Wie kann die Filiale als Alleinstellungsmerkmal von Regionalbanken geschützt werden?

Regionalbanken bleiben mit ihren insgesamt ca. 13.000 Filialen der letzte Anker für Kunden, Banking in der Fläche zu erleben. Sie sollten daher dazu übergehen, ihr Filialnetz nicht als Last, sondern als Chance zu sehen, sich nachhaltig von der Konkurrenz abzusetzen. Denn (persönlicher) Kontakt und individuelle Beratung in der Filiale werden mindestens noch 20 Jahre eine zentrale Rolle in der Servicierung von Bankkunden spielen.

Warum ist die Filiale der letzte Anker und ein Alleinstellungsmerkmal für Regionalbanken?

Filialen sind nicht als Last, sondern als Alleinstellungsmerkmal von Regionalbanken zu bewerten. Seit 2011 hat sich die Anzahl der Bankzweigstellen in Deutschland allerdings von ca. 38.000 auf ca. 19.000 ungefähr halbiert. Auch wenn der Rückzug aus der Fläche in den letzten Jahren etwas an Dynamik verloren hat (2021: -10 %, 2022: -6 %, 2023: -5 %), ist die Tendenz dennoch eindeutig. Insbesondere Großbanken haben in diesem Zeitraum noch einmal massiv reduziert (-22 %, -8 %, -7 %). Eigenen Angaben zufolge werden auch in diesem Jahr Deutsche-Bank- bzw. Postbank-Filialen „in erheblichem Umfang“ abgebaut.

Trotz ebenfalls signifikanter Abbauraten bleiben Regionalbanken mit ihren insgesamt ca. 13.000 Filialen der letzte Anker für Kunden, Banking in der Fläche zu erleben.

Wie wird die Filiale zum wesentlichen Bestandteil der Omnikanalstrategie?

Filialen müssen wesentlicher Bestandteil der Omnikanalstrategie jeder Regionalbank sein. Die Aufrechterhaltung der Flächenpräsenz von Regionalbanken ist allerdings nicht trivial. Bis 2030 steht bei ca. 30 % der Filialmitarbeitenden der Renteneintritt bevor. Gleichzeitig wird es immer schwieriger, qualifiziertes Personal zu finden, um dies zu kompensieren.

Damit Flächenpräsenz auch künftig gelingt, müssen Regionalbanken ihre Filialstrategie neu denken. Aktuell betreiben sie einerseits ertragsstarke Filialen mit großem Serviceangebot und großzügigen Öffnungszeiten. Auf der anderen Seite stehen die Filialen, die nur deshalb kostendeckend betrieben werden können, weil das Serviceangebot sowie die Öffnungszeiten stark eingeschränkt sind. Diese Unterscheidung hat wenig mit „echter“ Flächenpräsenz zu tun und führt insbesondere bei Kunden in ländlichen Gebieten zu Unzufriedenheit.

Ziel muss stattdessen sein, flächendeckend und in allen Filialen ein vergleichbares Serviceangebot und kundenfreundliche Öffnungszeiten sicherzustellen – auch in der Kleinstfiliale auf dem Land.

Das gelingt, wenn Regionalbanken drei Aspekte beachten:

  1. Filialen haben auch künftig denselben Stellenwert wie die medialen Kanäle und sind vertriebskonzeptionell in die Omnikanalstrategie der Regionalbank einzubetten. Alle Kanäle sind so miteinander zu verzahnen, dass Kunden sich nicht zwischen ihnen entscheiden müssen, sondern im Anbahnungs- und Abschlussprozess jederzeit wechseln können.
  2. Kundennähe und persönliche Beratung sind nicht mit physischer Nähe gleichzusetzen. Das heißt: Service-, Vertriebs- und Expertenfunktionen der Bank sind räumlich möglichst zu zentralisieren. In Filialen mit geringer oder keiner Personenbesetzung können Kunden auf Wunsch trotzdem mit den entsprechenden Bankmitarbeitenden kommunizieren, wenn diese mithilfe moderner Kommunikationstechnologien zugeschaltet werden (ad hoc oder mit Termin).
  3. Die erforderlichen Kommunikationstechnologien – insbesondere niedrigschwellige und bedienungsfreundliche Möglichkeiten zur (Video-)Telefonie oder zum Chatten – sind in den Filialen zu installieren.

