Spiegelt sich ein hoher digitaler Reifegrad direkt in der Bewertung von Banken wider?
Grundsätzlich werden europäische Banken am Markt aktuell niedrig bewertet. So liegt die durchschnittliche Price-to-Book-Ratio (Kurs-Buchwert-Verhältnis) westeuropäischer Banken gemäß dem zeb.market.flash zum Ende des vierten Quartals 2019 bei rund 0,71x. Dies unterstreicht das systematische Misstrauen des Markts in die Fähigkeit der Branche, zukünftig Wert für ihre Anteilseigner generieren zu können.
Theoretisch sollte sich ein hoher digitaler Reifegrad von Finanzdienstleistern auch in einer höheren Marktbewertung widerspiegeln. Effekte der Digitalisierung können sowohl auf der Ertrags- (neue Ertragsquellen, Gewinnung neuer, digitalaffiner Kunden etc.) als auch auf der Kostenseite (Automatisierung, Steigerung Effizienz etc.) wirken und somit künftige Gewinne hebeln.
Die Wirkung von Digitalisierungseffekten auf den Marktwert ist praktisch zwar nur schwierig zu messen, jedoch gibt es deutliche Hinweise auf einen positiven Zusammenhang aus Investorensicht: Eine Vielzahl von Private-Equity-Managern ist beispielswiese der Meinung, dass die Realisierung der Equity-Story der im Portfolio gehaltenen Unternehmen durch Digitalisierung beschleunigt werden kann. Daneben sehen Private-Equity-Manager die Digitalisierung zunehmend als Maßnahme zur Wertschaffung bei ihren Beteiligungen.[2]
Passend dazu zeigt die zeb.european banking study 2019, dass digital führende Banken eine bessere Performanz erzielen als ihre Wettbewerber. Im Rahmen der Studie werden die 50 größten europäischen Banken anhand des digitalen Reifegrads in drei Gruppen eingeteilt: Pioneers, Challengers und Followers. Pioneers haben im Vergleich zu anderen Banken z. B. eine höhere Eigenkapitalrendite, eine höhere Price-to-Book-Ratio und eine niedrigere Cost-Income-Ratio.
Gestützt werden die statistisch signifikanten Analyseergebnisse von weiteren Beobachtungen wie z. B. dem rasanten Aufstieg der Wirecard AG und der Tatsache, dass etliche FinTechs (z. B. die Neobank N26 oder der Zahlungsanbieter Klarna) heute bereits ähnliche Bewertungen erzielen wie etablierte Banken mit deutlich höherem Jahresergebnis oder größerem Kundenstamm.
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Werden Fusionen und Übernahmen (M&A) von Digitalisierung getrieben?
Prinzipiell werden M&A-Aktivitäten von verschiedenen Faktoren beeinflusst, wodurch die Identifikation und die isolierte Hervorhebung einzelner Treiber erschwert wird. Trotzdem existieren klare Hinweise, dass Fusionen und Übernahmen (M&A) durch Digitalisierung beeinflusst werden.
So spielt der Zugang zu neuen Technologien bzw. spezialisierten Teams bei möglichen Akquisitionen eine wichtige Rolle.[3] Insbesondere in der Finanzdienstleistungsbranche waren bei M&A‑Transaktionen in der Vergangenheit häufig Technologieunternehmen involviert.
Vor allem Fusionen und Übernahmen (M&A) rund um FinTechs befinden sich aktuell auf Rekordniveau. In 2019 wurden bis Mitte August weltweit insgesamt 193 FinTech-Transaktionen mit einem Gesamtwert von rund 121 Mrd. US-Dollar erfasst.[4] Diese Deals im Finanzdienstleistungssektor umfassen bereits eine große Bandbreite an Bereichen, wie beispielsweise Payments, Blockchain, InsurTechs und RegTechs, die durch einen hohen digitalen Reifegrad gekennzeichnet sind.
Gerade größere Finanzinstitute nutzen die Akquisition von FinTechs zur Absicherung von Innovationen vor dem Hintergrund steigenden Wettbewerbs durch neue, disruptive Marktteilnehmer. Daneben stellt die Generierung von Synergien im aktuell herausfordernden Niedrigzinsumfeld einen wesentlichen Treiber von Transaktionen dar.[5] Es ist allerdings eine besondere Herausforderung, die Akquisitionen erfolgreich in das bestehende Umfeld klassischer Finanzinstitute zu integrieren und das erwartete Wertpotenzial zu realisieren.
Fokus auf Digitalisierung: Sind spezifische Player besonders aktiv?
