Plattformökonomie als strategischer Wendepunkt im Banking

Immer mehr Banken erkennen: Die Zukunft liegt nicht in isolierten Produkten, sondern in vernetzten Angeboten und digitalen Ökosystemen. Doch der Weg dorthin ist komplex – alte IT-Strukturen, regulatorische Anforderungen und kulturelle Barrieren bremsen die Umsetzung.

Im Gespräch mit Michelle von Nathusius erläutert Dominik Schütz, Leiter des Innovation Lab der LBBW, wie Banken Plattformlogik strategisch begreifen sollten, welche Chancen sich daraus ergeben – und warum Kooperationen der entscheidende Erfolgsfaktor sind.

Wandel zu zu modularen, integrierbaren und kooperationsfähigen Angeboten

Dominik Schütz, Leiter des Innovation Lab der LBBW, im Interview
Dominik Schütz, Leiter des Innovation Lab der LBBW, im Interview

Hallo Herr Schütz, was bremst aus Ihrer Sicht aktuell die operative Umsetzung moderner Plattformstrategien im Bankenumfeld?

Plattformökonomie bedeutet, dass sich Wertschöpfung zunehmend über vernetzte, dynamische Ökosysteme organisiert. Plattformen schaffen neue Kundenzugänge, kombinieren Services verschiedener Anbieter und setzen technologische Standards, die viele Kunden längst als selbstverständlich empfinden. Wenn wir also über Plattformen sprechen, meinen wir damit nicht nur einen neuen Vertriebskanal, sondern einen grundlegenden Wandel: weg vom rein produktzentrierten Denken, hin zu modularen, integrierbaren und kooperationsfähigen Angeboten, die in unterschiedlichen Nutzungskontexten eingebunden werden können.

Die Herausforderung für die meisten Banken liegt darin, dass sie über Jahrzehnte gewachsene Strukturen mitbringen – technisch, organisatorisch und regulatorisch. Diese Systeme sind auf Stabilität und Sicherheit ausgelegt, weniger auf Flexibilität oder offene Schnittstellen. Genau darin liegt der Kernkonflikt: Die Plattformlogik verlangt Modularität, während viele Bestandssysteme auf Integration gar nicht vorbereitet sind. Hinzu kommt die strategische Frage nach der Kundenschnittstelle: In welchen Bereichen behalten wir den direkten Kontakt – und wo ergibt es Sinn, diesen über Plattformen oder Partner zu öffnen? Das ist keine rein technische Entscheidung, sondern eng mit unserem Selbstverständnis als Bank verbunden.

Dennoch sehe ich Plattformen als große Chance, Banking konsequent entlang der Erwartungen unserer Kunden weiterzuentwickeln.

Plattformökonomie als Chance im Wertschöpfungsprozess

Wie können Plattformen Prozesse in den kommenden Jahren spürbar vereinfachen oder beschleunigen und welche konkreten Chancen ergeben sich daraus?

Plattformen bieten vor allem eines: die Möglichkeit, Prozesse konsequent aus Kundensicht neu zu denken. Sie erlauben es, Leistungen nicht mehr isoliert, sondern vernetzt, integriert und auf konkrete Nutzungssituationen abgestimmt anzubieten.

Die Chance besteht also darin, Wertschöpfung nicht mehr allein intern abzubilden. Vielmehr kann sie gezielt mit anderen geteilt werden – dort, wo es für Kunden Sinn ergibt. Das kann die Integration spezialisierter Partner sein oder die Kombination bankeigener Stärken mit ergänzenden Services. Dabei geht es nicht nur um Effizienz, sondern auch um Relevanz und Geschwindigkeit.

In einer Plattformlogik lassen sich Prozesse klarer strukturieren, digitalisieren und im besten Fall automatisieren – aber eben so, dass sie Teil eines größeren Ganzen sind und nicht als Einzellösung danebenstehen.

Plattformdenken bedeutet: kontextbezogene Angebote, smarte Schnittstellen, klare Prozesse

Was erwarten Kunden heute von einer digitalen Bankingplattform – und wo sehen Sie aktuell die größten Lücken?

Kunden erwarten heute, dass digitale Services intuitiv, schnell und reibungslos funktionieren – unabhängig davon, ob es sich um eine Bank oder eine Techplattform handelt. Die Benchmark kommt längst von außerhalb der Branche: Wer bei Amazon, Spotify oder Apple bereits nahtlos unterwegs ist, bringt wenig Geduld und Verständnis für fragmentierte oder umständliche Prozesse mit.

