Wer nicht wagt, verliert: psychologische Sicherheit als Führungskunst

Die Finanzwelt wird immer komplexer: Regulierungsvorgaben nehmen zu, die digitale Transformation schreitet unaufhaltsam voran, und der Druck auf Führungskräfte, stets auf oftmals unsicherer Basis die richtigen Entscheidungen zu treffen, wächst.

Wie können Führungskräfte in solch einem Umfeld bestehen und Teams erfolgreich durch turbulente Zeiten navigieren? Eine entscheidende Antwort auf diese Frage liegt in einem oft unterschätzten Aspekt der modernen Führung: der psychologischen Sicherheit.

Psychologische Sicherheit – mehr als nur ein Schlagwort

Psychologische Sicherheit bezeichnet ein Arbeitsklima, in dem sich Mitarbeitende trauen, ihre Ideen zu äußern, Risiken einzugehen, Fehler zuzugeben oder Fragen zu stellen – ohne Angst vor negativen Konsequenzen haben zu müssen.

Das Konzept wurde durch Amy Edmondson, Professorin an der Harvard Business School, populär gemacht und spielt eine zentrale Rolle in der Entwicklung leistungsfähiger und innovativer Teams. Unternehmen wie Google konnten in umfangreichen Praxisstudien nachweisen, dass die psychologische Sicherheit wesentlichster Stellhebel für innovatives, erfolgreiches und produktives Arbeiten ist.[1]

Warum angstfreie Teams erfolgreicher sind

Ein angstfreier Raum schafft die Voraussetzungen für offenes Feedback, kontinuierliches Lernen, Veränderungsfähigkeit und damit die schnelle Anpassung an neue Gegebenheiten – allesamt wesentliche Bestandteile für eine agile und widerstandsfähige Organisation.

In der Finanzdienstleistungsbranche, die durch eine hohe Regulierungsdichte, hohe Anforderungen an Genauigkeit und stetige Veränderungen geprägt ist, ist es essenziell, dass Mitarbeitende sich sicher fühlen, ihre Meinung zu äußern und kreative Lösungsansätze zu diskutieren. Ein Klima der Angst hingegen führt zu Fehlern, Misstrauen und einer „Silodenken“-Mentalität.

Wie Führungskräfte psychologische Sicherheit gezielt fördern können

Handlungsfelder zur Verbesserung der psychologischen Sicherheit (Perspektive der Führungskräfte) Abbildung 1: Handlungsfelder zur Verbesserung der psychologischen Sicherheit aus der Perspektive der Führungskräfte

Eine psychologisch sichere Umgebung entsteht nicht von allein. Führungskräfte haben immer die Option, die Kultur in ihren Teams aktiv zu gestalten und psychologische Sicherheit zu einem festen Bestandteil ihrer Führungsphilosophie zu machen. Hier sind fünf zentrale Handlungsfelder, die Sie sich als Führungskraft zunutze machen können:

I) Klarheit und Sinn vermitteln

  • Erwartungen formulieren: Definieren Sie klar, wie im Team mit Scheitern und Unsicherheiten umgegangen wird. Erklären Sie, warum es wichtig ist, dass alle Teammitglieder ihre Stimme erheben, und betonen Sie, dass Offenheit, Beteiligung und insbesondere Kritik geschätzt werden.
  • Sinnausrichtung aufzeigen: Verdeutlichen Sie, welche Ziele und Werte mit der Arbeit des Teams verfolgt werden. Machen Sie klar deutlich, warum die Arbeit für die Kunden, das Unternehmen und die Beteiligten von Bedeutung ist.

Praxistipp: Kommunizieren Sie regelmäßig in einem kurzen „Decision-Briefing“ die getroffenen strategischen Entscheidungen und die zugrunde liegenden Überlegungen. Verbinden Sie mit dieser Ansprache auch die Formulierung Ihrer persönlichen Erwartung an die Entwicklung im Team. Dies stärkt das Vertrauen und hilft, Unsicherheiten zu reduzieren.