In Bezug auf M&A-Transaktionen mit einem Digitalisierungsfokus existiert in Deutschland kein stark dominierender Player in der Finanzdienstleistungsindustrie. Vielmehr sind bereits etliche Banken aktiv: So übernahm beispielsweise die ING die P2P-Lending-Plattform Lendico in 2018. Zuvor war die ING bereits Kooperationen mit dem Robo Advisor Scalable und dem Versicherungsmakler Clark eingegangen.[6]
Weiterhin verkündete die Deutsche Bank bereits in 2018, sich mit 10 % an dem FinTech Modo Payments beteiligt zu haben, um im Wettbewerb mit mobilen Zahlungsdienstleistern nicht den Anschluss zu verlieren.[7] Darüber hinaus wurde im März 2019 zum ersten Mal eine Bank von einem FinTech übernommen: Das Berliner FinTech Raisin, welches das Zinsportal „Weltsparen“ betreibt, kaufte die Frankfurter Bank MHB, mit der es bereits seit geraumer Zeit kooperiert hatte. Zuvor hatte Raisin unter anderem von PayPal ca. 100 Mio Euro an frischem Kapital erhalten, mit dem auch die Übernahme der MHB finanziert wurde.[8]
Auch die Commerzbank hält über ihre Investmentvehikel Commerz Ventures und Main Incubator eine Vielzahl an FinTech-Beteiligungen, wie beispielsweise die Social-Trading-Plattform Etoro oder die Kreditplattform Iwoca. Neben strategischen Investoren sind auch Venture-Capitalist- und Private-Equity-Investoren am Markt aktiv. Diese bestätigen, dass der Erwerb von Technologie einen der wichtigsten Aspekte bei den Überlegungen zum Kauf darstellt.[9] Darüber hinaus erachten viele Private-Equity-Manager die Digitalisierung als den wichtigsten Trend, der bei zukünftigen Investitionen eine signifikante Rolle spielen wird.
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Private-Banking-Studie Österreich – 2018 (zeb)
Die zeb.Private-Banking-Studie Österreich ist die erste ihrer Art, die ein umfassendes Verständnis für die Spezifika des österreichischen Private-Banking-Markts vermittelt.Private Banking Studie Deutschland – 2018 (zeb)
Dass sich Privatbanken in Deutschland weiterentwickeln müssen, daran besteht kein Zweifel. Die Ergebnismargen bewegen sich trotz günstigem Marktumfeld weiterhin auf einem sehr niedrigen Niveau.Fazit zu Fusionen und Übernahmen (M&A) bezüglich Digitalisierung
Der digitale Reifegrad ist ein entscheidender Wertbaustein. Investoren schätzen klare digitale Storylines und sind bereit, im digitalen Kontext hohe Bewertungen für künftige Zahlungsströme zu akzeptieren, während den aktuell teils noch deutlich höheren Zahlungsströmen von klassischen Finanzdienstleistern wesentlich weniger Zukunftsrelevanz beigemessen wird.
Investitionen in Digitalisierung
Auch in Zukunft werden Investitionen in Digitalisierung unabdingbar sein, um europäische Banken wettbewerbsfähig zu halten. Zwar gibt es eine zunehmende Anzahl junger, innovativer FinTechs. Diese können sich jedoch trotz zukunftsweisender Technologien häufig noch nicht eigenständig am Markt als massentaugliche Anbieter von Lösungen behaupten. Etablierte Banken und Finanzdienstleister sind dagegen gezwungen, ihre bestehenden Geschäfts- und Betriebsmodelle schnellstmöglich zu digitalisieren bzw. zu adaptieren. Oder kurz: Die Jungen haben moderne Technologien, brauchen aber noch die Kunden sowie finanzielle Ressourcen, während die Alten zwar beides haben, aber nicht über die Technologie bzw. das relevante Know-how verfügen.
„Make, cooperate or buy?“
Für alle Beteiligten in der Finanzindustrie stellt sich im Kontext der digitalen Transformation damit die beinahe klassische Frage: selbst entwickeln oder zukaufen? Diese Entscheidung ist unter Berücksichtigung der Gesamtstrategie, eigener Ressourcen, Kompetenzen und individueller Bedürfnisse zu treffen. Alternativ stellt die Kooperation (z. B. in Form von Accelerator- und Inkubatorprogrammen) zwischen etablierten Banken bzw. Finanzdienstleistern und unter anderem innovativen Start-ups auch in Zukunft eine weitere Möglichkeit mit Potenzial zur Wertsteigerung dar.
Definition einer Fusions- und Übernahme- (M&A) sowie Digitalisierungsstrategie
Für Finanzdienstleister ist es notwendig, eine mit der Gesamtstrategie eng verzahnte, übergreifende M&A- und Digitalisierungsstrategie zu erarbeiten. Diese Verzahnung sollte die Grundlage für zukünftiges Handeln bilden und den Kern „vom Produktdesign bis zur Definition des Betriebsmodells im Zielbild vom Kunden her denken“ integrieren. Im selben Zug ist es wichtig, bereits früh im Prozess explizites Augenmerk auf die einzigartigen Integrationshürden bei FinTechs zu legen. Ohne strategische Fundierung besteht die Gefahr von Fehlallokationen dringend benötigter Ressourcen – und damit letzten Endes das Risiko, selbst zum Übernahmekandidaten zu werden.
Als „Partners for Change“ unterstützt zeb Finanzdienstleister, Investoren und FinTechs von der Strategiedefinition bis zur Umsetzung. Dabei bieten der ganzheitliche Beratungsansatz und der tiefe Markteinblick von zeb besondere Möglichkeiten – beginnend bei der zielorientierten Berücksichtigung der eigenen „digitalen Reifegradmessung“ (siehe zeb.digital pulse check), dem Buy- und Sell-Side-Support im Rahmen der Commercial oder IT Due Diligence bis zur erfolgreichen und wertorientieren Integration einer M&A-Transaktion.