Auf den vermeintlichen Modernisierungsschub folgte Ernüchterung …
Eine Ernüchterung – auch das mag man als Spätfolge des genannten Experiments sehen –, die sich mit bodenständiger und grundsolider Personalverwaltung begnügt, mit ein wenig Personalmarketing und -beschaffung, mit Aus- und Weiterbildung. Blickt man auf das Umfeld von Personal und Personalarbeit im Bankenmarkt, auf Demografie, Digitalisierung, Kosten- und Wettbewerbsdruck, ist das schon heute zu wenig – zumal, da die Arbeitgebermarke der Banken und Sparkassen seit Beginn der Finanzmarktkrise nennenswerte Lackschäden erlitten hat.
Betrachtet man beispielsweise das zusehends wichtiger werdende Themenfeld der externen Personalbeschaffung, so muss man konstatieren, dass Banken und Sparkassen hier wenn nicht im Blindflug, so doch bei schlechter Sicht unterwegs sind – und das aus folgenden Gründen:
- Viele Institute schätzen den Personalbedarf der kommenden Jahre falsch ein. Spätestens 2022 beginnt in der Kreditwirtschaft eine breite Verrentungswelle, die zu Engpässen bei erfolgskritischen Fach-, Führungs- und Vertriebsfunktionen führen wird. Viele Häuser setzen sich damit noch immer nicht auseinander, weil andere Aufgaben höhere Priorität genießen. Das kann fatale Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit und die „ordnungsgemäße“ Personalausstattung haben.
- In den letzten 10–15 Jahren haben nahezu alle Kreditinstitute personalpolitisch Monokulturen geschaffen. Fragt man, welche Berufsgruppen vorrangig rekrutiert werden, erfährt man, dass es sich dabei fast ausnahmslos um Bankkaufleute, Betriebswirte und sehr vergleichbare Berufsgruppen handelt. Geistes- oder naturwissenschaftliche Professionen finden sich deutlich seltener. Angesichts der digitalen Transformation, der Zielperspektive „Omnikanal-Bank“ und des veränderten Kundenverhaltens werden die personalwirtschaftlichen Monokulturen eine spürbare Dysfunktionalität entwickeln. Sie hemmen Innovation, Querdenken, Agilität und Veränderungsbereitschaft.
- KI-basierte Jobportale wie „Google for Jobs“ werden die Job- und Kandidatensuche in nächster Zukunft fundamental verändern. Die Rekrutierungsprozesse in Banken und Sparkassen sind darauf nicht einmal in Ansätzen vorbereitet. Da Arbeitgeberattraktivität und Arbeitsplatzsicherheit keine starken Argumente mehr sind, ist zu erwarten, dass andere Branchen künftig erfolgreicher Personal gewinnen werden als die Kreditinstitute.
Das Beispiel Personalbeschaffung zeigt, dass die Personalressorts deutscher Banken und Sparkassen nur unzureichend auf anstehende personalwirtschaftliche Entwicklungen vorbereitet sind. Dieser Befund ließe sich für alle weiteren Funktionsbereiche der Personalarbeit in derselben oder in sehr ähnlicher Form treffen, für die Eignungsdiagnostik, die Personalentwicklung oder das Personalcontrolling. Die Personalorganisation von Banken und Sparkassen braucht eine Frischzellenkur. Beginnen wir mit der Struktur.
Personalorganisation – Aufbau: Struktur und Funktionen
Betrachtet man die Aufbauorganisation des Personalressorts, so rückt die Betreuungsquote rasch ins Blickfeld. Diese drückt recht simpel das Verhältnis zwischen der Mitarbeiteranzahl im Personalressort und der Mitarbeiteranzahl eines Unternehmens aus. Aus zahllosen Studien wissen wir, dass eine Betreuungsquote von 1:100 gerade noch toleriert werden kann, jede Personalorganisation aber, die im Verhältnis noch mehr Mitarbeiter hat, als tendenziell „adipös“ bezeichnet werden müsste.
