Zwei Dimensionen der Digitalisierung betreffen Banken besonders
- Das Verhalten von Bankkunden verändert sich insbesondere durch die Nutzung von Smartphones und darüber angebotene Dienstleistungen, die das klassische Bankgeschäft ergänzen und zunehmend auch dazu im Wettbewerb stehen.
- Die Arbeitsmittel in den Banken verändern sich: Nachdem in der ersten Welle der Digitalisierung flächendeckende PC-Arbeitsplätze installiert wurden, folgt nun die zweite Welle, in der Prozesse vor allem an der Kundenschnittstelle durchgreifend standardisiert werden, sodass Arbeit und Kommunikation verschmelzen und zeitlich wie räumlich unbegrenzt gewährleistet werden können.
Dienstleistungen steht eine totale Digitalisierung bevor, die mit dem 4-P-Modell beschrieben werden kann
- Prädiktiv (Kundenbedarf zielsicher prognostizieren)
- Proaktiv (aktive Ansprache statt Abwarten)
- Personalisiert (individualisierte Beratung und Angebote)
- Partizipativ (Kunden aktiv an Entscheidungen und Entwicklungen beteiligen).
Die zeb.HR-Studie zeigt, dass kleinere und mittlere Kreditinstitute über eine Mitarbeiterschaft mit einem Durchschnittsalter von über 45 Jahren, einer mittleren Betriebszugehörigkeit von mehr als 15 Jahren und einem Anteil von ca. 57 % Frauen, die zu einem großen Teil in Teilzeit und unteren Tarifgruppen arbeiten, verfügen. Es besteht daher die Gefahr, dass die Digitalisierung ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter überrollt und untere Lohngruppen und Teilzeitstellen ersetzt, die wiederum oft von teilweise hoch qualifizierten Frauen besetzt sind. Die Digitalisierung könnte zudem eine Beratung auf Knopfdruck begünstigen, die zwar regulatorisch sicher, nicht aber im Interesse einer individuellen, verantwortungsvollen Kundenberatung ist. Zugespitzt formuliert:
Die Digitalisierung in ihrer derzeitigen Form treibt viele regionale Banken in eine Richtung, die sowohl den Kundenbedürfnissen als auch den Mitarbeiterbedürfnissen entgegenläuft.
Ergebnisse der zeb.HR-Studie: Digitalisierung ohne Personalarbeit
Die Ergebnisse der zeb.HR-Studie zeigen, dass Personal und Organisation noch kaum auf den digitalen Wandel vorbereitet sind. Vielen Instituten erscheint das gar nicht problematisch, weil der Wandel aus ihrer Sicht nur langsam einsetzt. Sowohl der Durchschnitt aller Institute als auch die Qualitätsführer (Top 25 %) glauben, dass alle wesentlichen Leistungsbereiche – Vertrieb, Produktion und Steuerung – von der Digitalisierung betroffen sind. Das Thema bereits angegangen hat aber nur etwas mehr als die Hälfte der Institute; bei den Top 25 % sind es über 70 %. Gut ein Fünftel der Institute (21 %) hat gar keine konkreten Pläne (vgl. Abbildung 1).
Fragt man nach speziellen Bildungsmaßnahmen zum Thema Digitalisierung, so fällt auf, Personalabteilungen sich weitgehend aus dem Thema heraushalten: Nur rund ein Viertel (26 %) unternimmt regelmäßig oder regelmäßig und systematisch etwas. Der enorme Unterschied der Top 25 % zum Durchschnitt wird besonders deutlich, wenn man alle Qualitätsstufen zusammennimmt, in denen die Personalabteilung aus eigenem Antrieb etwas unternimmt (also „manchmal“, „regelmäßig“ sowie „regelmäßig und systematisch“): 76 % der Qualitätsführer unternehmen zumindest „manchmal“ etwas, der Durchschnitt aber nur zu 50 %.
Noch deutlicher wird dieses Bild, wenn man nicht nur Bildungsmaßnahmen untersucht, sondern alle Unterstützungsmaßnahmen, die die Personalabteilung „regelmäßig“ oder „regelmäßig und systematisch“ anbietet: Das tut gut die Hälfte der Top-Institute, aber nur 25 % der Durchschnittsinstitute.
