Vom PMO zum Transformation Office (TMO)

Die drei Geißeln des Projektportfolios

Der Anspruch an Umsetzungsumfang und ‑geschwindigkeit innerhalb der ORG/IT hat im letzten Jahr noch einmal deutlich zugenommen. Diese Entwicklung wird sich fortsetzen – da die drei zentralen Treiber weiterhin Bestand haben:

  • Finanzdienstleister als getriebene der Regulatorik: Die Institute sind in Bezug auf die regulatorischen Themen weitestgehend fremdbestimmt. Im Ergebnis werden fast alle aus dem regulatorischen Umfeld stammenden Anforderungen „Muss-Anforderungen“ im Projektportfolio. Einzelne Institute weisen einen Changeanteil von 60–70 % für die Umsetzung regulatorischer Anforderungen aus. Hinzu kommt der Ausbau weiterer Themen wie IT-Risiko und ‑Sicher­heitsmanagement.
  • Digitalisierung – die Angst, etwas zu verpassen: „Digitalisierung“ hat sich durch die starke Alltagspräsenz zu einem de facto Muss-Thema entwickelt. Die unter dem Begriff zusammengefassten Themen sind nicht fundamental neu; trotzdem hat der Modebegriff der Entwicklung eine erhebliche Zunahme an Dynamik und Innovationskraft beschert. Grundsatzfragen wie „Neu-, An- oder Umbau“, der Einsatz alternativer Vorgehensmodelle und Architekturen sowie einer ungewohnten Governance in neuen Ökosystemen erhöhen dabei die Projektkomplexität deutlich.
  • Legacy – die Sünden der Vergangenheit: Nur wenigen Häusern ist bisher eine grundlegende Renovierung der IT-Landschaft gelungen. In der Regel findet man noch über die Zeit „gewachsene“ Architekturen, die eine sehr hohe Komplexität aufweisen. Aus diesem Modernisierungs- und Innovationsstau resultiert bereits jetzt eine übermäßige Belastung sowohl der „Run“- als auch „Change“-Budgets. Nicht zuletzt ergibt sich aus diese Komplexität auch eine längere „Time to Market“ für die Umsetzung neuer Anforderungen. Ein „gründliches Aufräumen“ erfordert nach wie vor ein erhebliches Investment.

Hoher Anspruch trifft auf leere Kassen und knappe Ressourcen

Obwohl seit Jahren gefordert zeigt sich der überwiegende Teil der Institute strukturell (Stichwort: „Wer verantwortet das optimale Austarieren von Gesamthaus- und Partialinteressen?“) als auch prozessual („Wirksamkeit der ORG/IT-Steuerungsprozesse wie Projektportfolio- und Architekturmanagement gegeben?“) weiterhin unterentwickelt:

  • Die Boards entscheiden nach wie vor auf Basis von Einzeleindrückenohne geführten strategischen Diskurs sind Kosten und Ressourcen mit dem „Rasenmäher“ zu determinieren.
  • Die Steuerungsverantwortung wird nicht mandatiert oder schlichtweg schlecht wahrgenommen – Projektportfoliomanagement (PPM) verkümmert zur Datensammelstelle und Enterprise Architecture Management (EAM) bleibt ohne Wirkung.
  • Eine effiziente Projektdurchführung ist nicht messbar und Qualität ist nicht im Fokus – das Zusammentreffen von Agilität und klassischen Entwicklungsmethoden schafft zusätzliche Konfusion.

Unter diesen Bedingungen werden die Portfolios schnell durch die regulatorische Pipeline verstopft; Digitalisierung ergänzt als „Invest in die Zukunft“, und eine Komplexitätsreduktion hat kaum Chancen auf Budget – paradox, da gerade hier die Basis für eine effiziente Weiterentwicklung geschaffen werden müsste. Eine Analyse in Bezug auf Synergien und Prioritäten findet nicht statt; im Ergebnis liegen die Projektportfolios in Kosten und Ressourcen signifikant über dem Leistbaren.

