Psychologische Sicherheit – mehr als nur ein Schlagwort
Psychologische Sicherheit bezeichnet ein Arbeitsklima, in dem sich Mitarbeitende trauen, ihre Ideen zu äußern, Risiken einzugehen, Fehler zuzugeben oder Fragen zu stellen – ohne Angst vor negativen Konsequenzen haben zu müssen.
Das Konzept wurde durch Amy Edmondson, Professorin an der Harvard Business School, populär gemacht und spielt eine zentrale Rolle in der Entwicklung leistungsfähiger und innovativer Teams. Unternehmen wie Google konnten in umfangreichen Praxisstudien nachweisen, dass die psychologische Sicherheit wesentlichster Stellhebel für innovatives, erfolgreiches und produktives Arbeiten ist.[1]
Warum angstfreie Teams erfolgreicher sind
Ein angstfreier Raum schafft die Voraussetzungen für offenes Feedback, kontinuierliches Lernen, Veränderungsfähigkeit und damit die schnelle Anpassung an neue Gegebenheiten – allesamt wesentliche Bestandteile für eine agile und widerstandsfähige Organisation.
In der Finanzdienstleistungsbranche, die durch eine hohe Regulierungsdichte, hohe Anforderungen an Genauigkeit und stetige Veränderungen geprägt ist, ist es essenziell, dass Mitarbeitende sich sicher fühlen, ihre Meinung zu äußern und kreative Lösungsansätze zu diskutieren. Ein Klima der Angst hingegen führt zu Fehlern, Misstrauen und einer „Silodenken“-Mentalität.
BankingHub-Newsletter
Analysen, Artikel sowie Interviews rund um Trends und Innovationen im Banking alle 2-3 Wochen direkt in Ihr Postfach
„(erforderlich)“ zeigt erforderliche Felder an
Wie Führungskräfte psychologische Sicherheit gezielt fördern können
Eine psychologisch sichere Umgebung entsteht nicht von allein. Führungskräfte haben immer die Option, die Kultur in ihren Teams aktiv zu gestalten und psychologische Sicherheit zu einem festen Bestandteil ihrer Führungsphilosophie zu machen. Hier sind fünf zentrale Handlungsfelder, die Sie sich als Führungskraft zunutze machen können:
I) Klarheit und Sinn vermitteln
- Erwartungen formulieren: Definieren Sie klar, wie im Team mit Scheitern und Unsicherheiten umgegangen wird. Erklären Sie, warum es wichtig ist, dass alle Teammitglieder ihre Stimme erheben, und betonen Sie, dass Offenheit, Beteiligung und insbesondere Kritik geschätzt werden.
- Sinnausrichtung aufzeigen: Verdeutlichen Sie, welche Ziele und Werte mit der Arbeit des Teams verfolgt werden. Machen Sie klar deutlich, warum die Arbeit für die Kunden, das Unternehmen und die Beteiligten von Bedeutung ist.
Praxistipp: Kommunizieren Sie regelmäßig in einem kurzen „Decision-Briefing“ die getroffenen strategischen Entscheidungen und die zugrunde liegenden Überlegungen. Verbinden Sie mit dieser Ansprache auch die Formulierung Ihrer persönlichen Erwartung an die Entwicklung im Team. Dies stärkt das Vertrauen und hilft, Unsicherheiten zu reduzieren.
II) Einladung zur aktiven Teilnahme
- Proaktiv nachforschen: Stellen Sie gezielte Fragen, hören Sie aktiv zu und zeigen Sie echtes Interesse an den Meinungen und Ideen Ihrer Teammitglieder. Animieren Sie Ihr Team, Ideen und Gedanken stetig weiterzuentwickeln.
- Strukturen schaffen: Implementieren Sie Formate für Diskussionen im Team, um sicherzustellen, dass alle Stimmen gehört werden. Entwickeln Sie für diese Formate gemeinsam mit dem Team Richtlinien und Regeln.
Praxistipp: Führen Sie regelmäßige „Silent Meetings“ ein, in denen Ideen zunächst schriftlich gesammelt werden, bevor Sie sie gemeinsam diskutieren. Stellen Sie durch eine gezielte Moderation sicher, dass alle Teammitglieder zu Wort kommen. Geben Sie allen genügend Zeit, ihre Gedanken zu sammeln und ihre Meinung auszubilden.
