Personalentwicklung – aber richtig!

In der Personalentwicklung geht es bisweilen zu wie in der Fernsehwerbung am Vorabend: „Wir müssten da mal was für unsere Mitarbeiter tun – haben Sie da etwas?“ „Unsere Führungskräfte sind nicht so ganz auf der Höhe – was können Sie da so anbieten?“ „Haben Sie auch Coachings für schwere Fälle?“ Und so weiter. Personalentwicklung als Breitband-Therapeutikum für alles, was schief läuft.

In der Personalentwicklung geht es bisweilen zu wie in der Fernsehwerbung am Vorabend

Strategisch ist daran wenig bis gar nichts. Trotz zahlloser anderslautender Statements zum Wert und zur Bedeutung der Personalentwicklung ist sie in vielen Banken und Sparkassen ein Reparaturdienst für Defekte in der Linie geworden. Coachings, Training und Seminare zur Persönlichkeitsentwicklung werden angesetzt, wenn länger schwelende Konflikte und „Störungen im Betriebsablauf“ bereits eine bedenkliche Ausprägung angenommen haben. Alles, was im Übrigen keine therapeutische Bedeutung hat, lässt sich dem eher operativen Gegenstandsbereich der Aus- und Weiterbildung zuordnen. Viele hauptamtliche Personalentwickler teilen dieses arg reduzierte Verständnis von Personalentwicklung.

Dabei gibt es für Banken und Sparkassen viele gute Gründe, die Personalentwicklung wieder etwas stärker ins Auge zu fassen: In den nächsten Jahren gehen die Babyboomer in Rente. Zahlreiche Führungskräfte und Spezialisten werden den Kreditinstituten dann fehlen – im Asset-Management, im Controlling, in der Bilanzanalyse, in der Regulatorik oder im Risiko- und Prozessmanagement. Häufig wird der Verlust überraschend eintreten, obwohl er natürlich vorhersehbar war. Aber die demografische Transformation, die kontinuierliche Abnahme des Erwerbspersonenpotenzials, strukturelle Angebotsschwächen am externen Arbeitsmarkt, Qualitätsdefizite im sekundären und tertiären Bildungssektor und die abnehmende Arbeitgeberattraktivität von Kreditinstituten – all diese Faktoren werden einen raschen Ersatz von verloren gegangener Expertise erschweren und bisweilen unmöglich machen.

Personalentwicklung ist interne Personalbeschaffung

Da hilft es, wenn man sich auf die eigentliche Aufgabe der Personalentwicklung zurückbesinnt, mag man diese nun strategisch nennen oder nicht. Personalentwicklung ist interne Personalbeschaffung. Sie ist damit das innerbetriebliche Pendant zur externen Personalbeschaffung, zum klassischen Recruiting. Und: Personalentwicklung dient dem Erhalt betrieblicher Ressourcen. Das Ziel von Personalentwicklung – darauf hat Oswald Neuberger schon vor Jahrzehnten hingewiesen – ist Personal, nicht Persönlichkeit. Für die Kreditwirtschaft heißt das: Die betriebliche Personalentwicklung hat internen Ersatz für ausscheidende Ressourcen und Expertise zu schaffen.

Das dafür erforderliche Instrumentarium ist vorhanden, wird aber noch zu wenig genutzt. Zunächst einmal geht es aus Sicht einer ressourcenorientierten Personalentwicklung darum, mögliche Vakanzen in erfolgskritischen Positionen zu identifizieren oder wenigstens zu antizipieren. Es hat sich in der Praxis sehr bewährt, in diesem Kontext auf das Repertoire des Personalrisikomanagements zuzugreifen, geht es doch darum, Personalrisiken zu erfassen und zu benennen. Im Mittelpunkt stehen natürlich die Austrittsrisiken oder mit anderen Worten: das Risiko des Austritts von Leistungsträgern. Dieses Risiko wird aufgrund der demografischen Situation in vielen Banken und Sparkassen demnächst schlagend werden.