II) Einladung zur aktiven Teilnahme

  • Proaktiv nachforschen: Stellen Sie gezielte Fragen, hören Sie aktiv zu und zeigen Sie echtes Interesse an den Meinungen und Ideen Ihrer Teammitglieder. Animieren Sie Ihr Team, Ideen und Gedanken stetig weiterzuentwickeln.
  • Strukturen schaffen: Implementieren Sie Formate für Diskussionen im Team, um sicherzustellen, dass alle Stimmen gehört werden. Entwickeln Sie für diese Formate gemeinsam mit dem Team Richtlinien und Regeln.

Praxistipp: Führen Sie regelmäßige „Silent Meetings“ ein, in denen Ideen zunächst schriftlich gesammelt werden, bevor Sie sie gemeinsam diskutieren. Stellen Sie durch eine gezielte Moderation sicher, dass alle Teammitglieder zu Wort kommen. Geben Sie allen genügend Zeit, ihre Gedanken zu sammeln und ihre Meinung auszubilden.

III) Wertschätzung und Unterstützung zeigen

  • Zuhören und anerkennen: Drücken Sie regelmäßig Wertschätzung und Dank für die Beiträge Ihrer Teammitglieder aus. Demonstrieren Sie, dass deren Ideen und Meinungen ernst genommen werden. Hören Sie sensibel auf Ihrem Beziehungsohr zu und achten Sie auf eine konstruktive Atmosphäre.
  • Verstöße adressieren: Achten Sie konsequent auf das Einhalten der Regeln und sanktionieren Sie unmittelbar Verstöße gegen die Kultur der psychologischen Sicherheit. Nutzen Sie solche Situationen als Gelegenheit für gemeinsames Lernen und Weiterentwicklung.

Praxistipp: Starten Sie Meetings gelegentlich mit einer kurzen Anerkennungsrunde, in der positive Leistungen hervorgehoben oder Erfolgsgeschichten aus dem Team geteilt werden können. Das Format der „Wertschätzungsdusche“ ermöglicht es allen im Team, sich auch untereinander Anerkennung und Wertschätzung zu zeigen. Stellen Sie bei Regelverstößen klar, dass das gerade Erlebte unerwünschtes Verhalten ist. Führen Sie im Anschluss ein persönliches Gespräch mit den von den Regelverstößen Betroffenen.

IV) Scheitern vom Stigma befreien

  • Fehler als Lerngelegenheit betrachten: Fördern Sie eine Kultur, in der das Scheitern nicht negativ besetzt ist, sondern als Chance zur Weiterentwicklung angesehen wird.
  • Offen über Misserfolge sprechen: Ermutigen Sie dazu, offen über Misserfolge zu sprechen, um daraus zu lernen und den Druck zu verringern, perfekt sein zu müssen. Seien Sie auch selbst bereit, über Ihre eigenen Schwächen und Fehler zu sprechen, um eine Kultur der Offenheit zu fördern.

Praxistipp: Etablieren Sie einmal im Monat ein „Failure-Story-Meeting“, in dem sich das Team in entspannter Atmosphäre über Dinge austauschen kann, die schiefgelaufen sind. Teilen Sie auch eigene Erfahrungen. Erzählen Sie über Fehlleistungen aus Ihrer beruflichen Vergangenheit. Legen Sie größten Wert darauf, dass klar wird, was das essenzielle Learning aus dem Fehler ist, was deshalb anders gemacht wird und was die Erfahrungen mit dem „Andersmachen“ in der realen Praxis sind.

V) Neues Führungsverständnis entwickeln

  • Richtung vorgeben: Entwickeln und kommunizieren Sie eine klare Richtung und laden Sie Ihr Team ein, Input zu leisten, um diese Richtung anzupassen und zu verfeinern.
  • Mitwirkende wertschätzen: Betrachten Sie Ihre Mitarbeitenden als wichtige Mitwirkende mit wertvollem Können, Wissen und Einsichten, die aktiv zur Gestaltung des Erfolgs beitragen.

