Der Wettbewerbsdruck in der Vermögensberatungsbranche steigt
Ein aktueller Branchenreport[1] konstatiert, dass der Vermögensverwaltungssektor sich strukturbedingt einem hohen Margendruck ausgesetzt sieht und vor tiefgreifenden Umwälzungen steht. Dies liegt an sich rasant ändernden Anforderungen der Kunden und an strengeren aufsichtsrechtlichen Vorgaben. Aber auch der verstärkte Wettbewerb durch Fintech-Unternehmen, Neobanken und Tech-Giganten spielt eine wichtige Rolle – sie alle versuchen, am Markt Fuß zu fassen. Letztlich sind diese neuen Herausforderungen auf vier Megatrends zurückzuführen: auf Vermögensverschiebungen hin zur jüngeren, nachwachsenden Generation, auf gesamtgesellschaftliche Verhaltensänderungen, auf die fortschreitende Digitalisierung sowie auf wirtschaftliche und geldpolitische Turbulenzen.
Hyperpersonalisierung und Industrialisierung für die neue Kundengeneration
Vom (U)HNWI-Segment (Ultra High Net Worth Individuals), das sich verjüngt und immer stärker auch digitale Services fordert, bis hin zu den einkommensstarken Millennials mit mittleren Vermögen: Für die neuen, vielgestaltigen Zielgruppen sind Leistungsversprechen von der Stange nicht mehr akzeptabel. Die neue Kundengeneration hat sich an die herausragenden digitalen Erfahrungen gewöhnt, die ihnen die Technologieriesen bieten. Diese neuen technologieaffinen Kunden erwarten ganz selbstverständlich eine individuelle, ganzheitliche und ergebnisorientierte Beratung.
Wollen Vermögensberater diese Nachfrage nach hyperpersonalisierten Services befriedigen, müssen sie herkömmliche Finanzdaten mit Datenpunkten wie etwa den Lebenszielen des Kunden verknüpfen. Robo Advisory, Conversational Banking und virtuelle Assistenten, Werkzeuge zur Portfoliomodellierung und verhaltensbasierte Risikobewertungen sind zu den zentralen Tools geworden, um solche Leistungsversprechen einzulösen.
Von der Automobilbranche lernen
Dabei befindet sich der Wealth Management-Sektor gegenüber der gesamten Finanzdienstleistungsbranche in einer ähnlichen Situation wie die Luxusfahrzeugmarken gegenüber der hochindustrialisierten Automobilindustrie. Auch im Luxussegment des Automobilbaus haben inzwischen Digitalisierung, Hyperpersonalisierung und das Erschließen neuer Kundengruppen Einzug gehalten.
Tesla etwa hat demonstriert, wie sich durch ein angemessenes Gleichgewicht zwischen Industrialisierung, Innovation und Individualisierung technologische Fortschritte und neue Kundenbedürfnisse nutzen lassen: Inzwischen hat der Erfolg der konsequenten Innovationsstrategie Tesla in die Profitabilität geführt. Aber auch andere Luxusautomobilmarken haben es verstanden, ihre etablierten, ausgereiften Produkte für neue Zielgruppen attraktiv zu machen – etwa indem sie ihr Fahrzeugportfolio ausweiteten und neue Produktlinien einführten. Vermögensberater und Privatbanken dagegen haben technologische Innovationen wie beispielsweise die KI-gestützte Robo Advisory bisher noch weitgehend den Neo- und Retailbanken überlassen.
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Trotz COVID-19: Privatvermögen der neuen Zielgruppen wachsen
Dabei ist es für Vermögensverwalter lohnend, neue Kundesegmente zu adressieren – auch wenn die neue technologieaffine Kundengeneration hohe Anforderungen an reibungslose digitale Services stellt. Sie treibt die Trends in der Branche unaufhaltsam voran. Vermögensverwalter sollten darin aber kein Wachstumshemmnis sehen, sondern vielmehr die Chance erkennen, auch dem mittleren Segment der Affluent-Clients hochwertige Wealth Management-Services zu bieten. Generell dürften die persönlichen Vermögen bis 2024 weltweit mit einer jährlichen Rate (CAGR) von 4,5 Prozent wachsen. Selbst die pessimistischeren Modelle, die die Auswirkungen von COVID-19 berücksichtigen, gehen von einem Wachstum der globalen Vermögensbasis aus. Auch das Segment wohlhabender Kunden, der Affluent Clients, wird dabei nach Anzahl und Vermögen noch zunehmen. Für die digital unterstützte Vermögensberatung eröffnet dies wichtige Wachstumschancen.
