Geschäftsmodell von STOKR
Im Gegensatz zu traditionellen Unternehmen, die im Bereich Risikokapital tätig sind, zeichnet sich STOKR durch eine partizipative Investitionsplattform aus, die auf Blockchain-Technologie basiert.
Die Plattform gibt über Security Token Offerings (STOs) Fremdkapital und Eigenkapitalinstrumente aus, mit denen Investierende Zugang zu der Wertentwicklung von alternativen Assets wie alternativen Investmentfonds, Musikrechten oder der Partizipation an der Entwicklung von Bitcoin-Mining-Aktivitäten haben.
Hallo Herr Seidl, in den Medien ist von verschiedensten mehr oder weniger vertrauenswürdigen Konzepten wie ICOs, SPOCs, NFT usw. zu hören. Wie positioniert sich das Angebot von STOKR?
Als ich meinen Mitgründer Arnab Naskar auf einer Blockchain-Konferenz im Frühjahr 2017 in München kennenlernte, war gerade die Zeit der ICOs. Wir merkten schnell, dass die sogenannten Utility Token Sales keinen echten Mehrwert neben dem Netzwerkeffekt vorweisen konnten. Dabei war die Idee, dass der Preis der Tokens mit dem Nutzen der Tokens steigen würde. Das Problem war nur, dass die meisten Tokens, die ausgegeben wurden, keine echte Utility, sondern nur eine versprochene hatten.
Wie wir heute wissen, hat sich bei den meisten auch nie ein echter Nutzen entwickelt, sodass sie heute bis auf wenige Ausnahmen vollkommen bedeutungslos sind.
Die Idee, eine direkte Verbindung zwischen dem Emittenten und dem Investor oder der Nutzerin durch Blockchain-Technologie herzustellen, fanden wir aber dennoch sehr interessant. So haben wir uns überlegt, ob sich nicht Finanzinstrumente auf Blockchain-Basis abbilden lassen, die den Investierenden Gewinn oder Umsatzbeteiligungsrechte am Emittenten verschaffen. Dabei habe ich mir die verschiedenen Rechtsordnungen in Europa angesehen und das Luxemburger Gesellschaftsrecht als am geeignetsten für die Ausgabe solcher Finanzinstrumente identifiziert.
Das Luxemburger Gesellschaftsrecht erlaubt den Gesellschaften, ihr eigenes Investorenregister zu führen. Damit war die Idee geboren.
Wir ermöglichen Investierenden, sich über einen Whitelisting-Prozess auf einer Plattform zu identifizieren und ihre Blockchain-Adresse zu hinterlegen. Die Verknüpfung von beiden ermöglicht, dass ein Emittent zu jeder Zeit weiß, wer seine Anteile hält, da das Investorenregister von nun an 24/7 automatisch mit der Blockchain aktualisiert wird. Letztlich schafft diese Technologie neben der Verminderung von vielen Risiken, die bei der Ausgabe von Anteilen im klassischen Wertpapierhandelssystem entstehen, auch die direkte Verbindung zu den Investierenden – ein Wert, der nicht zu unterschätzen ist, da er viel Kontrolle über die Investorenbasis gibt und so zukünftige Kapitaleinholungen erleichtert und wesentlich günstiger macht. Die Investierenden haben auf der anderen Seite die Möglichkeit, ihre Risiken konkret zu bestimmen, da keine intermediären Risiken bestehen.
Sie sind gelernter Jurist und haben vor STOKR in verschiedenen Kanzleien in Deutschland und Luxemburg gearbeitet. Was sind die Vorteile und möglicherweise Nachteile, als Jurist ein Tech-Unternehmen zu gründen?
Die Arbeit als Anwalt und Investmentstrukturierer bei verschiedenen Asset-Managern und Anwaltskanzleien hat mir die Grundlage gegeben, über bestehende Strukturen hinausdenken zu können.
