Einführungszeitplan und zentrale Regelungsinhalte
Hinsichtlich Solvabilität ergeben sich gravierende Änderungen auf der Kapitalseite und bei der Ermittlung der Risikogewichteten Aktiva (RWA). Zukünftig ist überwiegend hartes Kernkapital für Solvenzzwecke und zusätzlich für Kapitalpuffer vorzuhalten. Die Bereinigung des Kernkapitals um Sondereffekte mittels Abzügen (Prudential Filter) wird verschärft. Bei der RWA-Ermittlung sind als eine wesentliche Änderung die Kontrahentenrisiken zu nennen. Für IRBA-Institute wird das Risikogewicht durch Anhebung des Korrelationsfaktors (AVC) für bestimmte Finanzdienstleistungsunternehmen erhöht. OTC-Derivate sind zusätzlich für Wertveränderungen (CVA) mit Kapital zu unterlegen und Risiken gegenüber Zentralen Kontrahenten (CCP) werden mit Kapitalanforderungen verbunden sein. In diesem Kontext gehören auch die EMIR-Vorgaben für den Handel von Derivaten über CCP. Im Kreditrisikostandardansatz sind eine Reihe von technischen Änderungen mit RWA-Impact vorzunehmen. Hierzu zählen u. a. Änderungen bei der Forderungsklassensegmentierung und Risikogewichtung.
Neben den risikoabhänigigen Änderungen wird durch die zusätzliche Begrenzung der Verschuldungshöhe für Institute (Leverage Ratio) das reine Bilanzwachstum unabhängig von einer Risikogewichtung limitiert.
Zur Sicherstellung einer hinreichenden Liquidität von Instituten unter Stress wird ein harmonisiertes Regelwerk eingeführt, welches im Kern aus zwei Kennzahlen besteht. Zur Deckung kurzfristiger netto Zahlungsverpflichtungen bis 30 Tage (Liquidity Coverage Ratio, LCR) müssen die Institute hoch liquide Aktiva vorhalten. Zur Sicherstellung einer mittelfristig stabilen Refinanzierungssituation (Net Stable Funding Ratio, NSFR) sind Aktiva weitgehend fristenkongruent zu refinanzieren.
Die Umsetzung von Basel III hat direkte Auswirkungen auf Institute und ihre Kunden, die zunächst einzeln zu betrachten sind, letztlich aber zusammenfassend bewertet werden müssen. Folgende drei wesentliche Auswirkungsdimensionen sollen betrachtet werden:
- Umsetzungsaufwand bei den Instituten,
- Überprüfung und Anpassung der Geschäftsmodelle der Institute,
- Auswirkungen für Kunden.
Umsetzungsaufwand bei den Instituten
Anfang 2012 wurde die Umsetzung von Basel III von einem Großteil der Institute zunächst mit der institutsspezifischen Ableitung des Handlungsbedarfs begonnen und das fachliche sowie technische Zielbild ermittelt. Nach der Konzeptionsphase für die angestrebten Lösungen mussten für die reine Kalkulation der (neuen) Kennzahlen vorhandene Rechenkerne implementiert werden. Dieses allein bedeutete erhebliche Aufwände für die Institute.
Einen zusätzlichen Aufwandtreiber stellen die mit Basel III steigenden Reporting-Anforderungen dar. Die künftigen Reporting-Standards COREP und FINREP erfordern auf Konzernebene eine Datenbasis auf Einzelgeschäftsebene, um die Konsistenz regulatorischer und handelsrechtlicher Daten bzw. deren Überleitbarkeit sicherstellen zu können. Die Umsetzung einer integrierten Finanzdatenhaltung ist in vielen Institutsgruppen daher zu einem hoch priorisierten Thema geworden und ein zentraler Erfolgsfaktor, um die externen wie auch internen Reporting-Anforderungen unter Basel III und darüber hinaus qualitativ und effizient erfüllen zu können. Die Verknüpfung der regulatorischen und handelsrechtlichen Perspektive (z. B. Rechnungswesen und Meldewesen) sowie die notwendige Überarbeitung/Neu-Konzeption von Prozessen unterstreicht zudem die verstärkte Notwendigkeit zur abteilungs- und bereichsübergreifenden Umsetzung neuer Anforderungen. Die vollständige Umsetzung wird noch bis 2014 in den Instituten erhebliche Ressourcen binden.
