Unternehmensentwicklung und Nachhaltigkeit bei der VR Bank Rhein-Neckar
Hallo Christin, seit unserem letzten Gespräch mit dir für die zeb-Podcastserie „Sound of Finance“ ist bereits ein wenig Zeit vergangen. Kannst du noch einmal kurz anreißen, womit du dich in deiner neuen Rolle tagtäglich beschäftigst?
Als Bereichsleiterin Unternehmensentwicklung kümmere ich mich um Themen, die mit der Transformation und Weiterentwicklung der VR Bank Rhein-Neckar zu tun haben. Da ist einmal mein großes Herzensthema Nachhaltigkeit. Hier beschäftigen wir uns in allen Facetten damit, welchen Beitrag zur Nachhaltigkeit unsere Bank leisten kann, z. B. mit einem CO2-ärmeren Geschäftsbetrieb, mit einer nachhaltigen Produktpalette für unsere Kunden oder der Integration von ESG-Kriterien in die Risikosteuerung. Das tun wir nie allein – sondern immer gemeinsam mit den Fachbereichen.
Daneben verantworte ich das interne Projektmanagement, das alle großen Projekte innerhalb der Bank begleitet und eine effektive und effiziente Durchführung sicherstellen soll. Ganz neu bauen wir gerade das Thema Innovation auf. Hierzu haben wir ein Changecluster ins Leben gerufen, das wir Innovationskraftwerk nennen. Das begleiten wir aus der Unternehmensentwicklung heraus mit zwei Innovationsmanager:innen, die den kompletten Innovationsprozess orchestrieren und koordinieren. Und schließlich unterstützt der Bereich Unternehmensentwicklung beim Strategieprozess als Koordinator und Sparringspartner.
Was sind gerade die Hauptthemen, die dich in deinem Job als Bereichsleiterin für Unternehmensentwicklung und Nachhaltigkeit beschäftigen bzw. zeitnah beschäftigen werden?
Die Anfänge unserer Bank reichen rund 140 Jahre zurück, und wir stellen uns immer wieder die Frage: Wie können wir unser Haus so aufstellen, dass es auch die nächsten 140 Jahre überleben kann. Dafür wollen wir die Bank in die Lage versetzen, systematisch mit Veränderungen umzugehen. Deswegen schaffen wir gerade die organisatorischen und prozessualen Voraussetzungen für Change in jeglicher Form und bauen ein Innovations- und Trendmanagement auf.
Daneben führen wir momentan einen neuen Strategieprozess für die Bank ein. Hierfür haben wir das ganze Haus in den letzten Wochen einer großen SWOT-Analyse unterzogen, deren Ergebnisse wir uns nun im Detail anschauen, um daraus Maßnahmen abzuleiten.
Nachhaltigkeit ist natürlich ein Dauerbrennerthema geworden. Ich bin jetzt ziemlich genau ein Jahr in der neuen Rolle und stelle fest, dass einer der wichtigsten Treiber für den Erfolg der nachhaltigen Transformation unsere Mitarbeitenden sind. Daher verproben wir gerade unterschiedliche Formate und Kanäle, um zu bestimmen, wie wir unsere Mitarbeitenden bestmöglich mitnehmen, beteiligen und motivieren können.
Nachhaltige Transformation: Herausforderungen und Chancen
Was sind für dich die größten Herausforderungen, die euch in der VR Bank Rhein-Neckar und anderen Banken beim Thema Nachhaltigkeit noch bevorstehen?
Die regulatorischen Anforderungen im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit zu erfüllen, ist eine Mammutaufgabe. Dazu kommt, dass die Mütter und Väter der neuen Anforderungen und Kennzahlen, etwa der Green Asset Ratio, sicher bei der Konzeption keine Regionalbank und ihre mittelständischen Kunden im Kopf hatten. Alle Banken müssen viele Ressourcen einsetzen, aber oft ist der Mehrwert im Sinne der Nachhaltigkeit zum jetzigen Zeitpunkt noch gar nicht erkennbar, sodass ich alle Mitarbeitenden verstehe, die unter den neuen Pflichten ächzen.
