Die Mitarbeiterbeurteilung

Die meisten Instrumente zur Mitarbeiterbeurteilung sind einseitige Partiallösungen; üblicherweise sind sie zu sehr auf eine Bewertungsdimension ausgerichtet (auf Leistung beispielsweise) und lassen dabei andere, nicht minder wichtige Beurteilungsfelder unberücksichtigt. In der Praxis sind die Bewertungsdimensionen oft nicht sauber voneinander abgegrenzt.

Fehlende Stringenz in der Mitarbeiterbeurteilung

In der Rubrik „Leistungsbeurteilung“ werden beispielsweise Kompetenzen erfasst und bewertet – mit misslichen Folgen für das Ergebnis der Mitarbeiterbeurteilung, denn der eine Teil der Führungskräfte hat Leistungen im Auge und der andere Kompetenzen. Ein dritter Teil vermischt beide Dimensionen, sodass im Ergebnis eine unbrauchbare Datenlage entsteht. Auf einer so unsicheren Basis ist keine personalwirtschaftliche Steuerung möglich.

Diese Zustandsbeschreibung gilt mal mehr, mal weniger für alle Branchen, auch für den deutschen Banken- und Sparkassensektor. Man könnte diese fehlende Stringenz in der Mitarbeiterbeurteilung als lässliche Sünde abtun, gäbe es die folgenden Einfluss- und Umgebungsfaktoren nicht:

  • Der demografische Wandel zwingt zu einer akkuraten Nachfolgeplanung und Personalentwicklung.
  • Die regulatorischen Anforderungen determinieren Teile der personalwirtschaftlichen Steuerung, insbesondere im Kontext Vergütung und Zielvereinbarung.
  • Die Digitalisierung stellt neue quantitative und qualitative Anforderungen an das Personalmanagement.

Diese Faktoren lassen einen Schlendrian in der personalwirtschaftlichen Steuerung nicht mehr zu. Die Mitarbeiterbeurteilung als Drehkreuz für personalwirtschaftliche Daten und Informationen gewinnt damit an Bedeutung, bedarf aus den genannten Gründen aber einer soliden und trennscharfen Konzeption.

Multimodale Beurteilungssystematik

Eine präzise und ausgewogene Beurteilungssystematik ist multimodal, sie gestattet die Betrachtung unterschiedlicher zeitlicher Perspektiven sowie die Einschätzung der wesentlichen Stärken und Schwächen des Mitarbeiters. Bewährt hat sich für den Aufbau und den Ablauf der Mitarbeiterbeurteilung eine automobile Metaphorik: Sie beinhaltet erstens einen „Blick in den Rückspiegel“, einen Blick auf erbrachte Leistungen und erreichte Ziele. Sie gestattet zweitens einen „Blick auf das Cockpit“, auf verfügbare Ressourcen und Kapazitäten, auf Kompetenzen. Und sie ermöglicht drittens einen „Blick nach vorn“, auf das Potenzial und erforderliche Entwicklungsaktivitäten. Übersetzt man dies in eine Aufbau- und Ablauflogik, enthält eine ganzheitliche Mitarbeiterbeurteilung – neben den üblichen formalen Elementen – die folgenden Bestandteile:

  • Bewertung der erbrachten Leistungen (nach Quantität und Qualität)
  • Bewertung der erreichten Ziele (aus der Zielvereinbarung)
  • Einschätzung der vorhandenen (und ggf. erforderlichen) Kompetenzen
  • Aussagen zum ggf. vorhandenen Entwicklungspotenzial

Bereits in der Frühphase der Konzeption sollten die Ziele bzw. Auswirkungen der einzelnen Beurteilungsdimensionen berücksichtigt werden: Die Leistungsbewertung wirkt sich üblicherweise auf den (mittelfristigen) Personaleinsatz und die Grundgehaltssteuerung aus. Der Zielerreichungsgrad hat vielfach Einfluss auf die variable Vergütung – hier sind die Regelungen der Institutsvergütungsverordnung (InstitutsVergV) von Belang, insbesondere mit Blick auf das Verhältnis zwischen qualitativen und quantitativen Zielen. Und während sich die Kompetenzeinschätzung ebenfalls auf den Personaleinsatz, aber auch auf die Weiterbildung auswirkt, hat die Potenzialfeststellung vor allem Einfluss auf die organisatorische Personalentwicklung.

