Was bleibt nach Hype um Blockchain für die Finanzwelt?

Bislang galt in der Bankenwelt: Blockchain? Gerne! Kryptowährungen? Nein, danke! Es gibt kaum eine Bank, die nicht das innovative Potenzial der Blockchain betont, ohne im gleichen Atemzug gegen Kryptowährungen zu schießen. Diese Haltung ist durchaus verständlich. Schließlich gibt es außer der Blockchain-Lösung von Ripple Labs gegenwärtig keine Blockchain-Anwendung, die kommerziell von Finanzinstituten genutzt wird. Zu gegensätzlich, zu unausgereift und zu kannibalisierend ist das Konzept von Blockhain-Anwendungen, die auf Kryptowährungen zurückgreifen oder diese als Zahlungsmittel akzeptieren.

Auch losgelöst von Kryptowährungen mag der Eindruck entstehen, dass im Bankensektor Ernüchterung über die Blockchain-Technologie einsetzt. Wie bereits eines der größten Bankenkonsortien vor einigen Monaten feststellen musste, sind Blockchain-Lösungen gegenwärtig nur bedingt ökonomisch umsetzbar. Die Kerneigenschaft der Blockchain-Technologie ist neben der Kryptografie die Dezentralität – und die hat einen großen Schwachpunkt: Skalierbarkeit. So sind dezentrale Systeme in puncto Geschwindigkeit zentralen Transaktionssystemen deutlich unterlegen. Entsprechend stellt sich die Frage: Was bleibt nach dem großen Hype für die Finanzwelt übrig?

Bei aller Kritik muss man zunächst konstatieren: Was nicht ist, kann noch werden. Die Technik befindet sich immer noch im Anfangsstadium. Es wird noch mehrere Jahre dauern, bis die Blockchain-Technologie so ausgereift ist, dass sie das gesamte Finanzsystem durchdringt. Klar ist: Mittelfristig sind die Vorteile von Smart Contracts – also in Programmcode gegossenen Verträgen, die auf der Blockchain liegen – bei der Automatisierung von Prozessen enorm attraktiv. Auch die Stärkung der IT-Sicherheitsinfrastruktur durch kryptografische und dezentrale Elemente ist angesichts zunehmender Cyberangriffe ein erfolgskritischer Aspekt für Finanzinstitute.

Wo die Kryptoökonomie ins Spiel kommt

Abseits eigener Blockchain-Lösungen bietet sich für die Finanzwelt jedoch noch eine andere Spielfläche: die Kundennachfrage nach Kryptowährungen. Zum einen ist die Nachfrage nach regulierten Finanzprodukten, die Kryptowährungen beinhalten resp. abbilden, immer noch hoch. Zum anderen benötigen viele Blockchain-Start-ups eine Bank als Partner und Lizenzgeber, um ihr Geschäftsmodell umsetzen zu können. Insbesondere Banken in kryptofreundlichen Jurisdiktionen, wie Schweiz, Liechtenstein oder Estland, profitieren hier von einem neu entstandenen Geschäftszweig.

So bietet beispielsweise die Bank Frick aus Liechtenstein einen Treuhandservice (Escrow) für Token Sales an. Das bedeutet, dass ein Blockchain-Start-up, das durch ein Initial Coin Offering (ICO) – analog zu einem IPO bei Aktien an der Börse – Kapital gegen Token eingesammelt hat, dieses dort sicher aufbewahren kann. Was für Gold oder Buchgeld gilt, gilt auch für Kryptowährungen: Für eine sichere Aufbewahrung und Sicherstellung der Investoreninteressen braucht es eine sichere Verwahrstelle. Viel zu groß ist die Angst vieler Kryptoinvestoren, ihre Einlagen ausschließlich von Blockchain-Start-ups verwalten zu lassen.

Hinzu kommen regulatorische Vorschriften, die insbesondere bei Finanzprodukten wie Fonds zwingend erfüllt werden müssen. So wurden in den letzten Monaten mehrere Kryptofonds zugelassen. Auch hier waren Banken unverzichtbar, um eine Zulassung von der jeweiligen nationalen Finanzmarktaufsicht zu erhalten.

Mehr Chance als Risiko

Die regulatorischen Hürden sind bislang häufig noch zu unklar oder zu hoch, sodass viele Finanzverwalter vor einem Engagement in Kryptowährungen zurückschrecken. Die Beispiele der letzten Wochen und Monate (u. a. Postera Fund, BITREAL Capital, Blockwall-Fonds oder der Krypto-Trading-Service der VPE Bank) hingegen zeigen, dass ein reguliertes und lizenziertes Handelsgeschäft für Banken möglich ist – auch in Deutschland. Zwar sind die Finanzprodukte in der Regel noch institutionellen Investoren vorbehalten, doch mit zunehmender regulatorischer Klarheit sind erste Publikumsfonds nur eine Frage der Zeit.

Traditionelle Finanzinstitute sind dem Kryptoökosystem in vielem voraus: Sie besitzen jahrelange Erfahrung, verfügen über die notwendigen Lizenzen und können nach wie vor auf viel Vertrauen von zumindest einem ausreichend großen Teil der Bevölkerung zurückgreifen. Zudem treiben die immer strengeren Vorschriften hinsichtlich Anti-Geldwäsche- und KYC-Auflagen den Kryptomarkt stärker in die Arme des regulierten Finanzsystems.

Auch wenn in Zukunft theoretisch alle Bankdienstleistungen durch Blockchain und Kryptowährungen ersetzt werden könnten, bevorzugt es der Großteil der Bankkunden und Investoren gegenwärtig, die Verwaltung seiner Einlagen einem vertrauenswürdigen Mittelsmann, also einer Bank, zu überlassen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass dies noch längerfristig so bleiben wird, auch wenn das manchem Kryptoenthusiasten missfallen mag. Denn klar ist: Wer nicht auf einen Mittelsmann zurückgreift, muss selbst die volle Verantwortung tragen – ein Konzept, das in der Breite nur schwer denkbar ist.

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Sven Wagenknecht

Chefredakteur

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