Aber natürlich wollen wir echten Mehrwert schaffen und die grüne Transformation unserer Kunden begleiten. Dafür braucht es neue Produkte und Services, an denen wir gerade gemeinsam mit den Kolleg:innen aus den Fachbereichen arbeiten.
In unserem eigenen Geschäftsbetrieb haben wir bereits viele Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit ergriffen. Hier ringen wir wie alle Banken und Unternehmen häufig mit widerstreitenden Zielen: Wir wollen in neue, grüne Technologien und Transformation investieren, um CO2 einzusparen, und unsere Verbräuche reduzieren, gleichzeitig soll unser Geschäftsmodell aber natürlich immer noch rentabel sein. Und wir wollen zudem ein guter Arbeitgeber sein und unseren Kunden den bestmöglichen Service bieten.
Ein simples Beispiel: Unsere CO2-Bilanz würden wir massiv entlasten, wenn wir alle Mitarbeitenden dauerhaft ins Homeoffice schicken und unsere Kunden nur noch digital bedienen würden, aber können wir dann noch ein guter Arbeitgeber sein und unseren Kunden einen persönlichen Service bieten, für den sie uns als regionale Genossenschaftsbank schätzen?
Wie schafft man es, Kunden und Mitarbeitende zu motivieren, die nachhaltige Transformation mitzugehen?
Darauf gibt es nicht die eine Antwort, sondern ganz viele. Wir haben ein sehr umfangreiches Konzept erarbeitet, das unterschiedliche Formate für Führungskräfteeinbindung, Mitarbeitersensibilisierung und -einbindung enthält, die wir verproben. Wir merken, dass es unterschiedliche Formate braucht, um Mitarbeitende dort abzuholen, wo sie stehen.
Zwei Beispiele:
- Als besonders wirksam und wertschätzend – so zumindest das Feedback der Teilnehmenden – haben sich Fokusgruppenworkshops herausgestellt, in denen wir gemeinsam mit den Kolleg:innen ihre Wünsche und Anforderungen an die Bank hinsichtlich Nachhaltigkeit erarbeiten und ihre nachhaltigen Ideen aufnehmen.
- Ein besonders positives Echo gab es erst vor wenigen Tagen auf unsere Ferienbetreuung für Mitarbeiterkinder – hier haben wir während der Sommerferien einen ganzen Tag lang interessierte Mitarbeiterkinder, unterstützt durch zwei Streuobstpädagog:innen, auf einer unserer Streuobstwiesen betreut, gemeinsam mit ihnen Kräuterlimonade aus selbst gepflückten Kräutern hergestellt und ihnen die großen (Schafe) und kleinen (Insekten) tierischen Bewohner der Wiese nähergebracht. Wir hatten eigentlich nur die Kinder im Blick, durften aber feststellen, dass sich das sehr positiv auf ihre begeisterten Eltern ausgewirkt hat und damit ein weiterer Motivator ist, sich gemeinsam mit uns für mehr Nachhaltigkeit in der Bank einzusetzen.
Mit unseren Kunden verhält es sich ähnlich: Wir als Genossenschaftsbank wollen eine Bank für alle sein und treffen daher auf ganz unterschiedliche Meinungen, Haltungen und Bedarfe bei den Kunden. Über unseren Beirat, der sich aus einer Auswahl an Aufsichtsratsmitgliedern sowie Privat- und Firmenkunden zusammensetzt, versuchen wir, unsere Stakeholder miteinzubinden, z. B. bei der Entscheidung, für welche Nachhaltigkeitsziele wir uns als Bank besonders engagieren sollen. Und natürlich holen wir dort auch Feedback dazu ein, mit welchen Produkten und Services wir die Kunden bestmöglich bei der nachhaltigen Transformation unterstützen können.