Schritt 1: Personalrisikomanagement

Austrittsrisiken sollten methodisch-strukturiert identifiziert werden. In diesem Sinne sollten die Führungskräfte der ersten Ebene regelmäßig, mindestens aber einmal jährlich der Geschäftsführung die konkrete Personalrisikosituation schildern. Dazu werden alle Risikopersonen aufgeführt, gegebenenfalls unter Bezugnahme auf die einschlägigen regulatorischen Vorgaben (z. B. InstitutsVergV, MaRisk) – das ist aber nicht zwingend erforderlich. Notwendig ist dagegen eine namensscharfe Identifikation der Risikopersonen. Die mehr und mehr auch in der Personalarbeit üblich gewordene Praxis, über Quoten, Prozentsätze oder andere quantitative Größen zu steuern, führt in diesem Zusammenhang zu keinerlei Erkenntnisgewinn. Den Risikopersonen werden Funktion, das konkrete Risiko und die Risikointensität (Eintrittswahrscheinlichkeit) sowie mögliche Konsequenzen oder Aktivitäten zugeordnet. Außerdem sind Vertreter oder mögliche Nachfolger aus dem eigenen oder einem anderen Ressort zu benennen.

Inhaltlich verantwortlich für diesen Prozess sind in erster Linie die Führungskräfte der ersten Ebene. Die Geschäftsleitung fungiert als steuerndes und hoheitliches Organ für den Prozess. Das Personalressort strukturiert und moderiert das Verfahren und stellt alle erforderlichen Daten zur Verfügung.

Schritt 2: Potenzialorientierte Nachfolgeplanung

Schon bei der Nennung möglicher Nachfolgekandidaten schlägt die Stunde der Personalentwicklung, denn hier wird ihre Hauptaufgabe angesprochen: die interne Personalbeschaffung. Die Angaben der Führungskräfte auf der ersten Führungsebene zu möglichen Nachfolgekandidaten, zu Potenzial und Eignung der jeweils genannten Mitarbeiter sind eine erste Indikation für einen Handlungs- oder Entwicklungsbedarf. Diese Indikation ist aber zu validieren. Der professionell aufgestellten Personalentwicklung stehen dabei zwei Verfahrensweisen und Informationsquellen zur Verfügung:

  1. Daten und Angaben aus der regelmäßigen Mitarbeiterbeurteilung zu Leistungen, Kompetenzen und Potenzial des Mitarbeiters
  2. Eignungsdiagnostische Verfahren und Instrumente zur Bestätigung der Eignung (idealerweise in Form von multimodalen Interviews und anderen Techniken evidenzbasierter Eignungsdiagnostik)

Es ist nicht immer sinnvoll, Mitarbeiter „vorsorglich“ in eignungsdiagnostische Verfahren zu schicken, weil dabei oft Erwartungshaltungen geschaffen werden, die dann enttäuscht werden (müssen). Gleichwohl lässt sich im Rahmen des jährlichen Prozesses ein erstes solides Tableau der Nachfolgekandidaten aufstellen. In der Praxis hat sich dafür die Portfolio-Methodik bewährt. Dabei können unterschiedliche personalwirtschaftliche Sachverhalte so gegeneinander korreliert werden, dass man eine anschauliche Momentaufnahme der Nachfolgesituation und damit auch der künftigen Leistungsfähigkeit des Unternehmens erhält.

Personalentwicklung – aber richtig! Identifikation von Risikopersonen und Potenzialorientierte NachfolgeplanungAbbildung 1: Identifikation von Risikopersonen und Potenzialorientierte Nachfolgeplanung

Eine hohe Risikointensität erfordert personalwirtschaftliche Aktivitäten. Gibt es einen oder mehrere mögliche Nachfolger, sind Maßnahmen aus dem Repertoire der Personalentwicklung zu ergreifen. Sofern noch nicht erfolgt, können die identifizierten Kandidaten in fundierten eignungsdiagnostischen Verfahren auf ihr Potenzial und ihre Eignung hin überprüft werden. Daran schließt sich für einzelne Kandidaten oder auch eine Gruppe von Kandidaten der Regelzyklus der Personalentwicklung an. Der ist eigentlich trivial, in vielen Organisationen und Personalressorts aber längst in Vergessenheit geraten. Zielführend ist folgende Struktur: –