5 To-dos für die Demokratisierung des Wealth Managements
Vor diesem Hintergrund ist für Vermögensberater und Privatbanken eine Agenda sinnvoll, die die vielfältigen Ansprüche an Industrialisierung, Innovation und Individualisierung in Einklang bringt. Die folgenden fünf To-dos beschreiben, was Finanzinstitute tun können, um die Demokratisierung des Wealth Managements zum Erfolg zu führen.
- Sich der Cloud öffnen: Cloud-Technologien treiben Effizienz, Skalierbarkeit und Resilienz voran. Verglichen mit internen IT-Infrastrukturen stellen cloudbasierte Plattformen sicher, dass der aktuelle Funktionsspielraum robust bleibt und Institute sich dennoch sofort neue Potenziale erschließen. Durch Kosteneinsparungen und gesteigerte Effizienz sind Banken dann in der Lage, sich auf ihre wettbewerbsdifferenzierenden Stärken zu konzentrieren.
- Durch API-Schnittstellen zum Ökosystem: Eine erstklassige Customer Experience, intelligente Beratungstools, KI-getriebene Empfehlungs-Engines und die Tokenisierung von Assets sind nur einige der Kompetenzen, durch die Vermögensberater ihren zukünftigen Erfolg sichern – Aufgabenfelder, die kein Unternehmen allein abdecken kann. Die sinnvolle Basis für diese Innovationen ist eine offene IT-Plattform, die eine rasche Integration von Partnerlösungen gestattet und so zugleich die Innovationsrisiken für das einzelne Institut minimiert.
- Digitale Technologie für eine zielgerichtete Finanzberatung: Neue Beratungsinstrumente können den Aufwand für die individualisierte Beratung großer Kundengruppen deutlich verringern und zugleich Portfolioempfehlungen objektivieren. Neue digitale Technologien sind ein Quell innovativer Produkte und Geschäftsmodelle – sie ermöglichen eine maßgeschneiderte, ganzheitliche und wirksame Beratung, die trotz Individualisierung dennoch kosteneffizient skalierbar ist.
- Daten nutzen, um Erkenntnisse zu erlangen: Datenbasierte Erkenntnisse sind für Finanzinstitute essenziell, wenn Sie den Datenschatz, den sie durch ihre Kunden und entlang der gesamten Wertschöpfungskette gewinnen, in vollem Umfang nutzen möchten. Datengetriebene Technologien eröffnen neue Einblicke in Kunden und Markt. Sie helfen den eigenen Experten beispielsweise, Produktangebote zu justieren und Kunden stärker zu binden.
- Das Kundenerlebnis neu erfinden: Digitale Kanäle und der Wunsch nach personalisierter Beratung erfordern es, dass Banken ihre Aktivitäten überdenken. Es gilt, für das Kundenerlebnis einen reibungslosen, persona-basierten Ansatz zu verfolgen. Solch ein kundenfokussierter Ansatz ist unerlässlich, wenn ein Institut für hyperpersonalisierte Interaktionen und eine stärkere Individualisierung sorgen will.
Fazit: Industrialisierung vorantreiben, Kundenbeziehungen stärken
Die Vermögensberatung ist ein hochprofitables und sehr persönliches Geschäft, in dem Kundenbeziehungen und Vertrauen nach wie vor der Schlüssel zum Erfolg sind. Zugleich steht der Vermögensberatungssektor aber – wie schon andere Branchen vor ihm – heute an der Schwelle zur Digitalisierung und Industrialisierung. Digitale Innovationen werden es Vermögensberatern ermöglichen, das wachsende Segment wohlhabender Kunden auf ebenso effiziente und hyperpersonalisierte Weise zu betreuen, wie dies bislang den (U)HNWI-Kunden vorbehalten war.
Wie gut es Instituten gelingt, diese Trends in ihren Services umzusetzen, dürfte in den kommenden Jahren darüber entscheiden, welche Institute sich im Vermögensverwaltungsmarkt als Branchenführer durchsetzen.