Die Dunkle Triade

Nein, mit Fantasy-Videospielen, Star Wars oder dem Dark Net hat die Dunkle Triade nichts zu tun. Vielmehr beschreibt die wissenschaftliche Persönlichkeitspsychologie mit diesem Begriff die Persönlichkeitsmerkmale Narzissmus, Machiavellismus und Psychopathie. Diese drei Persönlichkeitsmerkmale gewinnen zusehends an Bedeutung für die Personalauswahl und Eignungsdiagnostik in Banken und Sparkassen.

Das gilt insbesondere für exponierte Management- und Führungsfunktionen, da es erste empirische Indikatoren dafür gibt, dass die im Begriff der Dunklen Triade gefassten Dispositionen riskantes Fehlverhalten in diesem Personenkreis begünstigen. Die Arbeits- und Organisationspsychologie spricht dann von Derailment-Risiken (Derailment = Entgleisen).

Hohe Ausprägungen im Narzissmus, im Machiavellismus und in der Psychopathie können Derailment-Risiken fördern

Narzissmus als erstes Subkonstrukt kennzeichnet die individuelle Neigung zu einem grundlos übersteigerten Selbstwertgefühl, verbunden mit der Tendenz, andere Menschen bzw. deren Leistungen in unangemessener Art und Weise herabzuwürdigen. Hinzu treten Dominanzverhalten, Gefallsucht und Egoismus. Den Narzissmus kennzeichnet eine ausgeprägte Ich-Zentrierung. Im beruflichen Kontext – das konnten einige empirische Studien belegen – ist Narzissmus allenfalls in einer moderaten Ausprägung förderlich und akzeptabel.

Machiavellismus weist auf ein manipulatives, stark eigeninteressengesteuertes Verhalten hin, das ethische Prinzipien ausblendet oder allenfalls als Mittel zum Zweck betrachtet. Der stark manipulative Anteil wird durch Distanzverhalten, Zynismus und emotionale Kälte – auch der eigenen Person gegenüber – ergänzt.

Die Psychopathie beinhaltet die meisten Persönlichkeits- und Verhaltensfacetten. Dazu zählen charmant-betrügerisches Verhalten, Rücksichtslosigkeit und Mangel an Empathie, geringe Angst vor Bestrafung, Impulsivität, Verantwortungslosigkeit sowie kaum stillbare Abenteuerlust. Weitere Merkmale sind pathologisches Lügen und unrealistische Ziele, hohe Impulsivität sowie geringe emotionale Stabilität. Die Neigung zu kriminellen Handlungen ist bei Menschen mit einer signifikanten Psychopathie stark ausgeprägt. Der Wirtschaftsprüfer fasst diese Handlungen unter dem Begriff der „dolosen Handlungen“ zusammen.

Dolose Handlungen und Derailment-Risiken

Dolose Handlungen und das zugrunde liegende Derailment haben maßgeblich zur Finanzkrise 2008 geführt. Seither wurden vom Gesetzgeber, von Verbänden, Banken und Sparkassen zahlreiche Initiativen unternommen, um solche Handlungen künftig zu unterbinden. Im Sinne des Vermögens- und Verbraucherschutzes wurden zahlreiche Gesetze und Verordnungen verabschiedet, die darauf abheben sollen, riskantes, schädliches oder kriminelles Handeln institutionell zu unterbinden. Einige Beispiele:

  • 25a Abs. 1 KWG schreibt den Kreditinstituten eine „ordnungsgemäße Geschäftsorganisation“ vor,
  • 5 Abs. 1 InstitutsVergV hält nur solche Vergütungssysteme für angemessen, die es vermeiden, dass Geschäftsleiter und Mitarbeiter „unverhältnismäßig hohe Risiken eingehen“ und
  • 34d Abs. 1 WpHG lässt nur solche Mitarbeiter zur Anlageberatung zu, die „sachkundig“ sind, andernfalls kann eine Tätigkeit im Wertpapierhandel gem. § 34d Abs. 4 bis zu einer Dauer von 24 Monaten untersagt werden.

Die Aufzählung ließe sich fortführen. Schon ein kurzer Auszug zeigt, dass die Regelungen zur Vermeidung doloser Handlungen eher formal, technisch und auch etwas distanziert sind. Derailment-Risiken lassen sich auf diesem Wege nicht identifizieren oder mindern. Zur betriebs- und personalwirtschaftlichen Wirksamkeit dieser Regelungen fehlt – gleichsam im Sinne einer komplementären Ergänzung – die Berücksichtigung von personal- bzw. eignungsdiagnostischen Fragestellungen. Denn darum geht es bei der wissenschaftlichen Erforschung der Dunklen Triade vorrangig – um die Grundlegung einer eignungsdiagnostischen Identifikation von Narzissmus, Machiavellismus und Psychopathie für eine präventive Risikoidentifikation.

