Weltweit einheitliche Normen stiften erkennbaren Nutzen
Das föderale mittelalterliche Deutschland war geprägt durch Kleinstaaterei mit unterschiedlichen Gewichtseinheiten und Gesetzmäßigkeiten. Es gab keine einheitliche Rechtschreibung und viele Dialekte. Der Geldverkehr wurde in bar mit intransparenten Wechselkursen zwischen unterschiedlichen Währungen vollzogen. Der Handel zwischen den Fürstentümern war umständlich und mit Zöllen belegt. Wirtschaftlich würde man heute von hohen Transaktionskosten sprechen.
Diese Zeiten scheinen längst vergessen. Mit der EU oder den Eurostaaten bestehen heute transnationale Bündnisse mit einer einheitlichen Währung, einheitlichen Gesetzen und Handelsnormen. Auch Banken haben ihren Anteil in der Vereinfachung der Geldströme. SWIFT oder TARGET2 standardisieren den bargeldlosen Zahlungsverkehr. Die Kommunikation wird immer einfacher. Die Internet- und E-Mail-Protokolle gelten weltweit. Im Informationszeitalter werden Daten und Informationen immer wichtiger. Der Informations-, Waren- und Geldaustausch verläuft heute mit immer geringeren Transaktionskosten, immer schneller, immer automatisierter und digitaler.
Dieser Weg setzt sich global fort. Neue Regelungen wie TTIP werden verhandelt und sollen interkontinental Transaktionen zwischen den USA und Europa regeln und vereinfachen.
Interne Standardisierung ist ein unterschätzter Werttreiber für Unternehmen, die von Banken nicht ausreichend genutzt werden
Nachdem die Standardisierung immer weiter voranschreitet, liegt die Annahme nahe, dass sich Unternehmen auch im Inneren diese Mechanismen zu Nutze machen, Komplexitäten abbauen, Kundenbedürfnisse schneller erkennen und Innovationen an den Markt bringen. Dies ist in weiten Teilen auch der Fall. Die interne Wertschöpfung wird verschlankt und standarisiert. Autos werden z. B. seit Jahren in Module gespalten und einfach zu neuen Produkten kombiniert. Das verringert die Variantenvielfalt. Gegenüber den Wettbewerbern kann dennoch eine Differenzierung erreicht werden.
Bankprodukte werden in ähnlicher Form kombiniert, um Variantenvielfalt zu reduzieren und Kunden individuelle Lösungen anzubieten, z. B. Girokonto-, Kreditkarten- und Kreditlinienkombinationen für Studenten. Bankprodukte sind allerdings immateriell und unterscheiden sich auf den ersten Blick deutlich von den physischen Produkten der Industrie. Typische nicht derivative Bankprodukte werden nur auf Produktebene neu kombiniert und nicht auf einer tieferen Modulebene.
Bankprodukte können auf der Daten-/Informationsebene standardisiert werden
Auf den zweiten Blick hilft gerade die Immaterialität, um die Vielzahl der Produkte zu standardisieren. Bankprodukte sind in Form von Daten abgebildet, die die Vertragskonditionen (Kontoinhaber, Saldo, Zinssatz etc.) und Zahlungsströme (Tilgung-, Zinszahlung etc.) ausdrücken. Diese kleinsten Informationseinheiten können als Module interpretiert werden. Wenn diese Informationsmodule einheitlich definiert werden, lassen sich die Produkte einfach auf immer die gleichen Bestandteile zurückführen.
Standardisierungsgrad bei Banken ähnelt mittelalterlichen Strukturen – auch heute noch
Banken haben bereits viel an ihren Prozessen gearbeitet. Produkte wurden standardisiert. Dies geschah allerdings v. a. auf der Markt- bzw. Marktfolgeseite. Die Banksteuerung blieb oft außen vor.
