Daniel Scheiber ist Group Head of Conversational & AI beim Digital-Banking-Softwarespezialisten CREALOGIX. Zuvor war er in den Bereichen Sales und Account-Management, Presales, Business Development, Professional Services, Engineering und Produktmanagement für CREALOGIX und verschiedene weitere IT-Dienstleister und -Lösungsanbieter tätig. Sein Studium zum Wirtschaftsinformatiker schloss er an der Wirtschaftsinformatikschule Schweiz ab.
Was ist Conversational Banking? Anwendungsfälle für Chatbots
Herr Scheiber, was verstehen Sie unter Conversational Banking und welche Rolle spielt es für Banken heute und in Zukunft?
Immer mehr Menschen nutzen digitale Kommunikationskanäle: WhatsApp, Threema, Facebook, auch LinkedIn – um nur ein paar zu nennen. Während der Coronapandemie waren viele in Quarantäne oder auch im Homeoffice und deshalb sogar darauf angewiesen. Banken und Vermögensverwaltungen müssen diese Kanäle nutzen, um darüber für ihre Kunden präsent zu sein – und um ihnen einen nahtlosen und effektiven digitalen Kundenservice zu bieten.
Das Mittel der Wahl ist dabei Conversational Banking, also die Interaktion mithilfe menschlicher und nicht menschlicher Unterstützung. Das erfolgt auf Messaging-Plattformen über text-, sprach- oder videobasierten Dialog. Konkret sind dies Chatbots, Livechats, Messenger-Chats, Voicebots und Ähnliches.
Conversational Banking bietet Finanzinstituten zudem die Chance, den Komfort alltäglicher Transaktionen ihres 24/7-Online- und -Mobile-Bankings um einen persönlichen Austausch auf Augenhöhe zu ergänzen. Im Idealfall bauen sie damit eine emotionale Verbindung zu ihren Kunden auf, vertiefen die Kunde-Berater/-innen-Beziehung und stärken das Vertrauen des Kunden in seine Bank.
Wo sehen Sie die Stärken und Hauptanwendungsfälle von Chatbots für Banken?
Wir haben rund 1.500 Bankkunden in der Schweiz, Deutschland und Österreich zum Thema Chatbots befragen lassen. Auf Grundlage dieser Umfrage sehen wir Stärken und Hauptanwendungsfälle von Chatbots im Erledigen einfacher Anfragen und Änderungswünsche.
Das kann z. B. die Abfrage des Kontostands sein; fast zwei Drittel der Befragten können sich diese Anwendung vorstellen. Das kann auch das Bestellen von Kontoauszügen sein – für 56 Prozent der Befragten denkbar. 55 Prozent würden über Bots ihre persönlichen Daten ändern oder Überweisungsaufträge aufgeben.
Chatbots können aber auch innerhalb des Finanzinstituts eingesetzt werden, und zwar als persönliche Assistenten von Kundenberaterinnen und -beratern sowie Support-Agents – mit dem Ziel, die Mitarbeitenden zum richtigen Zeitpunkt mit den richtigen Informationen zu versorgen.
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Wo ist die Produktberatung via Chatbot sinnvoll? Chancen und Grenzen
Ein essenzieller Teil der Kundeninteraktion ist die Produktberatung. Zu welchen Produkten wollen Kunden von einem Chatbot beraten werden und zu welchen nicht?
Grundsätzlich will sich die Mehrheit der Kunden weiterhin lieber von menschlichen Beraterinnen und Beratern als von einem Chatbot zu Bankprodukten beraten lassen. Gerade einmal 19 Prozent denken daran, eine Anlagelösung oder Hypothekenverlängerung in einem Chat abzuschließen.
Auch bei Handelsaufträgen an der Börse wollen sie auf Nummer sicher gehen. Das gilt besonders für die nicht mehr ganz jungen Bankkunden im Alter zwischen 50 und 65 Jahren: Diese können sich nur in wenigen Fällen einen Chatbot als Berater/-in vorstellen.
Gerade in der heutigen Zeit ist das hybride Beratungsmodell, also sowohl über digitale Kanäle als auch den persönlichen Kontakt, enorm wichtig und kann dem Kunden ein einzigartiges Beratungserlebnis ermöglichen.
Wo sehen Sie die Grenzen von Chatbots und den genutzten Kanälen?
Chatbots sind hilfreich, solange es nicht um komplexe, beratungsintensive Produkte geht. Das ist auch die Quintessenz der letzten Antwort und dürfte in absehbarer Zukunft nicht anders werden. Kunden schätzen in diesem Anwendungsfall das Gespräch mit den ihnen persönlich bekannten Bankberaterinnen und -beratern – und das ist auch gut so.