Entgegen der landläufigen Ansicht und einigen eher populärwissenschaftlichen Statements ergeben sich aus der eignungsdiagnostischen Forschung keinerlei Indikatoren dafür, dass Narzissmus, Machiavellismus und Psychopathie positiv mit relevanten Führungs- oder Managementeigenschaften korrelieren. Ganz im Gegenteil: Zwischen den einzelnen Konstrukten der Dunklen Triade und den im Berufs- und Führungsalltag wichtigen Eigenschaften Gewissenhaftigkeit, Verträglichkeit, Glaubwürdigkeit und Integrität besteht eine statistisch signifikante negative Beziehung. Diese negative Korrelation konnte inzwischen in mehreren einschlägigen Studien belegt werden.

Die Verbindung von exponierter Führung und Psychopathologie ist eine oberflächliche Konnotation, die – sollte sie einen realen Bezug haben – eher auf Defizite in der jeweiligen eignungsdiagnostischen Praxis hinweist. Nicht nur unter Gesichtspunkten der Compliance und Regulatorik hat demgegenüber das psychologische Konstrukt der Integrität in den letzten zehn Jahren an eignungsdiagnostischer Bedeutung gewonnen. Empirische Studien und Meta-Analysen konnten eine positive Korrelation zwischen Integrität und beruflichem Erfolg belegen. Die Erklärung dafür liegt näher, als man glauben mag: Menschen mit ausgeprägter Integrität zeichnen sich durch eine langfristige und nachhaltige Orientierung aus und verzichten daher auf kurzfristige Erfolge, die zulasten der Regelbefolgung gehen.

Zusammenspiel von Regulatorik und Eignungsdiagnostik

Hier greifen Regulatorik und Eignungsdiagnostik tatsächlich einmal klar ineinander: Persönliche Integrität stützt Regelbefolgung und Compliance; sie fördert nachweislich den beruflichen Erfolg und lässt sich im Rahmen entsprechender Verfahren gut feststellen bzw. prognostizieren. Unter den sogenannten Persönlichkeitsinventaren gewinnen daher Verfahren zur Messung der persönlichen Integrität („integrity tests“) zusehends an Bedeutung – für den deutschsprachigen Raum kann in diesem Sinne z. B. auf das „Inventar berufsbezogener Einstellungen und Selbsteinschätzungen“ (IBES) als gut konzipiertes und valides Verfahren hingewiesen werden.

Es sind nicht die spektakulären Persönlichkeitsmerkmale der Dunklen Triade, die sich auf beruflichen Erfolg, auf Führungs- oder Managementerfolg auswirken – erst recht nicht in übersteigerten Ausprägungen –, sondern es sind Charakterzüge wie die genannte Integrität. Die wirken sich gleichzeitig positiv auf die innerbetriebliche Regelbefolgung aus und ermöglichen den Erfolg von eher formalen Regelungen, wie sie im KWG, in der InstitutsVergV oder im WpHG definiert worden sind. Es kann für Kreditinstitute daher sehr sinnvoll sein, im Rahmen der Personalauswahl Verfahren wie das IBES zu nutzen.

Mit diesen Feststellungen allein ist das Gefahrenpotenzial der Dunklen Triade indes noch nicht gebannt. Verhalten, das hohe Ausprägungen im Narzissmus, im Machiavellismus oder in der Psychopathie erkennen lässt, ist regelmäßig sozial schädlich, führt zu organisatorischen Verwerfungen, zu Reputations-, Vertrauens- und Vermögensschäden.

Es ist strittig, ob in exponierten Führungsfunktionen in globalen Finanzdienstleistungsunternehmen oder Investmentbanken überdurchschnittlich viele Narzissten oder Psychopathen tätig sind. In dieser Hinsicht ist der öffentlichen Diskussion zu misstrauen. Fest steht aber, dass Mitarbeiter und Führungskräfte mit entsprechendem Persönlichkeitsprofil zu dolosen Handlungen neigen und ein Derailment-Risiko darstellen – insbesondere in Banken und Sparkassen. Compliance und Regulatorik bieten da nur einen vordergründigen und eher reaktiven Schutz. In Kombination mit eignungsdiagnostischer Expertise kann aber eine verlässliche Immunisierung gegen die destruktiven Kräfte der Dunklen Triade entstehen.