Das betrifft nicht nur die Optik oder Nutzerführung, sondern vor allem den Grad an Integration. Kunden erwarten, dass Services dort verfügbar sind, wo sie gerade gebraucht werden. Plattformdenken bedeutet deshalb: kontextbezogene Angebote, smarte Schnittstellen, klare Prozesse.

Die größte Lücke sehe ich aktuell dort, wo Komplexität – technisch wie organisatorisch – noch zu stark beim Kunden landet. Da besteht noch viel Potenzial in der Verbesserung der Frontends und besonders auch in der Gestaltung der dahinterliegenden Strukturen, sodass echte Einfachheit möglich wird.

Rolle von Partnerlösungen

Welche Rolle spielen Partnerlösungen (z. B. von FinTechs) in der Weiterentwicklung von Kundenplattformen – eher Beschleuniger oder Komplexitätstreiber?

In einer Plattformlogik entstehen Mehrwerte vor allem dort, wo unterschiedliche Stärken gezielt miteinander verbunden werden. Partnerlösungen – insbesondere von FinTechs oder spezialisierten Technologieanbietern – spielen dabei eine zentrale Rolle. Sie bringen Innovationsgeschwindigkeit, technologische Tiefe und fokussierte Lösungen in das Ökosystem ein, die sich in klassischen Strukturen oft nicht mit derselben Dynamik entwickeln lassen.

Die eigentliche Frage ist daher nicht, ob man mit Partnern arbeitet, sondern wie bewusst und strategisch diese Integration erfolgt. Statt jede externe Lösung möglichst schnell anzubinden, bedeutet Plattformfähigkeit in diesem Zusammenhang, gezielt auszuwählen, zu orchestrieren und in eine konsistente Architektur einzubetten. Das setzt mehr voraus als nur technische Anschlussfähigkeit: Es geht um klare Governance, Vertrauen in Schnittstellen und abgestimmte Verantwortung. Plattformstrategien funktionieren genau dann gut, wenn sie diesen Rahmen schaffen – offen, steuerbar und anschlussfähig, ohne die Kontrolle über das Kundenerlebnis und die Datenqualität zu verlieren.

Fazit: Plattformstrategien verändern das Bankgeschäft von Grund auf

Plattformstrategien fordern technologische Offenheit, strategische Klarheit und ein neues Verständnis von Partnerschaft. Dominik Schütz bringt es auf den Punkt: Erfolg entsteht dort, wo Banken den Mut haben, stabile Strukturen zu öffnen – ohne ihre Identität zu verlieren.

Die Zukunft des Bankings liegt nicht in der Einzelbank, sondern im orchestrierten Netzwerk. Plattformen werden damit zum Schlüssel, um Kundenerlebnisse neu zu definieren – und Banking wirklich relevant zu machen.

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Sie sollten nun in der Lage sein, über diese zentralen Punkte des Artikels zu sprechen:
  • Was ist die größte Herausforderung für Banken bei der Einführung der Plattformökonomie? Die größte Herausforderung liegt in den über Jahrzehnte gewachsenen, stabilen und sicheren Strukturen (technisch, organisatorisch und regulatorisch). Diese stehen oft im Konflikt mit der von Plattformen geforderten Modularität, Flexibilität und den offenen Schnittstellen.
  • Wie können Plattformen konkret zur Beschleunigung von Prozessen beitragen? Plattformen bieten die Möglichkeit, Prozesse konsequent aus Kundensicht neu zu denken. Sie erlauben es, Leistungen vernetzt, integriert und nicht isoliert anzubieten, wodurch Prozesse klarer strukturiert, digitalisiert und im besten Fall automatisiert werden.
  • Wo sehen Kunden die größten Lücken bei digitalen Bankingplattformen heute? Die größte Lücke sehen Kunden aktuell in der Komplexität, sowohl technisch als auch organisatorisch. Kunden erwarten, dass digitale Services intuitiv, schnell und reibungslos funktionieren – der Maßstab wird oft durch Unternehmen außerhalb der Branche wie Amazon oder Spotify gesetzt.
  • Welche Rolle spielen Partnerlösungen (z. B. von FinTechs) in der Weiterentwicklung von Bankingplattformen? Partner spielen eine zentrale Rolle und fungieren als Beschleuniger. Sie bringen Innovationsgeschwindigkeit, technologische Tiefe und fokussierte Lösungen in das Ökosystem ein, die Banken in klassischen Strukturen oft nicht mit derselben Dynamik entwickeln könnten.

Sprechen Sie uns gerne an!

Michelle von Nathusius / Autorin BankingHub

Michelle von Nathusius

Senior Consultant bei zeb Office München

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