Geschäftsmodelle der Institute
Im Zusammenspiel der neuen aufsichtlichen Anforderungen für Solvabilität, Leverage und Liquidität besteht für die Institute die Notwendigkeit zur Überprüfung und Anpassung der Geschäftsmodelle. Studien (QIS) haben gezeigt, dass Auswirkungen von Basel III auf Institute stark abhängig vom Geschäftsmodell sind, sodass der Anpassungbedarf bei Geschäftsstrategie und Geschäftsfeldmix institutsindividuell zu überprüfen und zu ermitteln ist.
Voraussetzung für eine erfolgreiche Analyse und Neuausrichtung unter den sich ändernden Rahmenbedingungen ist dabei die Integration der regulatorischen Kennzahlen in die bestehende, in der Regel ökonomisch getriebene, Gesamtbanksteuerungslogik.
Ausgehend von einer Prüfung der einzelnen Geschäftsfelder hinsichtlich Attraktivität sind die Kapitalallokationsverfahren zu überarbeiten sowie das strategische Zielsystem (KPI/Constraints) anzupassen. In diesem Zuge ist auszutarieren, in welchem Maße Zielkonflikte für die Erreichung/Einhaltung einzelner Kennzahlen bestehen.
Bei einer Überprüfung sind dabei die Risiko-, Ertrags- und Liquidìtätssichten integriert zu analysieren. Als Detaillerungsebene sind dìe Steuerungsportfolien der Institute heranzuziehen, auf deren Ebene u. a. die regulatorischen Anforderungen als Constraints in die Steuerung integriert werden müssen. Nach der weitgehend erfolgten Umsetzung der Mindestanforderungen sind bei den Instituten mittlerweile konkrete Entwicklungen zur Einhaltung der neuen Anforderungen beobachtbar.
So wurden erhebliche Anpassungen in der Kapitalstruktur durchgeführt, um die Qualität des Eigenkapitals an die neuen Anforderungen anzupassen. Die Analysen haben allerdings auch gezeigt, dass die alleinige Umsetzung der Meldeanforderungen/Kennzahlenberechnung nicht ausreicht, um Basel III einzuhalten. Hierzu sind teilweise gravierende Änderungen in den Geschäftsmodellen der Banken notwendig, um die Wettbewerbsfähigkeit und Ertragslage nachhaltig zu sichern.
Durch die steigenden Kapitalanforderungen ist für Adressrisiken je Steuerungsportfolio zu prüfen, welche Änderungen konkret zu beobachten sind und wie diese über Pricing-Anpassungen kompensiert werden können. Weitere Maßnahmen sind die Absenkung der RWA durch sog. De-Risking oder den Wechsel der Kalkulationsmethodik (z. B. vom Kreditrisikostandardansatz in den IRB-Ansatz). Ob es durch die verschärfte Regulatorik und die damit einhergehende Kapitalknappheit der Institute zu einer vielfach gefürchteten Kreditverknappung kommt, bleibt abzuwarten. Sofern Preisanpassungen durchsetzbar sind, könnte lediglich die Leverage Ratio eine Volumenbegrenzung notwendig machen. Dieses dürfte aber in erster Linie für Staats- und Kommunalfinanzierungen gelten.
Im Derivate-Bereich zeichnen sich durch die Kombination von Kontrahentenrisiken, Änderungen bei der Behandlung von Zentralen Kontrahenten sowie der zusätzlichen Melde-/Clearing-Pflicht festgelegter Derivate-Geschäfte massive Änderungen bei der Derivate-Strategie der Institute ab. Die Standardisierung sowie Abwicklung über Zentrale Kontrahenten wird eine zunehmende Preissteigerung für nicht standardisierte Produkte bedeuten. Es ist aber davon auszugehen, dass mittels Produktinnovation der Handelsbereiche auf diese Entwicklungen reagiert wird.
Auch die neuen Liquiditätskennzahlen stellen die Institute vor deutliche Herausforderungen: Die notwendige Bevorratung an hoch liquiden, in der Regel gering verzinslichen Aktiva hat negative Auswirkungen auf den Zinsüberschuss. Um die neuen Liquiditätsanforderungen einhalten zu können, kommt den Kundeneinlagen eine besondere Bedeutung zu. Die Institute liefern sich bereits heute einen „Kampf um die Kundeneinlagen“. Folge sind steigende Einstandssätze auf der Refinanzierungsseite, welche den Zinsüberschuss negativ beeinflussen. Dieser Effekt trifft insbesondere aktuell einlagenfinanzierte Banken mit traditionellen Geschäftsmodellen.