Verfahren zur Erfassung der Dunklen Triade

Aufgrund des großen Interesses sowohl seitens der eignungsdiagnostischen Forschung als auch aufseiten der praktischen Personal- und Unternehmensführung wurden bereits einige Verfahren entwickelt und erfolgreich eingeführt, die Ausprägungen der Dunklen Triade im beruflichen bzw. im betrieblichen Kontext erfassen und bewerten. Diese Verfahren wurden in entsprechende Inventare überführt und können im Rahmen interner oder externer Personalauswahlverfahren, im Assessment-Center oder Management-Audit eingesetzt werden. Dabei sind einige Gestaltungsprinzipien zu würdigen:

  • Der betriebliche bzw. berufliche Kontext ist zu berücksichtigen. Berufsbezogene Inventare zur Dunklen Triade sind trotz des spektakulären Erscheinungsbilds keine klinischen Persönlichkeitsinventare. Sie agieren auf einem „subklinischen“ Niveau und sind auch so einzusetzen. Ein therapeutischer Ansatz ist in jedem Falle unangemessen.
  • Es empfiehlt sich – wie in aller Eignungsdiagnostik – ein multimodales Herangehen, also eine Kombination von persönlichkeits-, biografie- und simulations- oder situationsorientierten Ansätzen. Ein Inventar zur Dunklen Triade kann also im Rahmen von strukturierten Interviews oder Assessment-Center-Verfahren eingesetzt werden.
  • Die Verfahren zur Identifikation von Merkmalsausprägungen der Dunklen Triade sind bereits so weit entwickelt, dass nicht schon auf den ersten Blick ersichtlich wird, welche Eigenschaften im Zentrum der Evaluation stehen. Das mag der ansonsten wünschenswerten Transparenz von eignungsdiagnostischen Verfahren nicht entsprechen. Außerdem gibt es ethisch-rechtliche Fragestellungen, die nicht leicht von der Hand zu weisen sind. Vor dem Einsatz entsprechender Verfahren sollte daher eine differenzierte Güterabwägung erfolgen.

Solide konstruiert, prognostisch valide und praxisgesättigt ist das an der Universität Stuttgart-Hohenheim entwickelte Inventar „Triad of Personality at Work“ (TOP). Dieses Inventar ist in elf berufsbezogene Kriterien unterteilt, benötigt 10–15 Minuten zur Durchführung und genießt hohe Akzeptanz, auch bei den Teilnehmern. Damit lässt es sich gut in umfassende eignungsdiagnostische Verfahren integrieren. Außerdem erfasst es zuverlässig die beruflich relevanten Ausprägungen der Dunklen Triade und liefert damit eine solide Basis für die Gefahrenabwehr aus eignungsdiagnostischer Perspektive. Es ergänzt also komplementär die Bestimmungen der personalwirtschaftlichen Regulatorik. Obendrein drängen derlei wissenschaftlich fundierte Verfahren – und ihre Ergebnisse – die zwar etwas verstohlene, aber weit verbreitete und grundfalsche Bewunderung für rasant erfolgreiche Psychopathen im Bankenhochhaus zurück.

Fazit

Mag der Blätterwald noch so rauschen, es gibt keine positive Korrelation zwischen den Konstrukten der Dunklen Triade im beruflichen oder bankfachlichen Kontext. Exponierte Fach- und Führungskräfte in Banken und Sparkassen profitieren nicht von hohen Ausprägungen in Narzissmus, Machiavellismus oder Psychopathie. Einschlägige Studien und Meta-Analysen belegen vielmehr eindeutig negative Korrelationen zwischen der Dunklen Triade und beruflich relevanten Persönlichkeitsmerkmalen. Die Dunkle Triade impliziert ein hohes Derailment-Risiko und damit Rechts-, Reputations- und Vermögensrisiken.

Die zur Vermeidung entsprechender Schäden aufgesetzte Regulatorik (KWG, InstitutsVergV, WpHG usw.) greift indes zu kurz, da sie zu formal und technisch orientiert ist. Erst in Kombination mit eignungsdiagnostischer Expertise kann eine Immunisierung gegen Risiken der Dunklen Triade gelingen. Solide Verfahren zur berufsbezogenen Erfassung der relevanten Persönlichkeitsmerkmale, Integrität einerseits, Narzissmus, Machiavellismus oder Psychopathie andererseits, existieren bereits und sollten von Banken und Sparkassen fall- bzw. anlassbezogen eingesetzt werden.

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