Trends und Investitionen
Hallo Herr Joseph, wie gestalten sich die Technologieinvestitionen der deutschen Finanzinstitute aktuell und welche Trends sowie Herausforderungen zeichnen sich dabei ab?
Das allgemeine Wirtschaftsklima wirkt sich unverändert einschränkend auf die Investitionen in neue technische Innovationen aus – das gaben laut unserer Financial Services State of the Nation Survey über drei Viertel der deutschen Finanzinstitute an. Aber dieser Anteil ist gegenüber dem Vorjahr gesunken. Dies trägt womöglich mit dazu bei, dass der Enthusiasmus gegenüber dem technologischen Wandel unverändert steigt – sowohl bei den Führungskräften (89 %, gegenüber 81 % im Jahr 2023) als auch bei ihren Instituten (83 %, gegenüber 72 % im Jahr 2023). Technologie wird als potenzielle Lösung für einen Ausbruch aus den wirtschaftlichen Zwängen gesehen, aber auch aus anderen aktuellen Herausforderungen wie regulatorischen Pflichten oder den steigenden Kundenerwartungen.
Blickt man auf das Gesamtbild unserer Befragung, muss man feststellen: Die Finanzdienstleistungsbranche befindet sich in einem massiven technologischen Umbruch, und es gibt keine Anzeichen für eine Verlangsamung. Angesichts der anhaltenden Budgetbeschränkungen und des schwankenden Wirtschaftsklimas legen die Institutionen jedoch Wert auf die Einführung der richtigen Technologie, die greifbare Geschäftsergebnisse liefert. Es geht darum, Lösungen zu implementieren, die den heutigen Anforderungen gerecht werden und zukunftssicher sind. Damit soll sichergestellt werden, dass sie sich bei anhaltenden Unsicherheiten und Veränderungen weiterentwickeln können, während sie gleichzeitig ihre Arbeitsabläufe optimieren.
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Schwerpunkte der Investitionen: Cloud/API-Technologien und KI
In welche Schwerpunktthemen investieren Finanzinstitute aktuell allgemein?
Da wäre zum einen das Themenfeld Cloud- und API-Technologien: 78 % der befragten deutschen Finanzinstitute stimmen zu, dass ein Cloud-first-/API-Technologieansatz für Finanzdienstleistungen unerlässlich geworden ist und von den Banken angenommen werden muss, um nicht hinter der Konkurrenz zurückzubleiben. Und folgerichtig geben mehr als die Hälfte (51 %) an, dass sie alle Aspekte ihres Geschäftsbetriebs modernisieren, um sich auf den Wandel in der Branche vorzubereiten, und dabei explizit auch auf cloud- und API-basierte Technologien setzen. Das ist mehr als der weltweite Durchschnitt (47 %).
Und dann ist da natürlich das Thema KI: Fast zwei Drittel (64 %) der deutschen Institutionen haben in den letzten 12 Monaten KI-Funktionen verbessert oder eingesetzt – fast doppelt so viele wie im Jahr 2023 (34 %). Der Wert ist im europäischen Vergleich höher als beispielsweise in Großbritannien und Frankreich.
Anwendung von KI und Generativer KI im Treasury und Kapitalmarkt
Wo wird aktuell im Bereich KI investiert und welche Vorteile erhoffen sich Finanzinstitute auf den Kapitalmärkten?
Institute, die im Bereich Treasury und Kapitalmärkte tätig sind, investieren auf vielfältige Weise in KI. Vom Handel bis zum Backoffice kann KI die Effizienz steigern, komplexe Aufgaben rationalisieren und dazu beitragen, wertvolle Erkenntnisse zu gewinnen. So können beispielsweise Liquiditätsprognosen und Hedging-Strategien verbessert und die Zufriedenheit der Endnutzer:innen durch personalisierte Dienstleistungen erhöht werden.
An vorderster Front steht dabei die generative KI (GenAI). In diesem Jahr ist der Anteil der Finanzinstitute, die in den letzten 12 Monaten GenAI-Funktionen eingeführt oder verbessert haben, weltweit gestiegen – mehr als bei jeder anderen Technologie.