Nun, ganz so einfach liegen die Dinge in der mittelständisch geprägten Bankenlandschaft hierzulande dann doch nicht. Kleine oder mittelgroße Kreditinstitute können in Bezug auf einzelne Funktionen keine Skalenfunktionen realisieren: Wenn eine Großbank mit 60.000 Mitarbeitern 50 Stellen in der Gehaltsabrechnung reduziert, werden dort vermutlich immer noch weit über 50 Mitarbeiter beschäftigt sein. Solche Effekte sind in kleinen Häusern nicht möglich. Mindestens einen Mitarbeiter in der Gehaltsabrechnung wird man stets benötigen (sofern diese Funktion nicht ausgelagert ist).
Dasselbe gilt für die Aus- und Weiterbildung, die Personalbetreuung und die Personalentwicklung. Und auch solche Funktionen lassen sich in der Teilzeitkalkulation nicht beliebig minimieren. So ist es nachvollziehbar und auch sinnvoll, dass viele mittelständische Institute die genannte Betreuungsquote nicht erreichen und rechnerisch meist (leicht) darüber liegen.
Tatsächlich muss über die rein quantitative Betrachtung der Betreuungsquote hinausgegangen werden, denn in der Praxis erweist sich immer häufiger, dass wesentliche Funktionen der Personalarbeit organisatorisch gar nicht vorhanden sind. Nicht selten findet man stattdessen Funktionen und Funktionsinhaber, die streng genommen nicht in das Personalressort gehören, die Mitarbeiterbank beispielsweise, Trainer und Coaches usw. Zwei viel wichtigere Funktionen werden allerdings in vielen Instituten stiefmütterlich behandelt: Personalgrundsatz und Personalcontrolling.
Beide Funktionen können in ihrer Bedeutung für das Personalmanagement nicht hoch genug eingeschätzt werden: Personalgrundsatz aufgrund der zahllosen regulatorischen Initiativen, die das Personalmanagement inzwischen betreffen, und Personalcontrolling infolge der zusehends steigenden betriebswirtschaftlichen Bedeutung der Personalausstattung.
Schon dieser erste Eindruck reicht, um zu erkennen, dass beide Funktionen von essenzieller Bedeutung für ein funktionierendes Personalmanagement sind. Anders, als es in der Realität oft der Fall ist, schlägt zeb daher stets eine direkte Berichtslinie dieser beiden Funktionen zur Personalleitung vor.
Personalorganisation – Ablauf: Prozesse und Technologie
Für die Ablauforganisation des Personalressorts gilt – nimmt man die deutsche Kreditwirtschaft in den Blick – Sekt oder Selters. Größere und große Institute konnten es sich leisten, die sogenannte Triage-Idee aus dem Business Reengineering zu adoptieren und Prozesse nach Komplexitätsgrad der erforderlichen Leistungen zu strukturieren. Für die Personalarbeit hat sich das durchaus bewährt: automatisierte Prozesse für Routinen und Self-Services für die Masse der Mitarbeiter, telefonischer Service für individuelle, in der Gesamtsicht aber typische Fragestellungen sowie eine enge persönliche Betreuung von exponierten Fach- und Führungskräften in allen Fragen rund um das Personalmanagement.
Kleinere Institute können sich solche Strukturen nicht leisten. Dann sollte Technik ins Spiel kommen. Das Automatisierungspotenzial für personalwirtschaftliche Prozesse ist nach wie vor hoch. Prinzipiell lassen sich alle personalwirtschaftlichen Prozesse digitalisieren, durchaus auch mit einer dezidierten End-to-End-Perspektive: von der ersten Kontaktaufnahme des Bewerbers bis zur Vertragsunterzeichnung, von der Bildungsbedarfsmeldung bis zur Evaluation der Bildungsmaßnahme, vom Höhergruppierungsantrag bis zur Gehaltsmitteilung usw.
