Über compaio
Laura: Bastian, wie ist die Idee zu compaio entstanden und was ist Euer USP?
Bastian Krautwald: Als ich hier in Berlin als Bankberater gearbeitet habe, wurde mir schnell klar, wo der Schuh drückt. Zum Ersten haben Banken große Probleme, die Kunden zu bewegen, überhaupt in die Bankfiliale zu kommen. Wenn wir den Kunden dann einmal vor Ort hatten, brauchte es ein einstündiges Gespräch, um zunächst seine Situation zu verstehen und anschließend dann eine Empfehlung geben zu können. Man hat gemerkt, dass der Bedarf, den der Kunde im Großen und Ganzen hat, viel umfangreicher ist, als man in diesem einen Termin lösen könnte. Es ist also nicht mehr zeitgemäß, Bedarfsermittlung, Empfehlung und eigentlich auch schon Produktabschluss in einem Termin durchzuführen. Die digitale Ermittlung des Kundenbedarfs gemeinsam mit einer Produktempfehlung sind die Abschnitte, die von compaio durchgeführt werden.
Darüber hinaus haben wir festgestellt, dass es dem Kunden schwerfällt, bei Bankprodukten den Bezug zu seiner Person und Situation herzustellen. Das heißt, die Vorteile sind für den Kunden nicht ersichtlich, sofern er den Nutzen nicht auf sich selbst übertragen kann. Unsere Produktempfehlungen werden anhand von Bildern und Situationen möglichst individuell dargestellt, um die abstrakten Lösungen greifbar zu machen. Die Bedarfsermittlung erfolgt mithilfe eines Algorithmus basierten Ansatzes auf spielerische Art und Weise ganz entspannt von zu Hause oder unterwegs auf dem Smartphone.
Teilnahme am Programm
Christian: 100 lange Tage und kurze Nächte sind nun mit einem erfolgreichen Demo-Day zu Ende gegangen. Wie hat sich die Teilnahme am Programm für Euch angefühlt?
Bastian: Ich kann mich heute noch an den ersten Tag erinnern. Da saßen alle Start-ups zusammen, und Jörg sagte zu uns: „100 Tage sind nicht lang – fangt sofort an, sonst wird es schwierig.“ Und da hatte er Recht. In dieser Zeit hat sich ein freundschaftliches Verhältnis zu dem ganzen Team aufgebaut: zu den anderen Start-ups, dem Team von Axel Springer und auch zu den Corporate-Partnern. Das Besondere am Accelerator-Programm: Man sitzt nicht alleine in seinem Büro, sondern alle arbeiten gemeinsam auf das Ziel Demo-Day hin, was ungemein motiviert und das hilft bei der gemeinsamen Entwicklung. Gestern saßen nochmals alle Start-ups zusammen oben auf der Dachterrasse, und wir fanden es alle schade, dass es jetzt vorbei ist. Ein Großteil bleibt aber zusammen im Büro hier in der 2. Etage, was noch einmal für das gute Verhältnis untereinander spricht.
Christian: Das hört sich ja wirklich so an, als ob ihr zu den anderen Start-ups einen richtig guten Umgang gehabt hättet!
Bastian: Auf jeden Fall! Uns wurde gesagt, dass es nicht in jedem Programm so ist, dass sich alle so gut miteinander verstehen. Bei uns hat es einfach gepasst. Aber das Programm hier ist etwas, was man vermutlich nicht so häufig findet. Das ist wirklich einzigartig.
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Laura: Schauen wir mal auf die andere Seite. Thomas, Sie erleben das Programm aus der Rolle des Coachs und Mentors. Wie funktioniert das?
Thomas Brosch: Die Deutsche Bank ist seit 2016 Corporate Partner. Das ist der erste Batch, den wir von Anfang bis Ende begleiten und bereits während der Auswahltage waren wir sehr intensiv eingespannt. Als Deutsche Bank haben wir das Banking- und das Finance-Know-how, allerdings sind wir nicht nur Experten im Bereich FinTech oder InsurTech, sondern konnten auch bei anderen Fragen weiterhelfen. Bei dem Batch zuvor gab es zum Beispiel ein Start-up, das mithilfe eines Video-Chats psychologische Betreuung über eine IT-Plattform anbot. Da lag es nahe, sich mal mit unserer HR-Abteilung auszutauschen. Die Deutsche Bank ist in erster Linie ein Großunternehmen und den Start-ups hilft es zu verstehen, wie so eine Organisation funktioniert.
Bastian: Das kann ich nur unterstreichen. Mit der Deutschen Bank konnten wir alle relevanten regulatorischen Fragestellungen besprechen. Da hierin eine Kernkompetenz der Deutschen Bank liegt, war es für uns von Beginn an eine kontinuierliche Überprüfung unseres Geschäftsmodells, was rückblickend betrachtet stark zur Entwicklung beigetragen hat.
Laura: Gibt es bei der Bildung der Coaching-Gruppen einen Industriefokus?