Die Notwendigkeit zur Reduktion der Fristentransformation zur Einhaltung der NSFR erfordert gerade für längerfristiges Kreditgeschäft eine grundlegende Überprüfung der Refinanzierungsstrategie und Anpassung der Kalkulationsschemata. Blankokredite sowie lange Laufzeiten verhalten sich nachhhaltig in der Berechnung der Liquiditätskennzahlen. Eine Konzentration auf besicherte Immobilienkredite mit kurzen bis mittleren Laufzeiten könnte die Folge sein. Mit der Veränderung der Produktpalette gehen vor allem auch Ertragseinbußen für die Institute einher: Sowohl die Reduzierung der Laufzeit als auch der zunehmende Grad der Besicherung üben zusätzlichen Druck auf die Margen aus.
Auswirkungen für Kunden
Die strategischen Anpassungen auf Institutsseite haben auch für die Kunden direkte Auswirkungen, die zu einer neuen Kundenbeziehung und geänderten Produktnachfrage führen dürften.
Die Begünstigung von Kundeneinlagen für die LCR wirkt sich positiv auf die Einlagenzinsen aus. In Folge bestehen für Kunden gemessen am aktuellen Zinsniveau sehr attraktive Konditionen bei quasi täglicher Verfügbarkeit. Das Angebot für z. B. Tagesgelder ist vielfältig und für den Kunden erstaunlich transparent.
Doch nicht nur positive Effekte sind für den Kunden aus den Liquiditätsanforderungen zu verzeichnen: Vor allem für das Kreditgeschäft ergeben sich nachhaltige Veränderungen hinsichtlich Laufzeit und Besicherung. Während die private Immobilienfinanzierung durch die hohe Besicherung mit sehr geringen Margenaufschlägen ausgestattet ist, werden unbesicherte Kredite künftig für den Kunden mit höheren Kosten verbunden sein.
Entsprechend sind die Kunden ebenfalls angehalten, die eigenen Einlagen-/Kredit-Strategien zu überdenken. Die Kreditnachfrage ist an die geänderten Rahmenbedingungen anzupassen: Höhere Ausnutzung von besicherten Kreditlinien und entsprechende Reduktion höher risikobehafteter Kredite könnte eine Strategie sein. Ähnliche Überlegungen sind auch für die künftige Ausrichtung der Eigenkapitalfinanzierung anzustellen – insbesondere ist die Abhängigkeit von institutionellen Anlegern wie Versicherungen und Banken zu prüfen.
Neben der Verteuerung von Krediten sind weiterhin erhebliche Änderungen für den Derivatehandel zu erwarten. Der Absicherungspreis wird maßgeblich für Kunden von der ,,Standardisierungsfähigkeit“ abhängen. Entsprechend sind die eigenen, abzusichernden Aktivitäten in Einklang mit erhältlichen, standardisierten Produkten zu bringen. Die Absicherung über nicht standardisierbare OTC-Derivate wird für die Unternehmen in Zukunft mit signifikant höheren Kosten verbunden sein.
Die Kunden werden auf Preisänderungen von durch Basel III betroffenen Produkten reagieren mit dem Ziel, die Nachfrage zu reduzieren. Dies erfordert letztlich eine Verbesserung der Steuerungsmechanismen bei den Kunden.
Fazit
Die Umsetzung von Basel III stellt für die Institute einen erheblichen Kraftakt dar, der noch bis in das Jahr 2014 andauern wird.
Sowohl die Institute selbst, als auch ihre Kunden sind durch die regulatorischen Änderungen massiv betroffen und müssen ihre Aktivitäten auf die neuen Anforderungen hin ausrichten. Diese Neuorientierung wird dadurch erschwert, dass neben Basel III eine Vielzahl weiterer regulatorischer Maßnahmen aktuell auf den Weg gebracht bzw. diskutiert werden. Zu nennen sind hier insbesondere:
- Finanztransaktionssteuer
- Liikanen-Report (Trennbankensystem)
- Bankenunion
- Restrukturierungs-/Abwicklungs- und Sanierungspläne
- Regulierung von Shadow Banking
Die umfassende und konsistente Abbildung sämtlicher Auswirkung aktueller und anstehender Regelungsinitiativen in der Banksteuerung wird eine enorme Herausforderung und zentraler Erfolgsfaktor zugleich sein.