Gerade ganz aktuell arbeiten wir an der Fragestellung, welche Unterstützungsleistung über das klassische Bankgeschäft hinaus für unsere Firmenkunden von Nutzen sein könnte, damit diese auch die Chancen heben können, die die Transformation neben vielen Verpflichtungen mit sich bringt.
Christins Karriereweg zur Nachhaltigkeit
Warum hast du dich damals für eine Karriere in der Finanzbranche, insbesondere im Consulting, entschieden? Und warum hast du dich später auf Nachhaltigkeit fokussiert?
Ganz am Anfang stand mein erstes Konto bei der Genossenschaftsbank in meinem Heimatort in der Nähe von Fulda. Ich fand Geldanlage und Finanzmärkte schon immer spannend. Meine ersten Investments als Minderjährige (immer mit der Unterschrift meiner Eltern natürlich) während der Dotcom-Blase Anfang der 2000er-Jahre sind katastrophal in die Hose gegangen. Dem wollte ich auf den Grund gehen, als ich mich nach dem Abitur für ein Studium der Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Finance entschieden habe. Ich wollte verstehen, was die Finanzmärkte treibt und im Innersten zusammenhält.
Nach dem Studium arbeitete ich als Kapitalmarktanalystin in großen Handelssälen und konnte die Finanzmärkte sowie ihre Teilnehmer direkt und unmittelbar beobachten. In den Nachwehen der Pleite von Lehman Brothers und der nachfolgenden Finanzkrise (auch hier habe ich wieder auf alle erdenklichen Arten und Weisen persönlich Geld an den Märkten verloren) wurden viele Kapitalmarktanalyst:innen arbeitslos – so auch ich. In dieser für mich ziemlich disruptiven Gemengelage bin ich eher zufällig und zum Glück bei zeb gelandet. Hier konnte ich meine Kenntnisse und Fähigkeiten weiterverwenden und rasant weiter ausbauen dank immer wieder neu entstehender Themenstellungen, neuer Kunden bzw. Banken und neuer Menschen, mit denen ich zusammenarbeiten durfte.
Nachhaltigkeit bzw. die Liebe zur Natur hat mich schon immer privat begleitet. Da Nachhaltigkeit auch für Banken und für zeb zunehmend wichtiger wurde, gab mir das die Gelegenheit, private und berufliche Neigung sinnvoll miteinander zu kombinieren. Privat hat meine Wirksamkeit enge Grenzen, wenn ich aber Nachhaltigkeit zu meinem beruflichen Fokus mache, ist mein Hebel viel größer. Denn was mich immer wieder antreibt, ist der Wunsch, meinen beiden Kindern irgendwann einmal sagen zu können: Ich hab mich angestrengt, um euch eine lebenswerte Welt zu hinterlassen.
Förderung von Frauen in der Finanzbranche
Eine weitere Komponente von Nachhaltigkeit ist der soziale Bereich, zu dem auch Work-Life-Balance und Diversity zählen. Wie schaffst du es, deinen jetzigen Job mit Familie und Freizeit zu vereinbaren?
Mit einem hohen Maß an Freiheit und Flexibilität, die mir mein Arbeitgeber glücklicherweise einräumt. Ich kann meinen Kalender sehr stark selbst bestimmen, und meine Kolleg:innen nehmen Rücksicht auf meine zeitlichen Restriktionen. Homeoffice und ein kurzer Weg mit dem Rad zur Arbeit helfen auch sehr. Gleichzeitig braucht es viel Disziplin, Aufgaben zu delegieren und zu priorisieren und auch mal Nein zu sagen – zugegeben, hier habe ich noch Luft nach oben. Zehn Jahre bei zeb tragen natürlich sehr zum effizienten Umgang mit Tools und Technik sowie zum effizienten Planen und Bestreiten von Meetings bei.
Was rätst du Frauen in der Finanzbranche, vor allem denen, die in der Beratung tätig sind oder Positionen wie deine anstreben?
