Corona-Virus – Handlungsbedarf für das operative Kreditgeschäft!

Das Corona-Virus hat die Banken und natürlich auch ihr operatives Kreditgeschäft fest im Griff. Die Situation und die damit verbundenen Gegenmaßnahmen zur Einschränkung des öffentlichen Lebens haben mit wenigen Ausnahmen zu einem Nachfrage- und Angebotsschock geführt. Ca. 50 Prozent der deutschen Unternehmen erwarten in diesem Jahr einen Umsatzeinbruch.[1] Für viele Gewerbetreibende und Unternehmen (u.a. Einzelhandel, Hotel- und Gaststättengewerbe, Messebau, Tourismus, Dienstleistungen) geht es um die Existenz. Unternehmen reagieren und beantragen massenhaft Kurzarbeit zur Kostenentlastung. Die Bundesregierung erwartet, dass deutsche Unternehmen infolge der Corona-Epidemie für rund 2,15 Millionen Beschäftigte Kurzarbeit beantragen werden.[2] Ungeachtet der zahlreichen Stützungsmaßnahmen erwartet das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in 2020 einen Anstieg der Arbeitslosigkeit.[3] Andererseits führen Betriebsschließungen, Kurzarbeit und Zunahme der Arbeitslosigkeit zu Einkommensverlusten für die Arbeitnehmer.

 

Der Artikel im Überblick:

Herausforderungen für die Banken: Höhere Kreditrisiken und steigender Kreditbedarf

Banken schließen Filialen und sind selbst von steigenden Corona-Fällen unter Mitarbeitern betroffen. Notfallpläne werden umgesetzt, um den operativen Betrieb aufrechtzuerhalten. Je länger die Wirtschaft durch die Eindämmung der Corona-Krise beeinträchtigt wird, umso stärker steigen Kreditrisiken und -ausfälle. Banken befürchten insbesondere Ausfälle aus Krediten an kleine und mittlere Unternehmen.

Die Corona-Epidemie hat vorerst das Kreditgeschäft zum Erliegen gebracht. Banken verzeichneten in den letzten Wochen einen deutlichen Rückgang der Kreditvergabe. Nach Verkündung der Stützungsmaßnahmen der Bundesregierung für Freiberufler und Unternehmen häufen sich Anfragen nach Fördermitteln, die über die Hausbanken ggü. der KfW und anderen Förderbanken beantragt werden können.

Spätestens für das 2. Quartal rechnen Experten[4] jedoch, getrieben durch einen zunehmenden Liquiditätsbedarf, mit einem sprunghaften Anstieg der Neukreditvergabe. Banken übernehmen damit eine wesentliche Rolle zur Stabilisierung der Wirtschaft.

Durch die Banken muss zusätzliche Liquidität bei gleichzeitig verschlechterten wirtschaftlichen Verhältnissen in einer noch nie dagewesenen Geschwindigkeit gewährt werden, um die Anzahl der Zahlungsausfälle und damit negativen Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft sowie das bankeigene Kreditportfolio zu reduzieren.

Aus der skizzierten Situation ergeben sich gegenwärtig vorrangig die folgenden Anforderungen an das operative Kreditgeschäft der Banken:

    1. Die steigende Nachfrage nach Krediten zur Sicherung der Liquidität darf nicht zu Kapazitätsengpässen in den operativen Krediteinheiten führen; erwartete Kundenanfragen sind im Vorfeld zu clustern und zu priorisieren
    2. Die zu erwartende erhöhte Kreditnachfrage aus kritischen Branchen erfordert klare Vorgaben für die Kreditvergabe
    3. Es sind Anforderungen an die Problemkreditbearbeitung zu definieren, basierend auf einer detaillierten Kreditportfolio-Analyse.

Operatives Kreditgeschäft als Stabilitätsfaktor einer infizierten Wirtschaft

Zur Bewältigung der o.g. Herausforderungen sind kurzfristig insbesondere qualifizierte Kapazitäten, eine proaktive Kundenkommunikation, Nutzung bankseitiger Soforthilfe-Optionen sowie eine Überprüfung der bestehenden Kreditvergabekriterien notwendig.