Die vier Dimensionen sind mit Skalenwerten zu versehen, die hinreichend differenzieren. Skalenbezeichnungen wie „teilweise“ oder „fast“ sind problematisch. Darüber hinaus muss es der beurteilenden Führungskraft möglich sein, den Mitarbeiter in seinen unterschiedlichen Facetten auch in Textform zu würdigen. Reine Skalierungen oder Quantifizierungen wirken technokratisch und schmälern Akzeptanz und Verständnis.

Gestaltungsprinzipen für den Prozess

In Bezug auf die prozessuale Gestaltung der Mitarbeiterbeurteilung sollten die folgenden Erkenntnisse aus empirischen Studien und Metaanalysen berücksichtigt werden:

  • Je länger sich Beurteilter und Beurteilender kennen, desto mehr gewinnt das Ergebnis des Verfahrens an Qualität – das spricht gegen rasche, womöglich jährliche personelle Wechsel im Verfahren.
  • Ebenfalls positiv auf die Ergebnisqualität wirkt es sich aus, wenn die Resultate mit der nächsthöheren Führungskraft diskutiert werden – Art und Weise dieser Diskussion sollten allerdings klar geregelt sein.

Der Prozess selbst folgt dann einer simplen Vier-Stufen-Logik: Festlegung der relevanten Parameter, Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung. Dabei sind einige Teilschritte wichtig: Im Sinne der Fairness und Transparenz sollte die Führungskraft mit dem Mitarbeiter zu Beginn einer Berichtsperiode kurz besprechen, welche Beurteilungsschwerpunkte für das kommende Jahr vorgesehen sind und worauf bei der Beurteilung besonders geachtet werden wird. Dabei geht es naturgemäß um die funktionsbezogenen Hauptaufgaben und die Ziele der Zielvereinbarung.

Die Durchführung des Verfahrens erfolgt regelmäßig in Form von Mitarbeitergesprächen. Es ist von essenzieller Bedeutung, dass das Gespräch in einer ungestörten Atmosphäre stattfindet. Sinnvoll ist es auch, in diesem Gespräch einen strukturierten Selbst- und Fremdbildabgleich zu ermöglichen. Im Sinne einer hochwertigen Ergebnissicherung sollten die Resultate anschließend mit der nächsthöheren Führungskraft diskutiert werden – die konkrete Form dafür ist jeweils zu definieren.

Seit Langem wird überdies kontrovers diskutiert, ob Entwicklungsfragen und Aspekte der Vergütung (die sich oft aus der Zielvereinbarung ergeben), in einem integrierten Verfahren oder in zwei voneinander getrennten Gesprächstypen diskutiert werden sollten. Eine Musterlösung für diese Problemstellung gibt es nicht: Beide Möglichkeiten haben Vor- und Nachteile. Am Ende wird es auf die personalwirtschaftliche Prozesslandschaft, Aspekte der Unternehmens- und Führungskultur und ggf. Möglichkeiten der HR-Software ankommen.

Weniger Gestaltungsspielraum bietet sich indes bei der Unterscheidung zwischen Leistungsbeurteilung und Bewertung der Zielerreichung. Die Praxis weist aber immer wieder Verbesserungsbedarf auf. Hier ist Klarheit erforderlich:

  • Die Leistungsbewertung (nach Quantität und Qualität) basiert auf den Hauptleistungen, die im Stellen-, Funktions- oder Anforderungsprofil dokumentiert sind. Eine anforderungsgerechte Leistungsbewertung legitimiert in aller Regel die Zuordnung zu einer Vergütungs- oder Entgeltgruppe und damit das fixe Grundgehalt.
  • Die Bewertung der erreichten Ziele basiert auf vereinbarten Zielen, die zusätzlich zu den regulären Anforderungen erbracht werden sollen – diese Ziele definieren die sogenannte Extra-Meile. Man mag gegen solche Systeme polemisieren; die allermeisten Mitarbeiter gehen aber ganz rational damit um und erwarten eine Extravergütung für zusätzlich erbrachte Leistung – die variable Vergütung.