Im Bereich Treasury und Kapitalmärkte wird GenAI eingesetzt, um Erkenntnisse aus riesigen Mengen strukturierter und unstrukturierter Daten zu gewinnen, sich wiederholende Aufgaben zu automatisieren sowie präzise prädiktive Analysen zu erstellen. Durch die Einbettung von Natural-Language-Funktionen in interaktive Workflows und den Einsatz von GenAI-gesteuerten Assistenten können Institutionen Prozesse rationalisieren und die Erfahrungen der Endbenutzer:innen verbessern. Die Technologie automatisiert auch Routineaufgaben wie Dateneingabe, Abgleich, Berichtserstellung und Transaktionsverfolgung. Dies kann die Effizienz und die Datengenauigkeit erhöhen, sodass sich die Teams auf höherwertige Aktivitäten wie Marktanalysen, Strategieentwicklung und Kundenmanagement konzentrieren können.
Die prädiktive Analytik nutzt KI zur Analyse umfangreicher Datensätze, um Muster und Korrelationen zu erkennen, die zu verwertbaren Erkenntnissen führen. Händler erhalten maßgeschneiderte Empfehlungen für Hedging-Strategien, Anlagemöglichkeiten, die Portfolioperformance und die Risikominderung. Die KI überwacht diese Strategien, passt sie kontinuierlich in Echtzeit an und optimiert die Entscheidungsfindung auf der Grundlage der Marktbedingungen und Risikoprofile. Bei der Szenarioanalyse kann die Technologie realistische Szenarien für Stresstests generieren, die das Verständnis der Portfolioperformance bei wirtschaftlichen Ereignissen erleichtern.
Die nächste Priorität für die Branche ist die Agentic AI. Dabei handelt es sich um eine fortschrittlichere Form der KI, die zur autonomen Ausführung von Aufgaben und zur Lösung komplexer Probleme in der Lage ist und das Potenzial hat, den Finanz- und Kapitalmarktsektor weiter zu revolutionieren.
Agentic AI und die Modernisierung der Kernsysteme und Plattformen im Kapitalmarkt
In welche Schwerpunktthemen wird aktuell bei Finanzinstituten auf dem Kapitalmarkt investiert?
Neben KI konzentrieren sich Kapitalmarktinstitute auf die Modernisierung ihrer Kerntechnologie und Plattformen. Da die globale wirtschaftliche Unsicherheit anhält, die Vorschriften strenger werden und die Technologie sich weiterentwickelt, müssen die Institute ihre Agilität erhöhen, um mit den neuen Anforderungen Schritt zu halten. Aus diesem Grund investieren sie in cloudbasierte und API-fähige Core Trading Solutions. Solche Lösungen können den Unternehmen umfassende Trade-Funktionen bieten, die Markteinführung neuer Geschäfte beschleunigen und die nötige Flexibilität liefern, um schnell zu innovieren und sich mit dem Wandel zu entwickeln.
Darüber hinaus ändert sich die Art und Weise, wie Institutionen Produkte modernisieren und nutzen. So entscheiden sich Kapitalmarktunternehmen zunehmend für eine Modernisierung über eine Microservices-basierte Umgebung. Diese ermöglicht es ihnen, Funktionen auszuwählen und gleichzeitig die potenziellen Risiken einer umfangreichen Migration von einem Altsystem zu verringern. SaaS- und Managed-Services-Angebote helfen den Instituten, diese Vorteile weiter auszubauen, da die laufenden Aktualisierungen von einem spezialisierten Technologieanbieter durchgeführt werden.
Mit dem Beginn des Zeitalters der Agentic AI könnten Produkte und Dienstleistungen noch ausgefeilter werden und noch stärker auf die Bedürfnisse der Endbenutzer:innen zugeschnitten sein. Darüber hinaus könnten auch komplexere Tätigkeiten automatisiert werden. Die Agentic AI könnte beispielsweise das SaaS-Modell ergänzen, indem sie dynamischere, reaktionsschnellere und intelligentere Lösungen anbietet, die wachsen und sich optimieren, was zu mehr Effizienz und Flexibilität für Finanzinstitute führt.