleich zu den angelsächsischen Märkten – in puncto Vermögensbildung sicher noch Nachholbedarf. Bisher fließt in Deutschland ja weniger als jeder zehnte gesparte Euro in Aktien oder andere Wertpapiere.

Für welche weiteren Unternehmenstypen und ggf. Branchen wäre ein ähnlicher IPO relevant?

Nun ja, das kann man nur volkswirtschaftlich beantworten. Wenn sich neben institutionellen Anlegern auch private Anlegerinnen und Anleger am Produktivvermögen beteiligen – was ja erklärtes Ziel von Robinhood war –, dann ist das zunächst positiv.

Aus Sicht der privaten Anleger/-innen geht es sicherlich auch darum, Chancen und Risiken abzuwägen. Ich persönlich würde mich immer für nachhaltige und tragfähige Geschäftsmodelle entscheiden, für Unternehmen, deren Gründer/-innen eine Vision und eine nachweisliche Innovationskraft haben. Das heißt: Aus den Fehlern des „Neuen Markts“ sollten wir inzwischen gelernt haben.

Neobroker-Markt

Zum jetzigen Zeitpunkt haben Neobroker nur einen kleinen Marktanteil in Höhe von 5 %. Glauben Sie, dass durch den Robinhood-IPO und das generelle preiswerte Geschäftsmodell die Neobroker ihren Marktanteil signifikant ausbauen werden?

Vergleichbare Geschäftsmodelle haben sich ja schon am Markt etabliert. Die Neobroker werden sicherlich über eine aggressive Preisstrategie Marktanteile gewinnen. Auch hier lohnt ein Blick zurück auf die 90er-Jahre.

Die damaligen Onlinebroker haben zunächst unter anderem auch über aggressive Preismodelle Marktanteile gewonnen, danach aber sukzessive ihr Produktspektrum erweitert, um den Deckungsbeitrag aus der Kundenbeziehung zu steigern. Sie haben dann ihre Preise für die Kernleistung erhöht und Zusatzleistungen zunehmend in Rechnung gestellt.

Welche Risiken, aber auch Chancen ergeben sich für Privat- bzw. Kleinanleger/-innen durch diese veränderten Strukturen im Markt?

Wenn sich die angebotenen Geschäftsmodelle skalieren lassen, regulatorisch „compliant“ sind und es immer wieder Innovationen in Gestalt neuer Produkte und Services gibt, werden Anlegerinnen und Anleger davon profitieren.

Was sind mittel- bis langfristig die nächsten relevanten und ggf. bereits erkennbaren Treiber in diesem Markt?

Ich würde sagen: Krypto, Krypto und Krypto. Distributed-Ledger- bzw. Blockchain-Technologie ist ja nicht nur die Basis aller Krypto-Währungen, sie gestattet auch die Tokenisierung vielfältigster Assets.

Durch solche Security-Token werden beliebig klein gestückelte Fondsanteile ebenso handelbar wie bislang illiquide Vermögenswerte – etwa in Form kleinster, digitaler Eigentumsanteile an einem Picasso-Gemälde oder an der Luxusimmobilie am Starnberger See.

Krypto-Assets gehört die Zukunft. Auch das ist ein wichtiger Aspekt der Demokratisierungstendenz im Finanzmarkt.

Sprechen Sie uns gerne an!

Julian Schmeing / Autor BankingHub

Julian Schmeing

Partner Office München
Nicolas Böckenhüser / Autor BankingHub

Nicolas Böckenhüser

Consultant zeb

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