MiCAR: Navigation durch die Notifikationsverfahren

Im Folgenden geben wir einen Überblick über die Lizenzierungsverfahren gemäß der europaweiten Verordnung über Märkte für Kryptowerte (MiCAR):[1]

Die MiCAR-Lizenzierungsverfahren

Im Anschluss an die ersten Artikel unserer Blog-Reihe „MiCAR Unveiled“, in der wir die Klassifizierung von Kryptowerten und -Dienstleistungen nach MiCAR sowie Anforderungen an die Erbringung von Kryptowerte-Dienstleistungen dargestellt haben, werden wir in diesem Artikel den Fokus auf die Lizenzierungsverfahren nach MiCAR legen.

Die Europäische Union hat drei verschiedene Verfahren für die Erteilung einer Lizenz im Rahmen der MiCAR festgelegt, von denen jedes Verfahren für bestimmte Finanzdienstleister auf Grundlage ihrer bisher lizensierten Dienstleistungen zugeschnitten ist. Diese Verfahren zielen darauf ab, doppelte aufsichtliche Prüfungen und Bewertungen zu minimieren, sofern das Institut bereits EU-Vorschriften unterliegt, wie z. B. der Verordnung über Wertpapierdienstleistungen gemäß MiFID II.

MiCAR: Komplexität der drei Antragsverfahren Abbildung 1: Die Komplexität der drei Antragsverfahren

I) Notifikationsverfahren

Das Notifikationsverfahren (Art. 60 MiCAR) ist das am wenigsten komplexe Verfahren und zeichnet sich durch folgende Merkmale aus:

    • Zielinstitute: EU-regulierte Finanzinstitute, die Wertpapierdienstleistungen erbringen, die denen der MiFID II gleichwertig sind, einschließlich Zentralverwahrer, Wertpapierfirmen und Kreditinstitute.
    • Handlungsbedarf: Die Einleitung des Antragsverfahrens beinhaltet die Übermittlung spezifischer Details an die nationalen Behörden für die Zulassung unter MiCAR, mit Ausnahme von MiFID-II-äquivalenten Wertpapierdienstleistungen (z. B. Geschäftsplan des geplanten Angebots an Kryptowerte-Dienstleistungen, Beschreibung der Verwahrungs- und Verwaltungspolitik, usw.).
    • Zeitrahmen: Das Antragsfenster öffnet sich am 30. Dezember 2024 mit einer Vorlaufzeit von 40 Tagen vor Erbringung der Dienstleistung und läuft bis zum 1. Juli 2026.
    • Beispiel: Nach EU-Recht (MiFID II) regulierter Zentralverwahrer (CSD)

II) Vereinfachte Lizenzierungsverfahren

Das vereinfachte Lizenzierungsverfahren (Art. 143 (6) MiCAR) erfordert zusätzliche Informationen und kann während der „Grandfathering“-Phase beantragt werden:

  • Zielinstitute: Das Verfahren richtet sich an Anbieter von Kryptowerte-Dienstleistungen, die diese derzeit innerhalb der Grenzen der nationalen Gesetzgebung anbieten.
  • Handlungsbedarf: Dieser Ansatz erfordert weniger Informationen als das Standardlizenzierungsverfahren, wobei die spezifischen Details auf nationaler Ebene von den EU-Mitgliedstaaten festgelegt werden.
  • Zeitrahmen: Der Zeitrahmen für dieses Verfahren entspricht dem für das Notifikationsverfahren. Anträge können zwischen dem 30. Dezember 2024 und dem 1. Juli 2026 gestellt werden. Nach Ablauf dieses Zeitraums tritt wieder das Standardlizenzierungsverfahren in Kraft.
  • Beispiel: Ein Fintech-Unternehmen, das Kryptowerte-Dienstleistungen im Sinne des Kreditwesengesetzes (KWG) anbietet

III) Standardlizenzierungsverfahren

Das Standardlizenzierungsverfahren (Art 62, 63 MiCAR) ist das komplexeste und gilt für die verbleibenden Finanzdienstleister, die nicht unter die beiden anderen Verfahren fallen.