Thomas: Die Gruppen halten sich nicht an Industriegrenzen. Wir haben uns als Deutsche Bank bewusst dagegen entschieden, einen eigenen Entwickler (Accelerator) zu gründen. Wir blicken mit den Augen unserer Kunden auf die jungen Unternehmen – uns interessiert, welche Ideen für unsere Kunden aktuell interessant sein könnten. Da kommt man schnell in den Bereich, der neudeutsch gerne „Near und Beyond Banking“ genannt wird, also Dienstleistungen, die über das klassische Bankgeschäft hinausgehen. Ein Beispiel: Wer Kunde bei der Deutschen Bank ist, kann den eSafe nutzen. Die Deutsche Bank hat die sichere IT-Umgebung, in der die Kunden alle wertvollen Dokumente und Passwörter digital ablegen können. Das ist zunächst kein herkömmliches Bankprodukt, für die Kunden bringt das aber im Alltag große Vorteile.
Christian: Wie läuft so ein typischer Tag im Programm ab?
Thomas: Den typischen Tag gibt es nicht. Wir als Mentoren sind häufig zu Beginn des Programms da, um als Sparringspartner zur Verfügung zu stehen, damit wir Probleme sofort klären und helfen können. Mit compaio haben wir uns etwa stundenlang über Businessmodelle unterhalten. Ist das ein B2B, ist das ein B2C oder ein B2B2C Case? Ähnlich war es auch mit anderen Jungunternehmen. Gegen Ende werden die Fragen spezifischer. Man kann alleine unmöglich alle IT-, Personal- oder Rechts-Fragen beantworten, also leite ich diese dann an die entsprechenden Ansprechpartner in der Bank weiter. Hin und wieder sind die Kollegen sogar nach Berlin gekommen, um sich einen Tag genauer mit einem Problem auseinanderzusetzen.
Bastian: Ein Tag bei Axel Springer bringt auf jeden Fall viele Überraschungen mit sich. Es gab keinen geregelten Tagesablauf – wir hatten viele Freiheiten. Wir haben aber versucht, uns den Mittag als Team zu nehmen, und abends den Tag mit einem gemeinsamen Stand-Up abzuschließen, um unsere Vorstellung von einer transparenten Unternehmenskultur auch im täglichen Doing zu verankern. Darüber hinaus gab es wöchentliche Pitch-Sessions, die einen immer wieder dazu gebracht haben, sich selbst zu überprüfen. Das war eine Herausforderung, hat aber auch dazu beigetragen, dass man nicht einfach nur stur sein Thema bearbeitet hat. Neben den Pitch-Trainings gab es in unregelmäßigen Abständen Workshops zu diversen Themen rund um das Start-up-Leben. Inhaltlich reichten die Workshops von allgemeinen Fragestellungen, wie beispielsweise „Worauf muss man in verschiedenen Geschäftsmodellen achten“, bis hin zu operativen Fragestellungen wie „VC Contract“, um uns auf den jetzt beginnenden Fundraising Prozess vorzubereiten.
Zusammenarbeit mit dem Postbank Ideenlabor
Christian: Ihr arbeitet auch mit dem Postbank Ideenlabor zusammen und habt dort u. a. erste Clickdummies von der Community testen lassen. Wie war das Feedback der Kunden? Gab es dabei Überraschungen?
Bastian: Die Postbank ist der optimale Partner für uns, und es hat uns sehr geholfen, unsere Hypothesen und unser Produkt mit Kunden der Bank zu verproben. Wie anfangs bereits erwähnt, ist unser Ziel, die Beratung auf spielerische Art erlebbar und leicht verständlich zu machen. Gerade bei der jungen Zielgruppe wurde dieser Ansatz positiv aufgenommen. In unserem Prozess stellten wir unseren Nutzern auch einige persönliche Fragen, um mehr über sie zu erfahren und sie geeignet beraten zu können. Hierbei hat man die generelle Skepsis von Kunden gegenüber Finanzanbietern gemerkt, sodass vermehrt Rückfragen nach der Relevanz dieser Fragestellung aufkamen. Jedoch ergab sich daraus auch, dass der Kunde Verständnis zeigt und bereit ist, gewisse Daten für eine valide und glaubwürdige Beratung zu teilen. Damit den Kunden jedoch die Angst vor einer unnützen Preisgabe privater Daten genommen wird, kann man sich bei uns zunächst ohne Registrierung komplett „durchklicken“ und bereits ab der kommenden Woche auch die ersten Fragen stellen. Wir speichern die Daten erst, wenn der Kunde seine Produktempfehlung nachvollziehen kann und auch später darauf zurückgreifen möchte.
Thomas: Mich hat positiv überrascht, dass sich gut 200 Kunden der Postbank das Projekt angeschaut und den „Clickdummy“ getestet haben. Das waren hauptsächlich jüngere Kunden, aber eine gute Basis.
Marktforschung und Kundenfeedback
Laura: Welche Formate nutzt die Deutsche Bank, um die Kunden frühzeitig in die Produktentwicklung einzubeziehen und wichtiges Feedback zu bekommen?