Transformation trotz widriger Rahmenbedingungen managen

Schlüssel zu einer optimierten Aufstellung des Projektportfolios ist es, die Transformation zu gestalten (durch hohen Impact, klare Priorisierung und aktive Entscheidungsprozesse), statt wie bisher das entstehende Portfolio nur zu argumentieren (mit geringem Impact, pauschale Kürzungen signifikant zu hoher Budgetanforderungen und fehlender Entscheidungstransparenz).

Abbildung 1: Erfolgsfaktoren im Transformationsprozess

Was sind die Erfolgsfaktoren?

  1. Transformation beginnt früh im Wertschöpfungsprozess: Die ORG/IT muss bereits vor der Generierung konkreter Umsetzungsideen in die Wertschöpfungskette involviert werden, um die Anforderungen zu verstehen und passende Lösungsszenarien zu erarbeiten. Darüber hinaus muss ein aktives Screening und Einsortieren der „drohenden“ Anforderungen, z. B. durch regulatorisches Monitoring oder Verfolgen der FinTech-Szene erfolgen. Aus der Vielzahl der Initiativen können so genau die Themen identifiziert werden, die Auswirkung auf das Institut bzw. die IS-Landschaft haben. Für das sehr ressourcenbindende Screening können Skaleneffekte durch Verwendung von aufbereiteten Quellen (vgl. Regulatory Hub) genutzt werden.
  2. Transformation braucht hohe zeitliche und inhaltliche Reichweite: Fundierte Entscheidungen und Umsetzungsverbindlichkeit erfordern die Erhöhung der zeitlichen und inhaltlichen Reichweite – also die Verabschiedung aus den kurzfristig ausgerichteten ggf. auch rollierenden Planungen und Entwicklung hin zu mittelfristigen und architektonisch abgestützten Sichten. Grundlage hierzu ist der Einsatz von etablierten Verfahren der Bebauungsplanung im Sinne des EAM. Die Reichweite in der Planung steht nicht im Widerspruch zur agilen Umsetzung – sie bedingen sich vielmehr.
  3. Transformation benötigt klare Konturen – „3+1-Cluster-Strategie“: Sinnvolle Portfolios über die „klassischen“ (geschäftsmodell-spezifischen) Sichten hinaus schaffen, insb. entlang der Themenschwerpunkte Digitalisierung, Regulatory und Komplexität sowie für Daten-/Integra­tionsarchitektur. Auf dieser Basis – einer übergreifenden Sicht auf die Portfoliotreiber – können feste Budgettöpfe, Ressourcenkontingente und Umsetzungszeiträume festgelegt werden.
  4. Transformation erfordert intelligente Zuschnitte: Sind die Anforderungen vorgefiltert und sortiert, muss das Portfolio in zwei Dimensionen geschnitten werden: „horizontal“ nach Themen und „vertikal“ nach Steuerungsebenen. Für den horizontalen Zuschnitt muss Verständnis über die Wirkungsweise der Anforderungen (Impact) erreicht werden. Auf dieser Basis lassen sich Fach-, Organisations- und Technologiethemen mit der Wirkung in ähnlichen Bereichen der Bank zusammenfassen, was eine Abarbeitung unter Nutzung von Synergien ermöglicht. In vertikaler Richtung muss eine Sortierung zwischen zentral zu steuernden und dezentral/agil abzuarbeitenden Themen erfolgen. Hierbei sind die Abhängigkeiten, Größen und Ergebnisbeiträge der Vorhaben die Sortierkriterien. Für kleine Vorhaben erfolgt eine vereinfachte Planung, lose Steuerung und autarke Abarbeitung auf Teil-Portfolioebene – so werden auch große Portfolios mit scheinbar mehreren hundert Vorhaben handhabbar.
  5. Transformation muss in passenden Projektökosystemen stattfinden: Für jedes Bündel kann ein eigener Umsetzungsrahmen („Projektmanagement“) bereitgestellt werden. So reichen die Problemkategorien von umfassenden Systemerneuerungs- und Migrationsvorhaben in klassischen Vorgehensmodellen bis zu kleinen agilen Initiativen z. B. in Form von Scrum-Projekten. Hierzu müssen „Projektökosysteme“ innerhalb des Instituts und mit Verzahnung zur Umwelt (FinTechs, Provider, Content-Anbieter, …) geschaffen werden. In diesen Ökosystemen materialisieren sich die erforderlichen unterschiedlichen Skills, Technologien, Zusammenarbeitsmodelle und letztendlich auch Geschwindigkeiten im Sinne „time to market“.
  6. Transformation muss aktiv und qualitativ „ge-challenged“ werden: Eine ausreichende Stringenz bei der Realisierung ist nur durch enge zentrale Begleitung des Portfolios „von der Pipeline bis zur Umsetzung“ sichergestellt. Dabei müssen nicht nur die Ergebniskennzahlen des klassischen PMOs, sondern insbesondere auch die inhaltliche Dimension in Form einer fachlichen Qualitätssicherung abgedeckt werden. Hierzu muss eine Bündelung aller notwendigen Skills in einem Transformation Office erfolgen, um die Zahlenwelt und die inhaltliche Veränderung integriert zu bewerten. Methodisch kann dabei weitestgehend auf bereits erprobte Verfahren des Projektportfolio- und des Architekturmanagements zurückgegriffen werden. Diese müssen in der Regel nur auf einander abgestimmt und ineinander überführbar ausgestaltet werden. Die Governance muss über gesonderte Reporting- und Eskalationspfade ein wirksames Vier-Augen-Prinzip sicherstellen.