  • Vermeidung von Engpässen und Priorisierung erwarteter Kundenanfragen
    Bankseitig ist eine kapazitative, organisatorische und technische Vorbereitung auf die steigende Nachfrage nach Fördermitteln in Vertriebs- und Backoffice-Einheiten der Banken zwingend notwendig. Konkret erforderlich sind Kapazitäten für die Beratung und Information der Kunden sowie die Bearbeitung und Abwicklung mit den Förderbanken. Die angespannte Liquiditätssituation insbesondere bei Selbständigen und kleinen Unternehmen erhöht die Zeitkritikalität der Antragsprozesse. Ggf. vorkommende Mitarbeiterausfälle und die mobile Arbeit im Sinne des „Homeoffice“ erfordern technische Lösungen für eine digitale Bearbeitung und Kommunikation sowohl innerhalb der Banken als auch zu Kunden und Geschäftspartnern wie den Förderbanken.
    Flankierend hierzu ist eine vorbereitende Clusterung und Priorisierung erwarteter Kundenanfragen u.a. hinsichtlich der Höhe des Liquiditätsbedarfs und Güte des Ratings zu empfehlen, um die begrenzten Ressourcen sinnvoll zu allokieren und Kreditvergabeprozesse zu beschleunigen.
  • Proaktive Kundenkommunikation
    In Zeiten der Corona-Krise besteht bei Unternehmen und Privatpersonen ein erhöhter Beratungsbedarf über Möglichkeiten zur Verbesserung der Liquiditätsausstattung. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund beschlossener und angekündigter Maßnahmenpakete durch Bundesregierung sowie der Initiativen auf Länderebene, die aktuell für den Einzelnen noch sehr intransparent erscheinen.
    Banken ist daher anzuraten, über Online Kanäle Kunden umfassend über die zur Verfügung stehenden Produkte und Maßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise zu informieren. Dies sollte auch eine Klarstellung bezüglich der benötigten Unterlagen zur Antragsgewährung umfassen, damit sich anschließende Beratungsgespräche und Antragsprozesse möglichst zeiteffizient gestalten lassen. Eine proaktive Kommunikation ist zudem essentiell, um zu verhindern, dass Kredite aufgrund verzögerter oder gänzlich unterlassener Zins- und Tilgungszahlungen als notleidend einzustufen sind.
    Voraussetzung für eine effektive Beratung der Kunden ist dabei die aktive Bereitstellung von relevanten Informationen für die Mitarbeiter. Ein aktives und zentral gesteuertes Informationsmanagement muss die Führungskräfte und Mitarbeiter bei ihrer Arbeit unterstützen.
  • Nutzung von Soforthilfe-Optionen seitens der Bank
    In einigen Fällen ist der Liquiditätsbedarf sehr dringlich, beispielsweise, um das Lohnaufkommen für den aktuellen Monat rechtzeitig begleichen zu können. Die Beantragung der neu beschlossenen Förderkredite, die über die KfW oder andere Förderbanken gewährt werden, kann unter Umständen zu lange dauern. In diesem Fällen sollte auf die herkömmlichen Mittel zur Überbrückung von kurzfristigen Liquiditätsengpässen zurückgegriffen werden, beispielweise die Stundung von Krediten, eine vollständige Ausschöpfung bestehender Liquiditätslinien oder die Anwendung von Bagatellgrenzen zur vereinfachten Vergabe von neuen Krediten. In diesem Zusammenhang ist die Klarstellung der Bafin zur Stundung von Annuitätendarlehen[5] zu beachten, um zu vermeiden, dass Kredite durch die Anwendung der Maßnahmen als notleitend eingestuft werden.
  • Überprüfung der Kreditvergabekriterien
    Erforderlich sind klare interne Vorgaben und Regelungen für die Kreditvergabe insbesondere für kritische Branchen und Unternehmen/Unternehmer, die bereits vor der Corona-Epidemie eine grenzwertige Bonität aufwiesen. Entscheidungssituationen für die Banken werden nicht einfacher; partiell sogar aufwendiger für Kunden mit generellen Defiziten bezogen auf Geschäftsmodell, Betriebsführung und Wirtschaftlichkeit. Kreditstrategien, -vergabekriterien, Unterlagenanforderungen und Kompetenzregelungen müssen ggf. angepasst werden.
    Die Europäische Bankenaufsicht[6] bietet durch die Regelungen zu „Forbearance-Maßnahmen“ Freiheitsgrade zur Vermeidung von Zahlungsausfällen im Kreditgeschäft aufgrund von kurzfristigen Liquiditätsengpässen. Allerdings sind weiterhin solide Kreditvergabestandards mit einer angemessenen Prüfung des Risikogehalts bei der Kreditvergabe anzuwenden. Es ist durch die Banken daher unter Berücksichtigung der eigenen Kredit-Risikostrategie individuell zu prüfen, unter welcher Voraussetzung und in welchem Umfang zusätzliche Liquidität für Privatpersonen oder Unternehmen gewährt werden kann.
    In diesem Zusammenhang können auch prozessuale Vereinfachungen geprüft und festgelegt werden. Beispielsweise kann unter bestimmten Voraussetzungen auf die Erstellung eines neuen Ratings und damit Durchführung einer umfangreichen Kreditwürdigkeitsprüfung verzichtet werden. Vereinfachte Verfahren und Anpassungen bei Bagatellgrenzen in der Kreditvergabe sind unter Abwägung von Risikogesichtspunkten zu entscheiden und zu dokumentieren.
  • Überprüfung der Strukturen und Prozesse für die Problemkreditbearbeitung
    Banken sind gut beraten, das eigene Kredit-Portfolio detailliert zu analysieren und den Handlungsbedarf zu antizipieren. Die Zahl der Privat- und Gewerbekunden mit Problemen bei der Bedienung ihrer Kredite wird mittelfristig steigen. Für das Handling sind auch in diesem Bereich pragmatische Standardlösungen und -empfehlungen erforderlich, die der Situation des Kreditnehmers gerecht werden. Kapazitäten und Kooperationen in diesem Bereich sind zu überprüfen, um steigenden Fallzahlen gerecht zu werden.