In den verschiedenen Banksteuerungsbereichen Risiko, Controlling, Rechnungsweisen, Meldewesen oder Treasury haben sich unterschiedliche Sichten auf gleiche Produkte entwickelt. Jeder Bereich verwendet die Produktdaten anders, mit individuellen Begriffen (Taxonomien) oder ähnlichen Begrifflichkeiten in abweichender Bedeutung und berechnet andere Kennzahlen zur Steuerung. Die Dimensionen (rechtliche Einheit, Geschäftspartner, Organisationseinheit, Segmente, Produktdefinition etc.) zur Aggregation von Kennzahlen sind selten einheitlich. Konzernweit einheitliche Produktkataloge fehlen. Einheitliche Taxonomien fehlen. Die Bereiche verstehen sich nicht.
Kurzum, die Banksteuerung steckt in Bezug auf Standardisierung ihrer Produktinformationen in der Kleinstaaterei des mittelalterlichen Föderalismus. Jeder Bereich ist sein eigenes und zum Teil mächtiges Fürstentum. Jedes Fürstentum spricht seinen eignen Dialekt, hat eigene Maßeinheiten und verteidigt diese Eigenständigkeit vehement.
Eine Überführung von Kennzahlen der Bereiche auf Gesamtbankebene ist mühsam. Teure Abstimmungen zwischen Fachbereichen und manuelle Anpassungen sind die Folge. Projekte mit Mitarbeitern unterschiedlicher Bereiche sind enorm kostenintensiv. Die internen Transaktionskosten sind immens hoch.
Autonomie vs. Integration – Trade-off ist abzuwägen – mehr Mut zu Integration aber durchaus sinnvoll
Der Weg zu einer stärkeren Integration der Banksteuerungsbereiche ist durchaus mit Herausforderungen gepflastert. Neben z. T. hohen initialen Standardisierungskosten wird die Unabhängigkeit eingeschränkt und die gefühlte Entscheidungsmacht in den Fachbereichen reduziert. Die nachgelagerten Vorteile durch reduzierte Transaktionskosten in der bereichsübergreifenden Zusammenarbeit sind aus der Perspektive der Entscheider weniger stark greifbar und rücken somit in den Hintergrund. Ein Ausscheren aus den integrativen Bestrebungen scheint somit eine valide Alternative zu sein, die aber auch zu einer Isolation führen kann. Auch hier bietet sich die Analogie der Staatenbündnisse an. Errungenschaften wie freier Warenverkehr, Freizügigkeit, aber auch politischer Frieden treten angesichts der aufgegebenen Autonomie nationaler Gesetzgebung der Mitgliedsstaaten der EU in den Hintergrund. Das Referendum des Vereinigten Königreichs zugunsten eines Ausstiegs aus der Europäischen Union ist ein Beispiel. Die Konsequenzen im Falle eines Ausstiegs sind wiederum ein Treiber für Transaktionskosten, sind doch z. B. bisher geregelte Handelsbeziehungen neu und individuell zu verhandeln. Diese Sichtweise nehmen auch die Finanzmärkte und Investoren ein, die vielfach die Absicht verkünden, sich aus dem vereinigten Königreich zurückzuziehen. Es entsteht eine Form von Isolation, die nur begrenzt über die gewonnene nationale Autonomie zu begründen ist.
Mehr oder weniger isoliert agierende Steuerungsbereiche haben auch zwischen individuellen Freiheiten und den Vorteilen der stärkeren Integration abzuwägen. Wie gerechtfertigt ist dieser mittelalterliche Föderalismus in den Steuerungsbereichen? Sicher hat jeder Bereich eigene Aufgaben, eigene Kennzahlen und Methoden, die auch eine Spezialisierung erfordern. Unterschiede sind nötig.
Die Unterschiede haben aber Grenzen. Diese Grenzen können deutlich verschoben werden. Der überzogene Föderalismus muss abgeschafft werden. Der Grad der Eigenständigkeit, auch aufgrund eigener Aufgaben muss sinnvoll austariert sein.
Auch die Aufsichten fordern ein Umdenken
Während der letzten Finanzkrise hat die Kleinstaaterei zu großen Problemen geführt. Banken waren kaum in der Lage schnell verlässliche Aussagen über ihre Risiken zu treffen. Die Aufsichten gehen mit BCBS #239 und AnaCredit, BIRD und ERF gegen uneinheitliche Datentaxonomien und Bereichssilos vor.