Praxistipp: Nutzen Sie regelmäßige „Strategieupdates“, in denen das Team Feedback zu aktuellen Entwicklungen geben kann. Nutzen Sie dazu beispielsweise das „Walt-Disney-Format“. Denken Sie immer daran, dass die Ideen Ihres Teams vom Können inspiriert sind, und verbinden Sie diese Ideen mit Ihrem (strategischen) Wissen. Achten Sie darauf, gemeinsam mit Ihren Mitarbeitenden einfach und klar zu denken und zu formulieren sowie immer den Kunden in den Mittelpunkt Ihrer Gedanken zu stellen.

Psychologische Sicherheit gedeiht nicht in einem einmaligen Projekt!

Durch die geschilderten Maßnahmen schaffen Sie ein Umfeld, in dem Scheitern nicht als Schwäche angesehen wird, sondern als Teil des kontinuierlichen Lernprozesses einer Innovationskultur. Die Maßnahmen stärken die Veränderungsfähigkeit und -bereitschaft Ihrer Organisationen und bilden eine essenzielle Grundlage für eine dauerhaft hohe Performance.

Aber denken Sie immer daran: Die Schaffung eines Umfelds, in dem psychologische Sicherheit gedeiht, ist kein einmaliges Projekt, sondern ein kontinuierlicher Prozess, der mit externer Unterstützung häufig leichter von der Hand geht.

Sie sollten nun in der Lage sein, über diese zentralen Punkte des Artikels zu sprechen:
  • Was versteht man unter psychologischer Sicherheit und warum ist sie wichtig? Psychologische Sicherheit beschreibt ein Arbeitsklima, in dem sich Mitarbeitende trauen, ihre Ideen zu äußern, Risiken einzugehen, Fehler zuzugeben oder Fragen zu stellen, ohne Angst vor negativen Konsequenzen. Sie ist wichtig, weil sie offenes Feedback, kontinuierliches Lernen, Veränderungsfähigkeit und somit die Anpassung an neue Gegebenheiten fördert. Studien wie jene von Google belegen, dass psychologische Sicherheit ein wesentlicher Faktor für innovative, erfolgreiche und produktive Teams ist.
  • Welche Rolle spielt die Kommunikation bei der Förderung psychologischer Sicherheit? Kommunikation spielt eine zentrale Rolle. Führungskräfte sollten klar kommunizieren, wie im Team mit Fehlern und Unsicherheiten umgegangen wird und warum Offenheit, Beteiligung und Kritik geschätzt werden. Regelmäßige „Decision-Briefings“ und „Strategieupdates“ können helfen, Vertrauen zu stärken, Unsicherheiten zu reduzieren und sicherzustellen, dass alle Teammitglieder die strategische Ausrichtung verstehen und Feedback geben können.
  • Wie geht man mit Regelverstößen gegen die Kultur der psychologischen Sicherheit um? Regelverstöße sollten konsequent adressiert und sanktioniert werden. Diese Situationen sollten als Gelegenheit für gemeinsames Lernen und Weiterentwicklung genutzt werden. Nach dem Ansprechen des unerwünschten Verhaltens sollte ein persönliches Gespräch mit den von den Regelverstößen Betroffenen geführt werden.
  • Wie kann man eine Kultur schaffen, in der Fehler als Lerngelegenheit betrachtet werden? Scheitern sollte als Chance zur Weiterentwicklung angesehen werden. Führungskräfte sollten offen über Misserfolge sprechen und Mitarbeitende ermutigen, dasselbe zu tun, um den Druck zu verringern, perfekt sein zu müssen. „Failure-Story-Meetings“ können eine entspannte Atmosphäre schaffen, in der sich das Team über Dinge austauschen kann, die schiefgelaufen sind, und daraus lernen kann.

[1] Duhigg, C. (2016): What Google Learned From Its Quest to Build the Perfect Team. The New York Times Magazine.

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Steffen Dreiling / Autor BankingHub

Steffen Dreiling

Senior Business Coach Office Münster
Eyleen Nomrowski / Autorin BankingHub

Eyleen Nomrowski

Senior Consultant Office Hamburg

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