Exkurs: Avatar- und Videostelen in der Filiale als Chance?

Bei etwa 5 % der Regionalbanken kommt bereits moderne (SB-)Technologie zum Einsatz, um mitarbeiterbedienten Service zu entlasten und die Servicequalität für den Kunden zu erhöhen. Erste Praxiseinblicke zeigen, dass Warteschlangenbildung merklich reduziert und Mehrsprachigkeitsanliegen effizienter abgewickelt werden können. Zwei Gerätetypen im Speziellen sind dazu geeignet, kostenschonend „echte“ Flächenpräsenz sicherzustellen.

  • Avatarstelen, die als (künstlich) „intelligente“ SB-Terminals bezeichnet werden können, ermöglichen Kunden den Dialog mit einem KI-basierten Chatbot in der Filiale. An diesen Geräten können Kunden einfache Serviceanliegen eigenständig lösen. Zusätzlich kann mittels QR-Codes eine Überleitung in das Onlinebanking erfolgen, wo sie eine Lösung für komplexere Serviceanliegen finden.
  • Videostelen verbinden die Bankkunden in der Filiale entweder ad hoc oder mit Terminvereinbarung mit Servicemitarbeitenden oder Berater:innen. Sie sind entweder als „Videoinsel“ im Filial- bzw. SB-Bereich oder als separater Videoraum ausgestaltet.
  • Außerdem besteht künftig die Möglichkeit, Avatar- und Videostelen zu kombinieren. Wenn der Kunde nach dem Chat mit der KI an einer Avatarstele keine Lösung erhält und auch das Routing ins Onlinebanking den Fall nicht abschließt, erfolgt „als letzte Ausfahrt“ die Verbindung mit einem:einer Servicemitarbeiter:in per Videoschalte.

Auch wenn die Praxis erste Erfolgsgeschichten zu erzählen weiß, sind diese Geräte weder ausreichend erprobt noch technologisch ausgereift. Insbesondere die Kundenakzeptanz ist Voraussetzung für die langfristige Einbindung dieser Geräte in die Filialstrategie von Regionalbanken. Das bedeutet aber ebenfalls, dass das technologische Potenzial dieser Geräte noch lange nicht ausgeschöpft und damit der Nutzen für Regionalbanken und ihre Kunden heute nicht absehbar ist.

Wie sollte das Filialnetz der Zukunft für Kunden und Mitarbeitende gestaltet werden?

Im Filialnetz der Zukunft gewinnen Kunden, Mitarbeitende und die Regionalbank.

