Dokumentenprüfung: Betrugserkennung mit KI

Die Betrugsmuster in der Finanzdienstleistungsbranche sowie die damit verbundenen Gegenmaßnahmen zu ihrer Erkennung und Vermeidung sind vielschichtig und entwickeln sich – nicht zuletzt auch durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) – stetig weiter. Während sich im beleglosen Zahlungsverkehr der Einsatz verbesserter Technik zur Kundenauthentifizierung bereits bewährt hat (z. B. MaSi, PSD2, FIDO), sind auch im Umgang mit gefälschten Kundendokumenten neue Ansätze in der Betrugserkennung und -prävention bei der Dokumentenprüfung erforderlich.

Optimierung des Dokumentenprüfungsprozesses: nicht ohne neue Ansätze!

Kundendokumente in Form von Bonitäts- bzw. Sicherheitsnachweisen (z. B. Einkommensnachweisen, Wertgutachten, Registerauszügen), Rechnungen oder Fotos sind im Kreditantragsprozess oder bei der Schadensregulierung von immenser Bedeutung. Der Wahrheitsgehalt dieser Unterlagen entscheidet maßgeblich darüber, ob Auszahlungskriterien erfüllt werden und anschließend finanzielle Mittel durch den Finanzdienstleister freigegeben werden. Der Prüfung der Dokumente auf Manipulation, d. h. dem Erkennen einer Dokumentenfälschung zur Vermeidung eines finanziellen oder eines Reputationsschadens, kommt daher eine Schlüsselrolle zu.

Die manuelle Dokumentenprüfung ist trotz des Einsatzes des Fachwissens der beteiligten Mitarbeitenden und der Optimierung der zugehörigen Prozesse für Banken und Versicherungen nach wie vor eine Herausforderung. Die Gründe dafür sind dabei unterschiedlicher Natur:

  • Nicht standardisierte Belege wie z. B. Rechnungen oder Fotos werden eingereicht.
  • Eine manuelle Prüfung von Dokumenten ist personal- und zeitintensiv und führt zu hohen Personalkosten für die Banken sowie zu langen Wartezeiten bei den Kunden.
  • Die Fehleranfälligkeit korreliert mit dem Anteil der manuellen Tätigkeiten, denn „wo Menschen arbeiten, passieren Fehler“.
  • Neue Betrugsmuster werden erst mit zeitlichem Verzug identifiziert, in der Regel erst nachdem der Schaden bereits entstanden ist.

Um den (manuellen) Dokumentenprüfungsprozess noch weiter zu optimieren, sind zusätzliche neue (technische) Ansätze zur Betrugserkennung erforderlich.

KI als technische Unterstützung im Dokumentenprüfungsprozess

Ein Ansatz zur weiteren Optimierung des Dokumentenprüfungsprozesses ist der Einsatz von Optical Character Recognition (optische Zeichenerkennung; Abk. OCR), einem Verfahren aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI). Damit lassen sich sowohl native PDF-Dateien als auch Papierdokumente in Form von Scans oder Fotos auslesen, verarbeiten und für eine automatisierte Betrugserkennung nutzbar machen.

Zusätzlich zu einem automatisierten Check der Vollständigkeit aller erforderlichen Unterlagen und deren Inhalte (z. B. Adresse, Namen, Rechnungsdatum, Steuernummer, EUR-Betrag) lässt sich mittels der Anwendung von OCR die Manipulation von Zeichen in Dokumenten erkennen. Hierbei werden verschiedene Merkmale der Zeichen erfasst (u. a. Höhe, Breite, Rotation, Distanz untereinander) und als Grundlage zur Bestimmung der Betrugswahrscheinlichkeit verwendet.

Verwendung von existierenden Dokumenten als Datengrundlage

Als Datengrundlage nutzt das System bereits vorhandene Dokumente, inklusive bereits identifizierter Betrugsfälle. Sofern keine ausreichende Anzahl an Betrugsfällen vorliegt, können verschiedene statistische Methoden dabei helfen, eine Datengrundlage zu schaffen oder zu verbessern.

Auf Basis dieses (generierten) Datensatzes wird für die Betrugserkennung mit OCR initial eine Reihe von Entscheidungsbäumen, ein sogenannter Random Forest, trainiert. Jeder dieser Entscheidungsbäume lernt in diesem Prozess, sich auf einen Teil der Merkmale eines Zeichens zu konzentrieren und diese nach selbst erlernten Regeln bezüglich eines Betrugs zu bewerten.

Im Betrieb werden die Entscheidungsbäume dann mit den Merkmalen der zu klassifizierenden Zeichen gefüttert. Jeder Entscheidungsbaum produziert daraufhin eine Betrugsbewertung, die sich (potenziell) auch von der der anderen Entscheidungsbäume unterscheidet. Alle Bewertungen werden schließlich zu einer Betrugswahrscheinlichkeit zusammengefasst.

OCR-basierte Betrugserkennung: Einsatzmöglichkeiten

Die technische Lösung lässt sich im Dokumentenprüfungsprozess in unterschiedlichen Autonomiegraden einsetzen:

  • Unterstützend: Das System ermittelt eine Betrugswahrscheinlichkeit und gibt diese an die Sachbearbeitenden weiter. Diese entscheiden, auf welche Fälle sich das Team besonders fokussieren möchte.
  • Filternd: Das System bewertet alle Dokumente anhand der Betrugswahrscheinlichkeit. Basierend auf Ober- und Untergrenze wird jedes Dokument oberhalb der Obergrenze als „Betrug“ und unterhalb der Untergrenze als „kein Betrug“ klassifiziert. Nur Dokumente zwischen den beiden Grenzen werden von Sachbearbeitenden geprüft („Graufälle“).
  • Entscheidend: Das System entscheidet über die Kategorisierung der Dokumente auf Basis eines Schwellenwertes. Die Sachbearbeitenden prüfen nur selektiv.

Unabhängig vom Grad der prozessualen Integration ist die technische Implementierung flexibel sowohl als Software vor Ort als auch in Form eines Service in der Cloud möglich. Idealerweise wird die Lösung neben dem Einsatz in der Betrugserkennung außerdem gleichzeitig in den Kreditentscheidungs- und in den Schadensregulierungsprozess integriert. So ließen sich per OCR ausgelesene Informationen auch in das Datenverarbeitungssystem von Bank oder Versicherung automatisiert übernehmen.

Fazit zur OCR-basierten Betrugserkennung im Dokumentenprüfungsprozess

Insgesamt ist die OCR-basierte Betrugserkennung eine Möglichkeit zur Verbesserung des aktuellen, noch manuellen Dokumentenprüfungsprozesses:

  • Reduzierung von Personal- und Zeitaufwand durch die Fokussierung der manuellen Prüfung auf einen Bruchteil der Bearbeitungsfälle
  • Eine höhere Fehlererkennungsquote
  • Kontinuierliches Lernen und damit Optimieren des Prozesses in Bezug auf neue Betrugsmuster, auch schon bevor der Schaden entstanden ist

Die OCR-basierte Betrugserkennung kann zudem schrittweise oder parallel als Vergleichstest zum aktuellen Prozess eingeführt werden. Dabei bleibt in jedem Fall existierendes Wissen der Mitarbeitenden über die Dokumentenprüfung erhalten, und es fließt nach wie vor in den Prozess ein.

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Thomas Naumann / Autor BankingHub

Thomas Naumann

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