Diversity Management: Vielfalt im Unternehmen gezielt nutzen

Der demografische und gesellschaftliche Wandel zwingt Unternehmen zum Umdenken – und die Bemühungen vieler Unternehmen um die Integration von Arbeitssuchenden aus europäischen und Flüchtlingen aus außereuropäischen Ländern. „Diversity Management“ wird als gezielter und wirtschaftlich sinnvoller Umgang mit Vielfalt immer wichtiger.

Buntere Mitarbeiterschaft – bunteres Management

In einer vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekt haben wir untersucht, auf welche Weise Unternehmen mit Diversity umgehen und welche Art des Diversity Management wirtschaftlichen Erfolg verspricht. Dabei hat uns besonders die Frage interessiert, ob Vielfalt Innovationsprozesse im Unternehmen erleichtert, weil unterschiedliche Erfahrungen und Sichtweisen kreatives Potenzial freisetzen können.

Obwohl viel darüber diskutiert wird, gibt es nur wenig Untersuchungen und Erfahrungen dazu, welche Art von Diversity Management nicht nur sozial, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll ist. Dies liegt auch daran, dass Diversity Management vor allem auf unveränderliche Merkmale reduziert wird: Alter, Geschlecht, Behinderung, kultureller Hintergrund, sexuelle Orientierung. Ziel von Diversity Management bedeutet dann nur noch, Unterschiede – z. B. bei Stellenbesetzungen – möglichst wenig Bedeutung zuzumessen. Aber damit wird das kreative und wirtschaftliche Potenzial von Vielfalt ignoriert.

Innovation und Diversity

Obwohl viel darüber diskutiert wird, gibt es nur wenig Untersuchungen und Erfahrungen dazu, welche Art von Diversity Management nicht nur sozial, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll ist. Diversity Management wird in Unternehmen und Öffentlichkeit vor allem auf unveränderliche Merkmale reduziert: Alter, Geschlecht, Behinderung, kultureller Hintergrund, sexuelle Orientierung. Ziel von Diversity Management bedeutet dann nur noch, Unterschiede – z. B. bei Stellenbesetzungen – möglichst wenig Bedeutung zuzumessen. Aber damit wird das kreative und wirtschaftliche Potenzial von Vielfalt ignoriert. Eine rein auf Nutzen fokussierte Sicht, etwa um den Markt- und Kundenzugang zu verbessern, verstellt den Blick auf die oft sehr unterschiedlichen Voraussetzungen für persönliche Teilhabe und Entwicklung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Unsere Forschung und Beispiele erfolgreicher Unternehmen zeigen, wie wirtschaftlich bedeutsame Unterschiede erkannt und genutzt werden können. Sie zeigt auch, dass Unternehmen durch „mehr Vielfalt“ nicht automatisch kreativer und innovativer werden. Vielmehr kann eine auf Kreativität und Innovation ausgerichtete Unternehmenskultur unterschiedliche Begabungen und Kompetenzen besser integrieren und nutzen als weniger agile Organisationen.

Innovationen im Management

Die zeb.business school hat im vom BMBF im Forschungsrahmen „Innovationsstrategien jenseits traditionellen Managements“ geförderten Verbundprojekt mit Frankfurt School of Finance & Management und Universität Oldenburg das Teilprojekt „Diversity und Innovation“ geleitet. Im ersten Schritt wurden mit Mitarbeitern von sechs Unternehmen (darunter zwei Banken) Tiefeninterviews geführt und Innovationsprojekte über mehrere Monate begleitet. Aus den Ergebnissen wurden strukturierte Fragebogen und Interviews entwickelt, die bei mehr als 600 Personen eingesetzt wurden, darunter viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Banken und Sparkassen. Alle teilnehmenden Unternehmen wurden um ihre Einschätzung zum Innovations- und Geschäftserfolg im Vergleich zu den eigenen Zielen und dem Wettbewerb gebeten. Daraus wurden ein Index für den Gesamterfolg und einer für den Innovationserfolg errechnet.

Vielfalt auf verschiedenen Führungsebenen

Diversity wird auf den verschiedenen Führungsebenen unterschiedlich wahrgenommen und behandelt: Das Top-Management sieht Chancen und glaubt an den Nutzen, die mittleren Führungsetagen erleben Diversity vielfach als Problem und die untere Führungsebene (Teamleitung) ist nah an den Mitarbeitern, sieht und beurteilt Chancen sowie Probleme von Diversity daher nicht generell, sondern abhängig von konkreten Personen.

Abbildung 1: Zustimmung bzw. Ablehnung der Aussagen „Vielfalt fördert Innovation“ (links) und „Vielfalt verbreitet Innovationen“ abhängig von der Führungsebene

Die befragten Unternehmen lassen sich in drei Gruppen von Diversity Management einteilen:

  1. Anti-Diskriminierung: Diversity Management versucht im Sinne des „Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes“ (AGG) Benachteiligung z. B. durch Schulungen, Quotenregelungen und Fördermaßnahmen zu vermeiden.
  2. Marktorientierung: Diversity Management nutzt Vielfalt von Sprachen und kulturellen Hintergründen der Mitarbeiter, um Kunden und Bewerber für das Unternehmen zu gewinnen.
  3. Lernen & Effektivität: Diversity Management versucht für möglichst viele, auch veränderliche Arten von Verschiedenheit (z. B. Alter, Geschlecht, aber auch Kompetenz und Berufserfahrung) Entwicklungschancen im Unternehmen zu finden.
Abbildung 2: Zusammenhang von Arten des Diversity Management mit gruppiertem Innovations- und Gesamterfolg (unterste 25 % und Top 25 % der Unternehmen)

„Inklusion“ statt „Integration“

Die gedachte Unterteilung in benachteiligte Minderheiten und eine dominierende Mehrheit führt meist zu einem bunten Strauß an Einzelmaßnahmen, die vom Unternehmen – und oft sogar von den betroffenen Mitarbeitern – als unnütz und herabwürdigend gesehen werden: Programme zur Förderung einzelner Frauen in Führungspositionen und „IT 50+“ sind typische Beispiele dafür. Inklusion geht davon aus, dass es viele Minderheiten und Mehrheiten gibt, und dass daher eine Organisation entstehen muss, die allen Vorteile bietet: Führen in Teilzeit und als „Job Sharing“ fördert Frauen – kommt aber auch den Wünschen vieler Männer entgegen; altersgemischte Teams in der Softwareentwicklung führen zu schnellerer Entwicklung und besser vermarktbaren Produkten.