  • Maximale Flexibilität für Kunden: Kunden wechseln heute schon in aller Regelmäßigkeit den Kanal bei ihren Serviceanliegen und Produktabschlüssen. Im Zielbild macht es weder für den Kunden noch für die Regionalbank in der Betreuung einen Unterschied, ob der Kunde in die Filiale kommt, die Bank telefonisch kontaktiert oder die App nutzt (oder zwischen den Kanälen springt).
  • Maximale Flexibilität für Bankmitarbeitende: Zwar würden Bankmitarbeitende nach wie vor schwerpunktmäßig an ihren Bankstandorten arbeiten, allerdings stünden ihnen alle anderen Kanäle für den Kontakt zum Kunden uneingeschränkt zur Verfügung. Dadurch wird der Kundenzugang verbessert und die Ausgestaltung der Tätigkeit von Bankmitarbeitenden flexibilisiert. Remote-Arbeit wird zum Standard und das Jobprofil der Regionalbanker:innen aufgewertet.
  • Bessere Service- und Beratungsqualität sowie Wahrnehmung der Regionalbank: Durch effiziente Bündelung von Funktionen an zentralen Standorten entstehen freie Kapazitäten. Diese können genutzt werden, um Berater:innen zu Fachexpert:innen weiterzuentwickeln und damit die Service- und Beratungsqualität insgesamt zu erhöhen. Insbesondere Fachpersonal im Bereich Nachhaltigkeit oder Generationenmanagement ist in Regionalbanken aufgrund von Kapazitätsengpässen oft unterrepräsentiert.
Sie sollten nun in der Lage sein, über diese zentralen Punkte des Artikels zu sprechen:
  • Was bedeutet die „Verzahnung aller Kanäle“ im Rahmen der Omnikanalstrategie für die Filiale? Die Filiale muss ein wesentlicher Bestandteil der Omnikanalstrategie jeder Regionalbank sein. Die Verzahnung aller Kanäle zielt darauf ab, dass Kunden nicht zwischen diesen entscheiden müssen, sondern im Anbahnungs- und Abschlussprozess jederzeit nahtlos wechseln können. Dafür müssen Filialen denselben Stellenwert wie die medialen Kanäle erhalten und vertriebskonzeptionell eingebettet werden. Ein weiteres Ziel ist es, ein vergleichbares Serviceangebot, eine flächendeckende Präsenz und kundenfreundliche Öffnungszeiten in allen Filialen, einschließlich der Kleinstfiliale auf dem Land, sicherzustellen.
  • Wie können Regionalbanken Kundennähe und Beratung in Filialen ohne oder mit geringer Personalbesetzung gewährleisten? Die Aufrechterhaltung von Kundennähe und persönlicher Beratung ist künftig nicht mehr zwingend an physische Nähe gebunden. Um die Präsenz zu sichern, sollten Service-, Vertriebs- und Expertenfunktionen der Bank räumlich möglichst zentralisiert werden. In Filialen mit geringer oder ohne Personalbesetzung können Kunden trotzdem auf Wunsch mithilfe moderner Kommunikationstechnologien wie Videotelefonie oder Chat mit Bankmitarbeitenden kommunizieren, entweder ad hoc oder mit Termin. Hierfür müssen niederschwellige und bedienungsfreundliche Kommunikationstechnologien in den Filialen installiert werden.
  • Wie tragen Avatar- und Videostelen zur Aufrechterhaltung der Flächenpräsenz bei? Avatarstelen sind künstlich „intelligente“ SB-Terminals, die den Dialog mit einem KI-basierten Chatbot in der Filiale ermöglichen, sodass Kunden einfache Serviceanliegen eigenständig lösen können. Videostelen verbinden die Kunden in der Filiale ad hoc oder mit Terminvereinbarung mit Servicemitarbeitenden oder Berater:innen. Diese moderne SB-Technologie dient dazu, Mitarbeitende zu entlasten und die Servicequalität zu erhöhen. Sie ist geeignet, kostenschonend „echte“ Flächenpräsenz sicherzustellen. Künftig können diese Technologien auch kombiniert werden, sodass bei einer fehlenden Lösung durch die KI an einer Avatarstele als „letzte Ausfahrt“ per Videochat an eine:n Servicemitarbeiter:in übergeleitet wird.

Mehr Insights zum Privatkundengeschäft in Regionalbanken

Wenn Sie an weiteren spannenden Insights zum Privatkundengeschäft in Regionalbanken interessiert sind, können Sie sich das aktuelle Whitepaper „Omnikanal: Exzellenz in Service und Beratung – wie sich Regionalbanken im Privatkundengeschäft gegen (digitale) Wettbewerber behaupten können“ hier herunterladen.

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Martin Seidenberg / Autor BankingHub

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Partner bei zeb Office Münster
Thorsten Ströhl / Autor BankingHub

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