Fazit: Corona-Virus – Handlungsbedarf für das operative Kreditgeschäft

In Zeiten der Corona-Epidemie ist eine Standardisierung von Produkten, Vergabekriterien und Antragsprozessen wichtiger denn je.

Nur durch die Vorgabe eines strukturierten Rahmenwerks für die Unterstützung von Privatpersonen, Gewerbetreibenden und Unternehmen mit Liquiditätshilfen ist die hohe Nachfrage bei gleichzeitiger Beibehaltung eines robusten Risikomanagements zu leisten.

Es ist Banken daher anzuraten, die verschiedenen Umstände der Kreditnachfrage aufgrund der Corona-Epidemie zu clustern und risikoadjustierte Regeln für die Kreditvergabe festzulegen.

 

 

[1] Presseinformation Deutscher Industrie- und Handelskammertag: Corona-Krise ist extreme Herausforderung für Gesamtwirtschaft vom 09.03.2020
[2] Handelsblatt u.a. zum Verordnungsentwurf zur Kurzarbeit des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales 19.03.2020
[3] Presseinformation des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung vom 20.03.2020: Der Arbeitsmarkt gerät massiv unter Druck
[4] KfW Kreditmarktausblick Spezial März 2020. Corona und Kredit: ein wichtiger Baustein zur Begrenzung wirtschaftlicher Folgen
[5] Bafin 20.03.2020 Kreditrisiken: Muss eine gestundete Verbindlichkeit (z.B. eine Stundung einer Annuität) als ausgefallen gezählt werden? Wann führt eine Stundung zu einem Abzug vom Eigenkapital und ist sie vereinbar mit den MaRisk?
[6] Europäische Zentralbank: Leitfaden für Banken zu notleidenden Krediten; März 2017

Sprechen Sie uns gerne an!

Natalie Hölscher-Schneider / Autorin / BankingHub

Natalie Hölscher-Schneider

Partner Office München
Bastian Walkhoff/ Autor BankingHub

Bastian Walkhoff

Expert Partner Office Hamburg
Clemens Nawroth / Autor BankingHub

Clemens Nawroth

Senior Manager Office Hamburg

Artikel teilen

Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

BankingHub-Newsletter

Analysen, Artikel sowie Interviews rund um Trends und Innovationen
im Banking alle 2 Wochen direkt in Ihr Postfach