  • Bedarfsanalyse
  • Zielsetzung
  • Konzeption
  • Durchführung
  • Transfer
  • Evaluation

In der Praxis brechen die Maßnahme mit dem vierten Schritt ab. Eine konsistente Personalentwicklung und Nachfolgesicherung kann aber nicht auf die beiden letzten Schritte verzichten. Insbesondere die Aktivitäten zur Transfersicherung sind von essentieller Bedeutung und sollten vom aktuellen Funktionsinhaber bzw. vom Kollegium im Zielressort begleitet werden.

Abbildung 2: Funktionszyklus der Personalentwicklung

Die „Darreichungsform“ der einzelnen Maßnahmen zur Personalentwicklung kann stark variieren und ist in erster Linie vom identifizierten Bedarf und von den definierten Zielen abhängig. Hier kommt prinzipiell das ganze Spektrum der Personalentwicklung infrage: Coaching und Mentoring, Seminare und modularisierte Schulungen, arbeitsplatznahe Formen und Tandemlösungen usw. Wichtig sind, wie bereits erwähnt, der Transfer in die betriebliche Praxis und die Erfolgskontrolle. Die hat im Kern zwei Fragen zu beantworten – erstens: Sind die definierten Ziele erreicht worden? Und zweitens: War das eingesetzte Instrumentarium adäquat?

Derlei Fragen sollte man im Übrigen auch unter Effizienzgesichtspunkten noch guten Gewissens beantworten können. Damit fallen die zahllosen Angebote aus dem Segment der esoterischen Persönlichkeitserbauung gleichsam von selbst weg. Kein Risikocontroller muss fernöstliche Teezeremonien kennenlernen, kein Bereichsleiter „Firmenkunden“ muss Alpakas durch den Taunus führen können, kein Compliancebeauftragter muss in die Tiefen oder Untiefen schamanistischer Zauberei eingeführt werden. Im Kern geht es darum, dass identifizierte Nachfolger eignungsdiagnostisch bestätigt und rasch in die Lage versetzt werden, zum festgelegten Zeitpunkt eine freiwerdende Position zu besetzen.

Zusammenfassung

Trotz anderslautender Parolen fristet die Personalentwicklung in den meisten Banken und Sparkassen ein stiefmütterliches Dasein. Die Megatrends im Umfeld der Kreditwirtschaft können indes keinen Zweifel an ihrer Dringlichkeit lassen. Professionelle Personalentwicklung stellt sich diesen Trends und unterstützt das Management dabei, jene personalwirtschaftlichen Risiken zu identifizieren, die mit dem Austritt wichtiger Leistungsträger verbunden sind. Personalentwicklung ist Personalrisikomanagement. Im zweiten Schritt wird die Personalrisikosituation mit der Art und Anzahl möglicher Nachfolgekandidaten verknüpft. Es geht um Potenzial und Eignung. Personalentwicklung in der Kreditwirtschaft ist ganz maßgeblich Nachfolgeplanung.

Alles, was dann passiert, gehört zum konventionellen Aufgabenkatalog der Personalentwicklung. Erfolgskritisch ist dabei das strukturierte, methodische und konsequente Vorgehen. Konsequent heißt: bis zum Ende eines regelgeleiteten Prozesses. Evaluation und Transfersicherung sind unabdingbar. Ebenso unabdingbar ist die klare Rollenverteilung: Die Geschäftsleitung führt den Prozess, die Führungskräfte der ersten Ebene verantworten Risiko- und Potenzialsituation inhaltlich und formal, das Personalressort strukturiert und moderiert den Prozess. Anders geht Personalentwicklung in Banken und Sparkassen heute nicht mehr.

 

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