Etablierung eines Transformation Office

Alle sechs Erfolgsfaktoren können durch ein Transformation Office befördert werden. Für die organisatorische Verankerung und den Innenaufbau kommen unterschiedliche Gestaltungsmuster infrage.

Unsere Erfahrungen zeigen, dass eine explizite und zentrale Ansiedlung in der COO- oder CIO-Funktion auf Instituts- (besser Holding-)Ebene am wirksamsten ist. Voraussetzung ist, dass diese Einheit mit angemessener Steuerungskraft mandatiert und als kompetenter Impulsgeber akzeptiert die klassische Rolle als Dienstleister ergänzt hat. Ebenso, dass die Boards angemessen in die Entscheidungsprozesse eingebunden werden – auf Basis einer verbindlichen Governance und hoher Disziplin. Hierzu ist ein klares durch den Gesamtvortand getragenes Mandat erforderlich, dass auch bei systembedingten Konfliktfällen (z. B. zwischen Marktunterstützungs- und Kostenperspektive) zuverlässig hält.

Letztendlich hängt es von den Skills und dem Anspruch der Mitarbeiter im Transformation Office ab, die Transformation wirklich im Sinne des Hauses zu gestalten. Ein Beispiel für die Ausgestaltung der Dimensionen des TMO ist in Abbildung 2 dargestellt.

Abbildung 2: Beispiel zur Ausgestaltung eines Transformation Office

Für die ORG/IT-Einheiten ist das Transformations Office darüber hinaus eine sehr gute Möglichkeit, ihre bestehenden „Steuerungsprozesse“ zum Nutzen des Instituts spürbar zu vitalisieren und gleichzeitig eine Antwort für die anstehenden Anforderungen zu liefern.

Sprechen Sie uns gerne an!

Andreas Schick/ Autor BankingHub

Andreas Schick

Senior Partner Office Frankfurt
Dr. Wolf Behrmann

Dr. Wolf Behrmann

Senior Manager Office Frankfurt

Artikel teilen

Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

BankingHub-Newsletter

Analysen, Artikel sowie Interviews rund um Trends und Innovationen
im Banking alle 2 Wochen direkt in Ihr Postfach

Send this to a friend