Noch sieht die Realität in Banken und Sparkassen anders aus. Neben Excel-Makros findet man proprietäre Lösungen, eingekaufte Partiallösungen und HR-Software-Fragmente. Selbst die elektronische Personalakte ist längst keine Selbstverständlichkeit – von Employee-Self-Services ganz zu schweigen. Personalwirtschaftliche End-to-End-Prozesse sind, technologisch gesehen, allenthalben nicht vorhanden. Viele System- und Medienbrüche prägen das Bild. Manchmal hat man den Eindruck, als müsste ein Datenpaket zu Fuß von einer Applikation in die andere gebracht werden. Das macht auch Standardprozesse wie die Rekrutierung langwierig und störanfällig – und schadet der Reputation des Personalressorts.
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Zugekaufte Segmente aus High-End-Applikationen für die Zielvereinbarung oder das Kompetenzmanagement verbessern die Situation nicht, sondern lassen die Defizite umso deutlicher zutage treten. Was hilft eine dreispurige Autobahn, wenn es sich dabei nur um einen kurzen Streckenabschnitt handelt, der zwei in die Jahre gekommene Bundesstraßen miteinander verbindet?
Die Digitalisierung der personalwirtschaftlichen Prozesse ist aber kein Ding der Unmöglichkeit. Zahlreiche mittelständische Anbieter haben inzwischen HR-Software-Lösungen im Portfolio, die eine technologisch unterstützte End-to-End-Bearbeitung ermöglichen, zu vertretbaren Konditionen bereitgestellt werden können und gut in die Prozesslandschaft von Banken und Sparkassen passen.
Ein strukturierter Beschaffungs- und Auswahlprozess ist freilich vonnöten. Dazu gehören eine Ausschreibung mit detailliertem Anforderungskatalog und Bewertungsmethoden aus dem Investitionscontrolling (z. B. Wirtschaftlichkeitsberechnungen oder Nutzwertanalysen).
Outsourcing – Auslagerung und Fremdvergabe
Zahlreiche personalwirtschaftliche Prozesse lassen sich auslagern oder an externe Dienstleister vergeben. Die Abrechnung ist ein Standardanwendungsfall dafür. Auslagerungsfähig sind aber auch die Ausbildung, die Eignungsdiagnostik, die Weiterbildung und wesentliche Teile der Personal- und Führungskräfteentwicklung. Das passt nicht immer zum Selbstverständnis der damit betrauten Fach- und Führungskräfte in der Personalorganisation, da aber das Personalmanagement gerade keinen Wertschöpfungsbeitrag leistet, muss die Fremdvergabe grundsätzlich möglich sein.
Eine methodisch fundierte Abwägung ist jedoch erforderlich: Gerade bei Prozessen mit geringem Personalaufwand sind oft nur marginale betriebswirtschaftliche Effekte realistisch. Außerdem müssen externe Anbieter für personalwirtschaftliche Leistungen aller Erfahrung nach eng geführt würden. So entsteht Steuerungs- und Personalaufwand an der Kopfstelle („Retained Organization“), die dafür verantwortlich ist. Bei qualitativ oder quantitativ unzureichender Versorgung durch den externen Partner entstehen zudem immer wieder „graue“ Personalabteilungen, die zwar nicht mehr so heißen, de facto aber Personalaufgaben übernehmen. Die Auslagerung birgt also Chancen und Risiken. Die nachfolgenden Übersichten enthalten alle wesentlichen Argumente dafür und dagegen.[2]
Für die Vergabe und Auslagerung von personalwirtschaftlichen Prozessen gilt wie für jedes andere Outsourcingvorhaben auch: „Schlechte“ Prozesse, unklare, intransparente oder strittige Prozesse sollten nicht ausgelagert werden, es sei denn, der externe Partner bietet eine entsprechende Prozessbereinigung mit an. Auslagerungsprozeduren erhöhen zudem die Kompetenzanforderungen an das Personalressort, da die Steuerung externer Dienstleister ein komplexes Unterfangen ist. Die Praxis zeigt jedoch, dass viele Banken und Sparkassen namentlich in diesem Bereich noch zu blauäugig sind und sich bei der Übergabe von Dienstleistungen zu sehr auf die Zusicherungen der externen Anbieter verlassen.