Der wesentliche und entscheidende Unterschied zur Arbeit in einem klar definierten Beruf ist, dass ich als Gründer eines sehr innovativen Unternehmens jeden Tag eine Aufgabe vor mir habe, die ich in dieser Form noch nie vor mir gehabt habe. Die Führung eines Unternehmens ohne Blaupause erfordert viele verschiedene „Skillsets“. Dabei hat mir vor allem geholfen, dass ich zum Beispiel einige Jahre als Industriedesigner arbeitete, bevor ich mein Jurastudium begann, und später sowohl in Medienunternehmen als auch Finanzunternehmen tätig war.
Vision von STOKR
Die Vision von STOKR ist es, den führenden Marktplatz zu schaffen, auf dem alle die Möglichkeit haben, in alternative Anlagen zu investieren. Warum sollte ich als Privatinvestor/-in in solche alternativen und tendenziell risikobehafteten Anlagen investieren?
Wie viele Studien und die Praxis von erfolgreichen Vermögensverwaltern – zum Beispiel die Yale-Stiftung – zeigen, ist die Klassifizierung in risikoreichere und weniger risikobehaftete Anlageklassen wenig hilfreich für die erfolgreiche Vermögensverwaltung. Der Schlüssel hier ist immer die Möglichkeit, seine Risiken zu diversifizieren und so eine Balance bei verschiedenen Marktszenarien zu erreichen.
Privatanlegerinnen und -anleger haben grundsätzlich sehr begrenzten Zugang zu alternativen Anlageklassen wie zum Beispiel Venture Capital, Private Equity, Immobilien, Kunst und Musikrechten. Diese sind vornehmlich professionellen Anlegern vorbehalten.
Privatanleger/-innen haben in erster Linie die Möglichkeit, in börsennotierten Unternehmen und Fonds, die wiederum in börsennotierte Unternehmen investieren, anzulegen. Dabei stellt sich die Frage, wie stark Anlegerinnen und Anleger so ihre Anlagen sinnvoll diversifizieren können.
Aktienmärkte korrelieren stark. Das heißt, geht der Markt nach unten, gehen auch die Vermögen der Privatanleger/-innen nach unten. Zusätzliche, weniger korrelierende Anlageklassen wie zum Beispiel Musikrechte ermöglichen Privatanlegerinnen und -anlegern so, besser ihre Risiken zu verwalten. Es ist nicht verständlich, das wesentliche Element erfolgreicher Vermögensverwalter – nämlich die Diversifizierungsmöglichkeit – Privatanlegerinnen und -anlegern vorzuenthalten. Meiner Ansicht nach sind Privatanleger/-innen so ohne Not höheren Risiken ausgesetzt als professionelle Anleger.
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Zielgruppe von STOKR
Können alle Interessierten über Ihre Plattform investieren? Gibt es Restriktionen zum Beispiel in Bezug auf ein Minimalvolumen oder Vorkenntnisse der Investierenden? Was passiert, wenn ein Unternehmen Insolvenz anmeldet?
STOKR hält sich freilich an bestehende Finanzmarktregeln, wodurch es verschiedene Schwellenwerte oder geografische Restriktionen zu beachten gilt. Wir haben beispielsweise die Mindestanlagesumme aus regulatorischen Gründen für die Blockstream Mining Note auf 125.000 EUR festgesetzt oder in anderen Projekten Investierenden aus bestimmten Ländern keinen Zugang zur Investition gegeben. Es ist eine Fall-zu-Fall-Entscheidung, wobei wir immer versuchen, eine größere Anlegergruppe zu erreichen. Damit müssen natürlich auch Prospektverordnungen und spezielle Gesetzgebungen in der Jurisdiktion der Anlegerinnen und Anleger beachtet werden.
Wie sieht heute der typische STOKR-Investor aus? Fokussieren Sie sich auf bestimmte Kundengruppen?
Investierende auf unserer Plattform sind in erster Linie Individuen, die große Erfahrung in Kryptografie haben und ihre Kryptowerte nutzen wollen, um von einer großen Exposition in Krypto heraus zu diversifizieren. Wir sehen aber auch Interesse von institutionellen Anlegern, da STOKR Anlageklassen schafft, die selbst für institutionelle Anleger bisher nicht zur Verfügung standen.