III) Wertschätzung und Unterstützung zeigen
- Zuhören und anerkennen: Drücken Sie regelmäßig Wertschätzung und Dank für die Beiträge Ihrer Teammitglieder aus. Demonstrieren Sie, dass deren Ideen und Meinungen ernst genommen werden. Hören Sie sensibel auf Ihrem Beziehungsohr zu und achten Sie auf eine konstruktive Atmosphäre.
- Verstöße adressieren: Achten Sie konsequent auf das Einhalten der Regeln und sanktionieren Sie unmittelbar Verstöße gegen die Kultur der psychologischen Sicherheit. Nutzen Sie solche Situationen als Gelegenheit für gemeinsames Lernen und Weiterentwicklung.
Praxistipp: Starten Sie Meetings gelegentlich mit einer kurzen Anerkennungsrunde, in der positive Leistungen hervorgehoben oder Erfolgsgeschichten aus dem Team geteilt werden können. Das Format der „Wertschätzungsdusche“ ermöglicht es allen im Team, sich auch untereinander Anerkennung und Wertschätzung zu zeigen. Stellen Sie bei Regelverstößen klar, dass das gerade Erlebte unerwünschtes Verhalten ist. Führen Sie im Anschluss ein persönliches Gespräch mit den von den Regelverstößen Betroffenen.
IV) Scheitern vom Stigma befreien
- Fehler als Lerngelegenheit betrachten: Fördern Sie eine Kultur, in der das Scheitern nicht negativ besetzt ist, sondern als Chance zur Weiterentwicklung angesehen wird.
- Offen über Misserfolge sprechen: Ermutigen Sie dazu, offen über Misserfolge zu sprechen, um daraus zu lernen und den Druck zu verringern, perfekt sein zu müssen. Seien Sie auch selbst bereit, über Ihre eigenen Schwächen und Fehler zu sprechen, um eine Kultur der Offenheit zu fördern.
Praxistipp: Etablieren Sie einmal im Monat ein „Failure-Story-Meeting“, in dem sich das Team in entspannter Atmosphäre über Dinge austauschen kann, die schiefgelaufen sind. Teilen Sie auch eigene Erfahrungen. Erzählen Sie über Fehlleistungen aus Ihrer beruflichen Vergangenheit. Legen Sie größten Wert darauf, dass klar wird, was das essenzielle Learning aus dem Fehler ist, was deshalb anders gemacht wird und was die Erfahrungen mit dem „Andersmachen“ in der realen Praxis sind.
V) Neues Führungsverständnis entwickeln
- Richtung vorgeben: Entwickeln und kommunizieren Sie eine klare Richtung und laden Sie Ihr Team ein, Input zu leisten, um diese Richtung anzupassen und zu verfeinern.
- Mitwirkende wertschätzen: Betrachten Sie Ihre Mitarbeitenden als wichtige Mitwirkende mit wertvollem Können, Wissen und Einsichten, die aktiv zur Gestaltung des Erfolgs beitragen.
Praxistipp: Nutzen Sie regelmäßige „Strategieupdates“, in denen das Team Feedback zu aktuellen Entwicklungen geben kann. Nutzen Sie dazu beispielsweise das „Walt-Disney-Format“. Denken Sie immer daran, dass die Ideen Ihres Teams vom Können inspiriert sind, und verbinden Sie diese Ideen mit Ihrem (strategischen) Wissen. Achten Sie darauf, gemeinsam mit Ihren Mitarbeitenden einfach und klar zu denken und zu formulieren sowie immer den Kunden in den Mittelpunkt Ihrer Gedanken zu stellen.
Psychologische Sicherheit gedeiht nicht in einem einmaligen Projekt!
Durch die geschilderten Maßnahmen schaffen Sie ein Umfeld, in dem Scheitern nicht als Schwäche angesehen wird, sondern als Teil des kontinuierlichen Lernprozesses einer Innovationskultur. Die Maßnahmen stärken die Veränderungsfähigkeit und -bereitschaft Ihrer Organisationen und bilden eine essenzielle Grundlage für eine dauerhaft hohe Performance.
Aber denken Sie immer daran: Die Schaffung eines Umfelds, in dem psychologische Sicherheit gedeiht, ist kein einmaliges Projekt, sondern ein kontinuierlicher Prozess, der mit externer Unterstützung häufig leichter von der Hand geht.