Hier wird oft nicht trennscharf unterschieden. In der Praxis kann das gravierende Folgen haben, insbesondere dann, wenn Leistungserwartungen aus dem Stellen-, Funktions- oder Anforderungsprofil noch einmal in die Zielerreichung aufgenommen werden. Damit riskiert man die Doppelgratifikation von Leistungen – ein immer wieder sehr reales Risiko.

Ein integratives System der Mitarbeiterbeurteilung ermöglicht Führungskraft und Mitarbeiter einen strukturierten Dialog über erbrachte Leistungen und erreichte Ziele, über vorhandene und ggf. noch fehlende Kompetenzen sowie über möglicherweise vorhandenes Entwicklungspotenzial aufseiten des Mitarbeiters. Dieses letzte Kriterium der Mitarbeiterbeurteilung stellt die höchsten Ansprüche an die Führungskräfte und die personalwirtschaftliche Steuerung.

Einige – auch im Banken- und Sparkassensektor – etablierte Modelle haben hier bedauerlicherweise zu Unklarheiten geführt. Dazu gehört beispielsweise die recht verbreitete, unter verschiedenen Bezeichnungen bekannte Leistungs-Potenzial-Matrix. Das Potenzialkonstrukt ist auch zugegebenermaßen noch nicht scharf definiert; aus der personalpsychologischen Forschung wissen wir aber, dass zum Potenzialkonstrukt solche Subkriterien wie Leistungsmotivation, Agilität, Aufstiegsbereitschaft, kognitives Vermögen, soziale Mobilität und eben auch Leistung oder Performanz gehören. Die weit verbreitete Leistungs-Potenzial-Matrix doppelt mithin das Leistungskriterium und führt damit zu inhaltlicher Redundanz.

Leistung ist ein wesentliches Element von Potenzial. Das gilt auch für die Kompetenzen oder kognitiven Fähigkeiten. Aus hohen Ausprägungen in diesen Kriterien aber prompt auf Potenzial zu schließen, ist problematisch, da Mitarbeiter mit positivem Leistungs- oder Kompetenzprofil nicht automatisch eine hohe Aufstiegsbereitschaft oder Karriereorientierung aufweisen. Die Ableitung von Potenzial aus Leistungs- oder Kompetenzausprägungen ist daher ebenso irreführend wie die „Spiegelung“ von Leistung gegen Potenzial. Beide Fehler werden noch immer auffallend häufig gemacht. Damit aber erhält die Organisation entweder zu viele Daten im Sinne von „zu viele Potenziale“ oder aber zu schwache Daten.

Es hat sich daher in der Praxis bewährt, das mögliche Potenzial von Mitarbeitern bereits mit Dimensionen der personalwirtschaftlichen Steuerung zu korrelieren, also beispielsweise mit Führungsebenen oder mit Entwicklungszeiträumen.

Zur Mitarbeiterbeurteilung existieren noch nicht so viele empirische Befunde wie etwa zur Eignungsdiagnostik. Bekannt ist aber die positive Wirkung von Multi-Source-Feedback-Verfahren (z. B. 360-Grad-Feedback) auf die Ergebnisqualität und Validität von Beurteilungsverfahren. Sofern es Führungs- und Unternehmenskultur, Prozesse, Systeme und Methoden zulassen, sollte man neben dem Dialog zwischen Führungskraft und Mitarbeiter weitere Informations- und Validierungsquellen nutzen, etwa aus der Kundeninteraktion heraus, aus Projekten oder kollegialer Perspektive. Bei einer offenen, ergebnisorientierten, aber angstfreien Organisationskultur wird aus der Mitarbeiterbeurteilung auf diesem Wege ein Instrument der umfassenden Mitarbeiter- und Erfolgsevaluation.

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