Aktuell wird eine durchgängige einheitliche Bankensprache von der Aufsicht nicht verpflichtend gefordert. Banken müssen sich aber heute Gedanken machen, wie sie sich aufstellen, da dies auch in Zukunft ein Top-Thema der aufsichtlichen Agenda sein wird.
Eine einheitliche Sprache gepaart mit modernem Föderalismus schafft enormes Potenzial
Die Methodenhoheit über spezifische Kennzahlen muss weiterhin in den Bereichen bleiben. Die Kennzahlen müssen jedoch auf institutsweit einheitlich definierte Informationsbausteine basieren. So entsteht ein moderner Föderalismus mit spezialisierten Bereichen, allerdings auf Basis einheitlicher Begrifflichkeiten. Ein hoher Standardisierungsgrad der Semantik erhöht die Datenqualität, reduziert manuelle Korrekturen, Aufwände durch bereichsübergreifende Abstimmungen und ermöglicht eine normierte Überleitung zwischen Risiko- und Finanzkennzahlen.
Vereinfach gesagt führt eine einheitliche Begrifflichkeit zu einer Sprache über gemeinsam genutzte Informationen. Dies erleichtert die Kommunikation zwischen den Bereichen deutlich, indem teure Missverständnisse vermieden und die Transaktionskosten in jedem Projekt und im täglichen Betrieb gesenkt werden.
Dieser Aspekt gewinnt vor dem Hintergrund der Digitalisierung, steigender Datenvolumina („Big Data“) auch aus sozialen Netzen und anderen externen Quellen immer mehr an Bedeutung. Die Potenziale der Digitalisierung und externen Informationen können ohne eine gemeinsame interne Sprache nicht gehoben werden.
Das fachliche Informationsmodell als strukturiertes Wörterbuch für eine einheitliche Sprache – die Lösung für die Neuzeit
Einige Banken führen ein fachliches Informationsmodell (Business Information Model) ein und stellen so einheitliche Taxonomien und eine Sprache sicher. Die Einführung eines einheitlichen Informationsmodells ist vergleichsweise leicht zu erreichen. Dazu werden vorhandene Fachkonzepte, künftige Anforderungen und vorhandene Datenmodelle aufgegriffen, Synonyme und Homonyme aufgelöst und in ein einheitliches Informationsmodell überführt. Im Zuge dessen findet auch eine Harmonisierung der Kalkulationsmethoden und Kennzahlen statt.
Ein Informationsmodell unterscheidet sich von einem einfachen Glossar (Business Glossary). Ein fachliches Informationsmodell
- enthält klare Regeln über die Abhängigkeiten von Informationsobjekten (z. B. zwischen Vertragspartnern und Kreditgeschäft über die Definition verschiedener Rollen, die der Vertragspartner innehaben kann),
- enthält präzise Angaben über die Granularität von Informationen, da die Eigenschaften explizit Informationsobjekten zuordnet werden,
- enthält eine Zuordnung von fachlichen Anforderungen und damit Transparenz über den Verwendungszweck in den Berichten (auch data lineage genannt) und
- ermöglicht den automatisierten Aufbau technischer Datenmodellen und bildet damit einen einfachen Weg Richtung physischer Umsetzung.
Enorme Potenziale für Innovationen und Time-2-Market
Durch eine einheitliche Sprache und Taxonomien werden Daten und Informationen zum Wettbewerbsvorteil. Daten und Informationen müssen gerade von Banken als strategisches Asset verstanden werden. Dies wird von vielen Banken immer noch unterschätzt.
Die Einführung einer übergreifenden Banksprache erleichtert die Kommunikation und senkt die internen Transaktionskosten. Zusammen mit einer integrierten Finanz- und Risikoarchitektur können in kurzer Zeit konsistente und inhaltlich korrekte Kennzahlen und Berichte erstellt werden. Regulatorische oder interne Initiativen können mit deutlich geringerem Aufwand eingeführt werden. Bankinterne Prozesse werden beschleunigt. Dies schafft ungeahnte Potenziale für Innovationen und Time-2-Market, die wiederum dem Kunden zugutekommen und Erträge erzeugen. Sicherlich kann der Weg in die Digitalisierung nur so erfolgreich gemeistert werden.