Die durchgreifende Digitalisierung ist eine Herausforderung für Banken, die genau das braucht: mehr Vielfalt und mehr Inklusion. Häufig zitiert wird das Beispiel der polnischen mBank, die im Jahr 2000 mit ihrem Umbau begann und mehr als 200 neue Funktionen erarbeitet und an den Markt gebracht hat, darunter „30-Sekunden-Kredite“, Video-Banking und Facebook-basiertes Bezahlsystem. Der Geschäftsführer Michał Panowicz sagte auf der NetFinance-Konferenz in Miami, dass die Umstellung und Entwicklung der Bank zur „Digitalbank“ vor allem darauf beruht, dass „Silos“ aufgebrochen werden: „Kreativität entwickelt sich durch Vielfalt, Zustimmung durch Teilhabe“ (Vortrag auf der NetFinance in Miami, 2014). Banken nutzen die kreative Kraft der Vielfalt kaum, stärker digitalisierte Unternehmen nutzen sie hingegen ganz gezielt, wie ein Gutachten für das Bundeswirtschaftsministerium zeigt: mehr Systeme für den Wissenstransfer, mehr flexible Arbeitsplätze und mehr altersgemischte Teams.

Gerechtigkeit statt Gleichheit

Der Gesetzgeber gibt mit dem AGG einen Ordnungsrahmen vor, nicht einen Handlungsleitfaden für erfolgreiches Management. Natürlich soll niemand wegen seines Geschlechts, Alters, Behinderung, religiöser oder sexueller Orientierung benachteiligt werden. Unterschiede in Kultur, Erfahrung und Kompetenz kann ein Unternehmen erst dann nutzen, wenn es Unterschiede erkennt und so entwickelt, dass sie genutzt werden können: in den Arbeitsalltag integrierte Sprachkurse, Lerntandems mit unterschiedlichen Erfahrungshintergrund und Image- und Werbekampagnen, die Unterschiede herausstellen.

Die Commerzbank beteiligt sich durch freiwilliges Engagement ihrer Mitarbeit bei „Kompass“ für einen Start ins Berufsleben. In ähnlicher Weise will die Deutsche Bank 1.000 Freiwillige als Integrationspaten stellen, aktuell sind es bereits 300. Noch etwas weiter geht das Engagement der Allianz Versicherung, die aktuell Konzepte für die weitergehende Integration von Flüchtlingen erarbeitet, z. B. durch Ausbildungsplätze, Integrations-Workshops sowie Patenschaften innerhalb der Allianz.

Viele Minderheiten und Mehrheiten

Diversity Management soll sich nicht auf unveränderliche Merkmale beschränken, sondern im Gegenteil möglichst viele Unterschiede entdecken und entwickeln helfen: Hobbys, Reiseerfahrungen, Sprachkenntnisse, Familien- und Pflegeerfahrung und sportliche Fitness ihrer Mitarbeiter können für Unternehmen nützlich sein. So ein Diversity Management wird zu einem wichtigen Teil des Wissens- und Kompetenzmanagements im Unternehmen.

Schon rund 80 Kredit- und Finanzinstitute haben die „Charta der Vielfalt“ unterzeichnet und verpflichten sich damit, Anerkennung, Wertschätzung und Einbeziehung von Vielfalt voranzubringen und ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das frei von Vorurteilen ist. Durchsucht man die Datenbank der Initiative nach Best Practices, so gibt es nur ein einziges Beispiel eines Kreditinstituts: Die Deutsche Bank hat „Bankamiz“, ein Konzept für eine „kultursensible Bankberatung“ erarbeitet und erfolgreich umgesetzt. Der Anstoß kam von einem Bankberater mit Migrationshintergrund. Bankamiz ist ein Angebot insbesondere für türkischstämmige Kunden, das 2006 erstmals ausprobiert und mittlerweile in etwa 40 Standorten mit rund 60 Senior-Kundenberaterinnen und -beratern eingeführt wurde.

Dabei gäbe es zahlreiche andere Betätigungsfelder, z. B. die Beratung älterer Kunden, die kurz vor der Rente stehen oder schon im Ruhestand sind. Durch die neuen Regelungen zu Immobilienkrediten ist dies ein wichtiges und gesuchtes Beratungsfeld. Die Presse titelt z. B. „Wie auch Opa einen Kredit bekommt“. Im Bereich der Honorarberatung haben sich schon erste Angebote entwickelt und einzelne Berater spezialisiert.

 

Hinweis: Eine vollständige Beschreibung aller Forschungsergebnisse findet sich im Buch „Integriertes Kompetenzmanagement“; eine wissenschaftliche Beschreibung der Ergebnisse des Teilprojekts „Diversity und Innovation“ kann hier herunterladen werden.

Sprechen Sie uns gerne an!

Prof. Dr. Joachim Paul Hasebrook / Autor BankingHub

Prof. Dr. Joachim Paul Hasebrook

Senior Manager Office Münster

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