Fazit – Personalorganisation
Das Personalmanagement in Banken und Sparkassen ist dann robust und zukunftssicher aufgestellt,
- wenn es die personalwirtschaftlichen Anforderungen von morgen schon heute in Handlungsimpulse umsetzt,
- wenn es funktional adäquat ausgestattet ist und die Themenfelder Personalgrundsatz und Personalcontrolling besetzt sind,
- wenn die Aufbauorganisation dem Komplexitätsgrad der personalwirtschaftlichen Leistungen entspricht,
- wenn die Digitalisierung der Personalarbeit konsequent angegangen wird und technisch unterstützte End-to-End-Prozesse etabliert werden,
- wenn Auslagerungsvorhaben und externe Dienstleister methodisch evaluiert und gesteuert werden.
4 Antworten auf “Die Personalorganisation von morgen”
Thorsten Piening
Google for Jobs wird den Markt vollständig verändern und meiner bescheidenen Meinung nach, auch unmittelbar nach dem Start Marktführer im Bereich der Jobbörsen werden. Das ist alleine schon der Tatsache geschuldet, dass Google schon heute die erste Anlaufstelle zum Thema Jobs ist und zwar noch vor den Jobbörsen. In Deutschland finden alleine pro Monat mehr als 70 Millionen Suchanfragen zu diesem Thema statt. Die Karriereseiten vieler Banken sind allerdings noch nicht für Google for Jobs optimiert und Potenziale werden nicht ausgenutzt.
Aber es gibt auch andere Möglichkeiten Personal erfolgreich über Google zu rekrutieren: Einerseits durch die Schaltung von Google Ads und andererseits durch die Suchmaschinenoptimierung der eigenen Karriereseite.
Wenn man heute (Stand: 18.12.2018) bei Google z.B. „Bankkaufmann Ausbildung“ eingibt, so erscheint keine einzige Google Ads Anzeige oberhalb der regulären, organischen Ergebnisse in der Suchergebnisseite. Dabei suchen die Volksbank Bielefeld-Gütersloh e.G., die Sparkasse Bielefeld, die Commerzbank AG als auch die Deutsche Bank AG für den Standort Bielefeld nach eben genau diesen Kandidaten.
Bei Google wird heute schon alles gesucht und vor allen Dingen auch Jobs. Sich hier nicht zu positionieren ist ein großer Fehler und man muss auch nicht erst auf den Start von Google for Jobs warten, um Google erfolgreich im Bereich des Recruitings einzusetzen.
Ich bin als Dozent, Referent und Fachbuchautor genau zu diesem Thema unterwegs und in den zahlreichen, geführten Gesprächen stelle ich immer wieder fest, dass das Thema Google im Bereich Recruiting für viele immer noch Neuland ist. Das wird sich mit dem Start von Google for Jobs sicherlich ändern.
Dr. Viktor Lau
Sehr geehrter Herr Piening,
besten Dank für Ihre ausführliche und aufschlussreiche Einschätzung, die wir voll und ganz teilen. In unserem Artikel „Recruiting X.0 – Paradigmenwechsel in der Personalpolitik“ haben wir das Thema ebenfalls etwas stärker ausgeleuchtet. Gern können wir dazu auch persönlich in den Kontakt treten.
Mit besten Grüßen
Ihr
Viktor Lau
Thorsten Piening
Sehr geehrter Herr Dr. Lau,
vielen Dank für Ihre Antwort und Ihr Angebot des persönlichen Austauschs. Ich komme gerne Anfang des nächsten Jahres auf Sie zu. Bis dahin wünsche Ich Ihnen schöne Feiertage und einen guten Rutsch und Start in das neue Jahr!
Ihr
Thorsten Piening
Sara Markert
Hallo Herr Lau,
auf welcher Seite finde ich die Abb.2 in Ihrem Buch, die Sie auch hier verwendet haben?
Danke für Ihre Hilfe!
Grüße
Sara Markert