Thomas: Da haben wir eine Reihe unterschiedlicher Methoden. Zuerst sprechen wir mit unseren Kunden in den mehr als 500 Filialen der Bank. Danach machen wir klassische Marktforschung. Schließlich nutzen wir die Rückmeldung der Kunden in unseren Projekten. Insgesamt schaffen wir es so viel schneller, die Dinge mit unseren Kunden nochmals zu erproben. Ein interessantes Beispiel war der Marktstart unserer neuen Banking-App. Dafür hatten wir ein wirklich großes Banner auf unserer Webseite geschaltet, beim „Eyetracking“ (dem Aufzeichnen der Augenbewegung beim Betrachten einer Webseite, Anm. d. Redaktion) mit Kunden kam jedoch heraus, dass zwei von drei Kunden das Banner trotz seiner Größe schlicht übersehen haben. Wir konnten reagieren und haben das Banner auf der Webseite neu platziert.
Laura: Die Deutsche Bank verfügt bereits über eine große Kundenbasis – welche Methoden verwenden Sie, um die Nutzung zu verbreiten?
Thomas: Wir beginnen mit dem, was wir haben. Wir machen also unsere Bestandskunden auf die neuen Produkte und Dienstleistungen aufmerksam. Zur Zeit konzentrieren wir uns dabei auf das Konto. Klingt wenig spektakulär, ist aber richtig, denn das Konto steht bei vielen digitalen Innovationen der Bank im Mittelpunkt. Es ist eine Art digitales „Ankerprodukt“. Sobald jemand ein Konto hat, kann er auch die digitalen Dienstleistungen der Deutschen Bank nutzen. Dass diese digitalen Kontoleistungen auf allen Zugangswegen – also online, mobile, aber auch in der Filiale – zur Verfügung stehen, darauf hebt ja auch unsere Marketingkampagne „Neue Zeit braucht neues Banking“ ab.
Resümee zur Zeit bei Axel Springer Plug and Play
Christian: Zum Ende die Frage nach einem knappen Resümee: Was nehmt Ihr aus der Zeit bei Axel Springer Plug and Play mit, was habt Ihr gelernt?
Bastian: Es hat uns geholfen zu sehen, wie wir als Team zusammenarbeiten. Dies war vor allem wichtig, weil wir während des Programms von zwei auf sechs Leute angewachsen sind. Wir können uns aber aufeinander verlassen, das Engagement im Team ist sehr hoch, was uns in der aktuellen Phase auch besonders ausmacht.
Thomas: Die Deutsche Bank hat über Axel Springer Plug and Play in erster Linie einen hervorragenden Zugang zum Start-up-Ökosystem in Berlin. Der Standort Berlin hat eine große Anziehungskraft auf junge Gründer, weshalb wir neben dem Deutsche Bank Innovation Lab mit Axel Springer und der Factory Berlin zwei große Kooperationen hier in der Stadt haben. Über unser Engagement zu Axel Springer Plug and Play haben wir außerdem auch Axel Springer für unser Projekt der digitalen Identitäts- und Daten-Plattform „verimi“ gewinnen können. Zudem geben wir über unsere Verankerung im Berliner Ökosystem Kunden und Mitarbeitern einen tieferen Einblick in die Trends der Digitalisierung sowie in unser Innovationsmanagement.
Zukunft von compaio
Christian: Bastian, abschließend vielleicht noch ein Blick nach vorne. Wie geht es jetzt für Euch weiter und wo seht Ihr compaio in drei bis fünf Jahren?
Bastian: Kurzfristig steht für uns Fundraising auf der Agenda, wir wollen unsere erste Finanzierungsrunde abschließen. Unser langfristiges Ziel ist es, dem Kunden eine unabhängige und transparente Beratung zu bieten. Der Kunde soll stets wissen, warum das jeweilige Produkt für ihn relevant ist. Das Internet wird die Transparenz weiter erhöhen, wenn wir unser Transparenzziel nicht realisieren würden, glauben wir, würde es zukünftig nicht mehr möglich sein, am Markt zu bestehen.
Laura: Wie wird die Deutsche Bank im Bereich digitaler Angebote in drei bis fünf Jahren aufgestellt sein?
Thomas: Die Bank verfolgt im Privat- und Firmenkundengeschäft zwei Ziele: Zum einen will sie für ihre Kunden die digitale Hausbank werden, und zum anderen arbeitet sie daran, das Bankgeschäft in Richtung Plattform-Ökonomie weiterzuentwickeln. Will heißen, neben der Digitalisierung der klassischen Bankprodukte wie Konto, Kredit, Anlage verbunden mit viel Komfort und intuitiver Bedienung für die Kunden, wird die Bank jene Dienstleistungen ausbauen, die über herkömmliche Bankprodukte hinausgehen wie etwa den eSafe. Wir haben da eine ganze Reihe von Innovationen, mit denen wir in Kürze an den Markt gehen und wollen grundsätzlich das Innovationstempo hochhalten.
Herzlichen Dank für das Interview!