An der Offenheit und der Kompetenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter scheint es dabei nicht zu liegen, wenn man die Ergebnisse der zeb.HR-Studie zugrunde legt: „Gerade richtig“ finden über die Hälfte der Institute die Veränderungsbereitschaft ihrer Mitarbeiterschaft, nur eine Minderheit denkt, dass es „viel zu wenig“ ist (vg. Abbildung 2). Die Qualitätsführer glauben auch mehrheitlich, dass die Kompetenzen in ihren Personalabteilungen „gerade richtig“ sind (62 %). Davon sind die durchschnittlichen Institute weniger überzeugt („gerade richtig“ = 41 %), aber viel zu wenig Kompetenz sieht auch nur eine Minderheit (4 % bzw. 9 %). Wenn es also nicht an Veränderungsbereitschaft und Kompetenz liegt, dann muss man sich fragen, ob nicht die deutlich zu geringe Unterstützung der Digitalisierung durch Personalmaßnahmen eines der Hauptentwicklungshemmnisse darstellt.
Lösungsansatz: Digitale Arbeit für digitale Arbeit
Noch weiß niemand, wie sich die digitale Revolution auf die Prozesse und Geschäftsmodelle einer Bank auswirken wird. Erkenntnisse aus der Industrie lassen sich nicht ohne Weiteres auf Dienstleitungsunternehmen übertragen. Es fehlen durchdachte, empirisch überprüfte und wissenschaftlich fundierte Konzepte. Es kann also kein klar umrissenes Zielbild geben, das mit ebenso klaren Zielvorgaben, Meilensteinen und Prozessen erreicht werden kann. Vielmehr sind neue Arbeitsformen, agiles Projektmanagement und neue Formen der Führung Dreh- und Angelpunkt einer erfolgreichen Umsetzung. Kurzum: Nur digitale Arbeit führt auch zu digitaler Arbeit.
Mit der Digitalisierung geht ein grundlegender Wandel von vorgegebenen Zielen („Was machen?“) mit herkömmlichen Methoden hin zu eigener Zielerarbeitung mit digital vermittelten Methoden („Wie machen?“) einher.
Umsetzungsbeispiel: Zusammen anfangen, alle mitnehmen
Ein verbandsnaher IT-Dienstleister setzt das aus unserer Sicht wegweisende Konzept „Digitale Arbeit durch digitale Arbeit“ um. Banken, die am Prozess teilnehmen, können aus verschiedenen Zielbereichen der digitalisierten Arbeitswelt auswählen: 1. Kundenorientierung in einer vernetzten Welt, 2. Mitarbeiterengagement und Arbeitgeberattraktivität durch digitalisierte Arbeitsplätze, 3. bessere Führung und Unternehmenskultur durch digitale Kommunikation und 4. nachhaltigere Prozesse und Ressourcennutzung durch Digitalisierung. Die Arbeitsstruktur orientiert sich an drei Grundprinzipien:
- Fachkenntnis vor Hierarchie: Teams mit wechselnder, themenbezogener Besetzung statt fester Projektgruppen nutzen agile Arbeitsformen wie „Cloud Working“ und „flexibles Sourcing“ und setzen dabei neue digitale Arbeitsmittel ein. Die wechselnde Besetzung erlaubt Führung auf (Teil‑)Zeit und soll vor allem qualifizierten Frauen angeboten werden, die z. aufgrund familiärer Umstände auf gering qualifizierte Teilzeitstellen gewechselt sind.
- Partizipation: Alle Mitarbeitergruppen sind in die Steuerung und Zielsetzung eingebunden, sodass Mitarbeiter- und Organisationsziele gleichberechtigt neben geschäftsstrategischen Zielen stehen. Dabei werden bei Bedarf Kunden und externe Experten hinzugezogen. In die Zielfindung und Bewertung von Zielerreichung sollen altersgemischte Teams mit älteren und erfahrenen Mitarbeitern eingebunden werden.
Sukzessive Digitalisierung der Arbeit: Es soll keine Anschaffung und Anordnung digitaler Medien von oben geben, sondern eine schrittweise Erprobung neuer Kommunikations- und Arbeitsmittel mit systematischem Austausch durch Projektgruppen innerhalb und zwischen den Banken.