Welche Möglichkeiten habe ich als Inverstor/-in, eine Due Diligence des Unternehmens durchzuführen? Bieten Sie hier eine standardisierte Oberfläche oder liegt dies in der Verantwortung des Unternehmens?
Alle Unternehmen auf STOKR durchlaufen einer sehr genaue Due-Diligence-Prüfung, wobei wir auch vorentwickelte Anforderungen haben. Das Unternehmen selbst ist aber immer für die Richtigkeit der Angaben verantwortlich.
Können Sie uns Beispiele von Unternehmen nennen, in die man über Ihre Plattform investieren kann? Bieten Sie auch Möglichkeiten zur Streuung von Risiken an, wenn ich nicht nur in ein Unternehmen investieren will?
Ja, absolut. Wir eröffnen jetzt zum Beispiel die Möglichkeit, in Musikrechte und bald Immobilien zu investieren. Wir sind immer auf der Suche nach neuen Anlagemöglichkeiten.
Für Emittenten ist der offensichtliche Mehrwert, dass sie Zugriff auf Kapital (eventuell sogar intelligentes Kapital) erhalten, jedoch kann dieser Mehrwert schnell verpuffen, wenn der administrative und juristische Aufwand zu hoch ist. Wie kann STOKR die Unternehmen entlasten?
STOKR ist ein One-Stop-Shop für Kapitaleinholung. Wir haben alle „Pain Points“ im Blick, die klassische Investmentplattformen jeden Tag zu bewältigen haben. So bieten wir eine Lösung an, die von KYC/AML-Integration bis hin zu Whitelisting alle Probleme bewältigt.
Wir geben den Unternehmen und Asset-Managern die Möglichkeit, unsere Investmentstrukturen, unser digitales KYC/AML-Portal, unsere regulatorischen Disclosure-Portale und unsere Investment-Flows zu nutzen, damit die Ausgabe von komplexen Finanzinstrumenten reibungslos funktioniert.
Welche Art von Unternehmen wendet sich tendenziell an STOKR? Konzentrieren Sie sich auf eine bestimmte Zielgruppe?
Die Unternehmen, die wir auf unserer Plattform präsentieren, sind im Wesentlichen mit der Technologie vertraut und haben keine Berührungsängste mit Blockchain. Allerdings haben wir in den letzten Monaten festgestellt, dass die Tokenisierung von Assets jeden Tag mehr „Mainstream“ wird. Das heißt, wir sind offen für jede neue Art von Unternehmen, das diese Möglichkeit in Betracht zieht. Über kurz oder lang wird nach unserer Einschätzung der gesamte Kapitalmarkt tokenisiert.
Der Aufbau eines zweiseitigen Marktplatzes ist langwierig und schwierig. Was ist Ihre Herangehensweise, um sowohl Investierende als auch Emittenten anzuwerben?
Unsere Emittenten kommen traditionell aus dem Kryptobereich. Seit wir im Markt aktiv sind, hat sich die Situation allerdings dramatisch geändert. Heute sehen wir viele klassische Finanzunternehmen wie JP Morgan, Goldman Sachs, Nasdaq und andere, die starkes Interesse an Tokenisierung zeigen. Unsere Hoffnung ist, dass wir in Zukunft auch Unternehmen aus Luxemburg haben, die unsere Technologie nutzen werden.
Zukunft von STOKR
Wo sehen Sie STOKR in den nächsten fünf Jahren? Wo gibt es Möglichkeiten zum Ausbau des Produktangebots sowie zur Internationalisierung?
Wir arbeiten daran, in fünf Jahren der führende alternative Investmentmarktplatz in Europa und den USA zu sein. Wir sehen viel Potenzial auch in sogenannten Sustainable Investments, die aus unserer Sicht wesentlich direkter und ehrlicher strukturiert werden können, wenn sie den Anlegerinnen und Anlegern nicht als UCITS-Fonds angeboten werden.
Vielen Dank für das Gespräch! Wir wünschen Ihnen und STOKR alles Gute für die Zukunft.