Es braucht gute Führungskräfte und Mentor:innen, die die Stärken ihrer Mitarbeiterinnen (und natürlich auch der Mitarbeiter) erkennen, fördern und die Mitarbeiterinnen ermutigen, ihre Potenziale auszuschöpfen. Wenn ihr diese Unterstützung nicht habt, sucht sie euch! Und weil viele von zu Hause aus klassische Rollenbilder gewöhnt sind, bedarf es auch guter Vorbilder und Beispiele dafür, wie es klappen kann.
Was glaubst du, wie können Banken und Beratungen mehr Frauen als erfolgreiche Mitarbeiterinnen für sich gewinnen?
Wir haben gerade erst kürzlich bei der VR Bank Rhein-Neckar eine Umfrage unter den Kolleginnen durchgeführt und sie gefragt, was Frauen in der Bank davon abhält, mehr berufliche Verantwortung zu übernehmen oder sich auf eine Führungsposition zu bewerben. Einer der genannten Gründe war, dass „frau“ sich mehr Verantwortung nicht zutraut, weil sie berufliche Verantwortung und Familie für nicht gut miteinander vereinbar hält. Banken und Beratungen müssen daher mit guten Beispielen demonstrieren, dass es geht, und wo möglich Flexibilität einräumen und aufzeigen.
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Über die LebensWert gGmbH
Neben deiner Tätigkeit als Bereichsleiterin bist du auch Geschäftsführerin der LebensWert gGmbH. Diese hat vor Kurzem ihr zweijähriges Jubiläum gefeiert. Wie bist du zu dieser Rolle gekommen und was war dein bisheriges Highlight im Rahmen dieser Tätigkeit?
Der Geschäftszweck der LebensWert gGmbH, einer Tochtergesellschaft der VR Bank Rhein-Neckar, ist die Förderung von regionalen Umweltschutz- und Landschaftsschutzprojekten sowie der Umweltbildung. Unsere Kunden können sich hieran beteiligen, indem ein Teil ihrer Servicegebühr für unsere nachhaltigen Anlageprodukte an die LebensWert gGmbH weitergeleitet wird.
Momentan bewirtschaften wir in der Rhein-Neckar-Region drei Streuobstwiesen: Wir pflanzen alte Obstsorten, pflegen alten Baumbestand, tragen mit Blühwiesen und der Beweidung durch Schafe zu mehr Artenvielfalt auf den Wiesen bei, stellen Nisthilfen sowie Unterschlupf für Insekten, Vögel und Kleinsäuger zur Verfügung und holen regelmäßig Schul- und Kindergartenkinder zu uns auf die Wiesen, um ihnen mit Unterstützung unserer Streuobstpädagog:innen die Flora und Fauna auf unseren Wiesen näherzubringen.
Die Rolle als Geschäftsführerin war Teil der Jobbeschreibung und einer der Gründe für meinen Wechsel zur Bank. Die nachhaltige Transformation der Bank voranzutreiben, ist oft frustrierend und langatmig. Umso schöner ist es, dass wir auf den Streuobstwiesen auch kurzfristig wirksam sein können.
Vor Kurzem hatten wir auf unserer Wiese in Ludwigshafen-Oppau 20 Zweitklässler:innen und zwei Falknerinnen mit ihren Eulen und Falken zu Gast. In unserem grünen Klassenzimmer erfuhren die Kinder, wo die Greifvögel wohnen und wie sie jagen. Die Kinder durften selbst zu Falkner und Falknerin werden und ausgerüstet mit einem Falknerhandschuh eine Eule auf den Arm nehmen.
Ein Junge sagte zum Abschied: „Das war der schönste Tag meines Lebens.“ Das ist doch das schönste Kompliment für unser Umweltbildungsprogramm. Wir sind auf dem richtigen Weg, wenn die Kinder mit neuem Respekt und neuer Faszination für die Natur und ihre Wunder nach Hause gehen.
Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen und deine Zeit!