Wie können Voicebots an dieser Stelle ergänzend eingesetzt werden?
Die Verwendung von Voicebots bei Bankgeschäften steckt noch in den Kinderschuhen. Im Gegensatz zu Chatbots, bei denen Nutzerinnen und Nutzer ihr Anliegen eintippen müssen, können sie ihre Nachrichten bei Voicebots per Telefon oder Sprachassistent in gesprochener Sprache hinterlassen.
Derzeit werden Voicebots, wenn überhaupt, bei einfachen Kundenanfragen oder im Supportcenter akzeptiert bzw. sogar bevorzugt. Einfache Anfragen sind vor allem Fragen zum Kontostand oder das Bestellen von Dokumenten. Als komplexe Anfragen gelten hingegen Fragen zum Finanzieren, Anlegen oder Vorsorgen.
Banken tun gut daran, ihrer Kundschaft den Zugang zum „Digital Banking“ künftig auch über diesen Kanal zu ermöglichen. Allerdings gilt es, die Voicebots so aufzusetzen, dass die Kunden ihre jeweiligen Anliegen „nebenbei“ erledigen können, beispielsweise beim Autofahren oder anderen alltäglichen Tätigkeiten.
Conversational Banking und der Datenschutz
Ein wichtiger Erfolgsfaktor für die Akzeptanz ist das Vertrauen der Kunden in die technischen Lösungen. Wie kann ein sicherer und datenschutzkonformer Betrieb von Conversational-Banking-Lösungen gewährleistet werden?
Die Angst vor Sicherheitslücken bei der Nutzung von Chats ist auf Kundenseite nach wie vor groß. Deswegen sollte es ein Finanzinstitut tunlichst vermeiden, für vertrauliche Konversationen bankenfremde Kanäle wie z. B. WhatsApp oder Facebook zu verwenden.
Diese Dienste sind für Banken zwar aufgrund ihrer enormen Reichweite attraktiv. In der Standardkonfiguration erweisen sie sich aber als ungeeignet für den Einsatz in der Finanzbranche: Die Kommunikation dort erfolgt entweder über einen unsicheren Cloud-Service oder über eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Die für Banken regulatorisch vorgeschriebene Dokumentation der Konversation ist in beiden Konstellationen unmöglich.
Deshalb empfehlen wir, für Chats nur die eigenen Bankkanäle zu nutzen. Die Kommunikation findet vollständig innerhalb der gesicherten IT-Strukturen der Bank statt, datenschutzrechtlichen und Compliance-Anforderungen kann die Bank so viel leichter nachkommen. Außerdem gibt sie keine Kundendaten an Dritte weiter.
Die bankenfremden Kanäle können jederzeit für Marketing- und Sales-Aktivitäten verwendet werden, um die weite Reichweite auch ausnutzen zu können. Kommt es zu einer vertraulichen Konversation kann jederzeit der bankeigene Kanal verwendet werden.
Ungenutztes Potenzial von Conversational Banking
Wo sehen Sie noch ungenutztes Potenzial von Conversational Banking und was erwartet uns in den nächsten Jahren auf diesem Gebiet?
Wir gehen davon aus, dass sich KI-basierte Chatbots in den nächsten Jahren stark weiterentwickeln werden. Heute sind Messaging-Kanäle die zentralen Touchpoints bei der Interaktion zwischen Banken und ihren Kunden – E-Mail und Telefon sind in den Hintergrund getreten. Die Interaktionen reichen vom Erstkontakt über das Ausführen einer Transaktion bis zum Kauf eines Services.
Weil KI-gestützte digitale Kommunikation immer besser wird, dürften sich hier auch noch Möglichkeiten für das Conversational Banking auftun. In diesem Zusammenhang erwarten wir, dass die Automatisierung an Bedeutung zunehmen wird. Gerade bei einfachen Anfragen im Chat bietet sie Banken den Vorteil, rund um die Uhr erreichbar zu sein. Kunden können sich mit digitalen Assistenten jederzeit austauschen.
Conversational Banking wird sich auch stark Richtung Conversational AI bewegen, das heißt, dass mit den gewonnenen Insights und Daten viel mehr gearbeitet und interpretiert sowie vorausschauend agiert werden kann. Damit kann sichergestellt werden, dass Kunden personalisierte und individualisierte Beratungen und Angebote erhalten.
Chat als neuer Kommunikationskanal mit Banken?
Was wollen die Kunden? Zusammen mit Wirtschafts- und Finanzpartnern hat das IFZ während der letzten Monate die Einsatzmöglichkeiten von Conversational Banking in den Sales- und Serviceprozessen von Banken in der DACH Region analysiert.
Erfahren Sie hier mehr zur Studie!
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