  • Zielinstitute: Das Standardlizenzierungsverfahren ist für alle Finanzdienstleister von Kryptowerte-Dienstleistungen vorgesehen, die nicht die Kriterien der oben genannten Verfahren erfüllen.
  • Handlungsbedarf: Da keine Vorabinformationen an nationale oder EU-Behörden übermittelt wurden, ist für den Antrags die Einreichung umfassender Informationen erforderlich.
  • Zeitrahmen: Dieses Verfahren tritt zeitgleich mit den beiden anderen Verfahren am 30. Dezember 2024 in Kraft.
  • Beispiel: Juristische Personen oder andere Unternehmen, die beabsichtigen, Kryptowerte-Dienstleistungen zu erbringen

MiCAR-Passporting

Das MiCAR-Passporting (Art. 65 MiCAR) ermöglicht es Anbietern von Kryptowerte-Dienstleistungen, die in einem EU-Land zugelassen und reguliert sind, ihre lizenzierten Kryptowerte-Dienstleistungen in anderen EU-Mitgliedstaaten anzubieten, ohne in jedem dieser Länder eine separate Lizenz für Kryptowerte-Dienstleistungen beantragen zu müssen. Auch ohne physische Präsenz kann ein Anbieter von Kryptowerte-Dienstleistungen in anderen EU-Ländern tätig werden.

Ziel des MiCAR-Passporting ist es, die Integration und den freien Handel von Kryptowerte-Dienstleistungen im EU-Binnenmarkt zu erleichtern. Im Vergleich zu den Passporting-Regulierungen von Nicht-EU-Ländern wie der Schweiz hat das MiCAR-Passporting den Vorteil, dass Anbieter von Kryptowerte-Dienstleistungen eine einmal erworbene Lizenz mit geringen Ressourcen skalieren und so die Internationalisierung von Kryptowerte-Dienstleistungen schnell vorantreiben können.

In Deutschland ist das MiCAR-Passporting für Kryptowerte-Dienstleistungen ähnlich umgesetzt und im KWG-Regime definiert (§ 24a Abs. 3 KWG), hat aber kürzere Fristen und weniger Anforderungen. So hat die BaFin beispielsweise nur 15 Tage Zeit, die Meldung zu prüfen. Es ist auch möglich, einen Antrag für mehrere Länder gleichzeitig zu stellen.

Handlungsbedarf bezogen auf die Lizenzierungsverfahren der MiCAR

Nach Erhalt der Lizenz oder während der Bearbeitung des Lizenzantrags für eine Kryptowerte-Dienstleistung sehen sich Finanzinstitute bei der Konzeption ihrer Kryptowerte-Dienstleistung, wie beispielsweise der Verwahrung von Kryptowerten mit Make-or-Buy-Entscheidungen konfrontiert. Die Entwicklung von Verwahrungsdienstleistungen für Krytowerte kann große Herausforderungen mit sich bringen, wie z. B. die Entwicklung eines MiCAR-konformen Prozessdesigns und die Anbindung an die Bestandssysteme der Finanzinstitute.

Eine Kaufentscheidung für eine bereits verfügbare und bewährte SaaS-Lösung für die Verwahrung von Kryptowerten kann den Prozess verkürzen und die Kosten für die Einrichtung einer Kryptowerte-Verwahrstelle erheblich senken.

Die MiCAR mit ihren spezifischen Anforderungen an Kryptowerte und Kryptowerte-Dienstleistungen sowie verschiedenen Lizenzierungsverfahren wird in Kürze in Kraft treten und von den EU-Mitgliedstaaten übernommen werden.

Wie in unserer Reihe „MiCAR Unveiled“ dargestellt, müssen Anbieter von Kryptowerte-Dienstleistungen ihre strategische Positionierung, Produktangebote, Lizenzierungsverfahren und Compliance-Verpflichtungen sorgfältig abwägen, um ein robustes Geschäfts- und Betriebsmodell in diesem dynamischen Umfeld zu entwickeln .

Wenden Sie sich gerne an unser Digital-Assets-Team, um weitere Schritte zu erörtern, die Ihr Institut unternehmen kann.

[1] Verordnung (EU) 2023/1114.

Sprechen Sie uns gerne an!

Julian Schmeing / Autor BankingHub

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